Donnerstag, September 12, 2024

NATO: Rakete kam nicht von Russland

Nach bisherigen Erkenntnissen wurde Einschlag in Polen nicht von einer russische Rakete verursacht. Die Verantwortung liegt aus Sicht der NATO dennoch bei Russland.

Kiew/Moskau/Warschau, 16. November 2022 | Nach dem ersten Schock Dienstagabend wegen des Raketeneinschlags in einem polnischen Dorf nahe der ukrainischen Grenze, gab es in den frühen Morgenstunden erste Meldungen, dass die Rakete womöglich von der ukrainischen Flugabwehr stammte. Das hat sich nun wohl bestätigt. Nach Angaben von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg gibt es keine Hinweise darauf, dass es sich bei dem Vorfall um einen vorsätzlichen Angriff Russlands gehandelt hat. Auch der polnische Präsident Andrzej Duda sagte, es gebe keinen Hinweis auf einen Angriff auf das Land.

Rakete russischer Bauart

Die Bauart der Rakete – wohl eine Rakete des Systems S-300 aus den 70er-Jahren, ein russisches Produkt – hatte zunächst für Spekulationen gesorgt, dass diese von Russland abgefeuert worden war, wenngleich nicht unbedingt von einem gezielten Angriff ausgegangen wurde. Russland-Experte Gerhard Mangott sprach Dienstagabend im Interview mit „Puls24“ von einem möglichen Irrläufer und warnte vor einer möglichen nicht-beabsichtigen Eskalation des Krieges, die aus seiner Sicht immer wahrscheinlicher wird, je länger der Krieg andauert.

Große Sorge vor Eskalation

Die Sorge davor, dass sich die Lage durch solche Zwischenfälle weiter zuspitzt, stellte sich als berechtigt heraus: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj machte Russland für den Raketeneinschlag verantwortlich. Er sei eine Botschaft Russlands an den G20-Gipfel gewesen, sagte er in einer Videoansprache. Der Kreml bestritt, verantwortlich zu sein und lobte die zurückhaltende Reaktion der US-Regierung auf den Vorfall. China rief alle Parteien zu Zurückhaltung und Ruhe auf. Polen verstärkte seinen Grenzschutz.

NATO-Dringlichkeitssitzung

Die NATO kam zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen. Nach den Erkenntnissen über den Raketenursprung beschlossen die Bündnismitglieder aber, dass die Auslösung von Artikel 4 des Bündnis-Vertrags „dieses Mal vielleicht nicht notwendig sein wird”, wie der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki am Mittwoch in Warschau verkündete. Artikel 4 sieht vor, dass sich die NATO-Staaten beraten, wenn ein Mitglied die Unversehrtheit seines Gebiets, seine politische Unabhängigkeit oder seine Sicherheit bedroht sieht.

Polens nationaler Sicherheitsrat BBN trat Mittwochmittag erneut zu Beratungen zusammen. Auch in Estland kommt die Regierung zu einer außerordentlichen Kabinettssitzung zusammen.

NATO sieht Schuld bei Russland

Dennoch, der Vorfall sei nicht die Schuld der Ukraine, sagte Stoltenberg. Russland müsse diesen “sinnlosen Krieg” beenden. Auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sieht die Verantwortung für den Raketeneinschlag bei Russland. Der frischgebackene britische Premier Rishi Sunak sieht das genauso: “Das Wichtigste ist, anzuerkennen, warum die Ukraine Raketen einsetzen muss, um ihr Heimatland zu verteidigen”, sagte Sunak am Mittwoch am Rande des G20-Gipfels auf Bali.

Der ehemalige russische Präsident Dmitri Medwedew hingegen sah die Verantwortung für einen möglichen Dritten Weltkrieg beim Westen und dessen angeblichen „hybriden Kriegs gegen Russland“. Das schrieb er auf Twitter.

Zwei Tote durch Raketeneinschlag

Die Rakete war Dienstagabend im ostpolnischen Dorf Przewodow sechs Kilometer von der Grenze zur Ukraine eingeschlagen. Nach Angaben der Feuerwehr wurden dabei zwei Menschen auf einem landwirtschaftlichen Betrieb getötet.

Von einem russischen Irrläufer auszugehen ist nicht weit hergeholt: Der Aggressor hatte auch am Dienstag wieder viele Raketen auf die Ukraine abgefeuert. Bei seinen Angriffen nimmt Russland auch gezielt zivile Einrichtungen ins Visier – ein Kriegsverbrechen. Der ehemalige EU-Ratsvorsitzende Donald Tusk, selbst Pole, sagte am Mittwoch, das Gefühl der Bedrohung in seinem Heimatland sei nach Russlands Angriff auf die Ukraine berechtigt: „Russland ist zu hundert Prozent für diese Situation verantwortlich.“

(pma)

Titelbild: JOHN THYS / AFP / picturedesk.com

Autor

  • Pia Miller-Aichholz

    Hat sich daran gewöhnt, unangenehme Fragen zu stellen, und bemüht sich, es zumindest höflich zu tun. Diskutiert gerne – off- und online. Optimistische Realistin, Feministin und Fan der Redaktions-Naschlade. @PiaMillerAich

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