Samstag, April 20, 2024

Von Verständnis bis »Terror« – Das sagen Museumsbesucher zur Klimt-Attacke

Die Schütt-Aktion gegen ein Klimt-Bild im Leopold Museum machte am Dienstag Schlagzeilen. Am Tag danach scheint in den Hallen alles so wie vorher, doch das Thema bleibt in aller Munde.

Wien, 16. November 2022 | „Aufgrund der in letzter Zeit durch Aktivist*innen verursachten Anschläge auf Kunstwerke in zahlreichen Museen Europas müssen wir Sie bitten, Handtaschen, Rucksäcke etc. bei der Garderobe abzugeben“ – das Hinweisschild vor dem Eingang des Leopold Museums steht nicht erst seit gestern, als zwei Aktivisten das Bild „Tod und Leben“ von Gustav Klimt mit schwarzer Farbe anschütteten, da.

Schon als die ersten Museums-Protestaktionen in Europa aufgekommen waren, reagierte man mit dieser Maßnahme. Die Übeltäter vom Dienstag schafften es dennoch mithilfe einer Wärmeflasche unter dem Pullover, die Farbe für ihren Protest hineinzuschmuggeln.

Rucksäcke sind im Museum schon länger nicht mehr erlaubt (Bild: ZackZack)

Besucher sollen “ohne Generalverdacht” ins Museum

Verschärfte Sicherheitskontrollen gibt es am Tag darauf nicht. Als ZackZack die Hallen betritt, reicht ein kurzes Öffnen des Mantels und man ist drinnen. Daran soll sich auch in Zukunft nichts ändern, wie der Museumsbund in einem offenen Brief an die verantwortlichen Aktivisten der “Letzten Generation” betonte. Man bemühe sich, “einen öffentlichkeitswirksamen Beitrag zum Diskurs” zu leisten. Dennoch appelliert man an die Aktivisten, alle Aktionen, die das Kulturerbe gefährden, zu unterlassen. Besucher sollen auch künftig Museen “ohne größere Zugangsbeschränkungen und ohne Generalverdacht besuchen können”.

In dieselbe Kerbe schlägt auch der Direktor der Leopold Museums, Hans-Peter Wipplinger, der den “Angriff auf Kunstwerke” definitiv “als den falschen Weg” sieht.

Bild blieb unversehrt

“Schaut’s, da am Boden sieht man noch ein paar Reste der Farbe” – ein Museumsguide erzählt einer Gruppe von Kindern, die ihn mit erstaunten Blicken ansehen, was gestern passiert ist. In dem Raum im vierten Stock, dem Ort des Geschehens, ist heute alles so wie vorher. Die Glasscheibe, die das Bild schützt, ist wieder sauber, letzte Farbreste darunter muss man schon mit der Lupe suchen, um etwas davon zu erkennen.

Das Glas erfüllte seinen Zweck (Bild: ZackZack)

Das Bild blieb unversehrt, erzählt ein Sicherheitsmann, der gestern jedoch nicht im Dienst war. “Zum Glück hat das Bild nichts abbekommen, wer hätte den Schaden bezahlt? Das Bild ist 200 Millionen Euro wert”, sagt er.

Klimts “Tod und Leben” ist das Objekt der Begierde in diesem Raum. Viele Besucher, großteils Touristen, machen Fotos mit ihrem Smartphone. Spricht man sie auf die gestrige Schütt-Aktion an, haben die meisten aber den Aufruhr gar nicht mitbekommen.

Hätte man Gustav Klimt damals erzählt, dass im Jahr 2022 eines seiner Bilder mit Farbe angeschüttet wird, um auf die Erderwärmung aufmerksam zu machen, hätte der Künstler wohl nur gelacht (Bild: ZackZack)

“Terroristische Attacke auf unsere Kultur”

Wir zeigen Lena, einer 70-jährigen Touristin aus Strömstad in Schweden, ein Bild vom Dienstag. Sie kennt das Problem aus ihrem Heimatland. “Das ist Unsinn. Ich glaube sie erreichen damit die falsche Wirkung. Die Menschen werden damit nur wütend gemacht”, sagt sie mit ruhiger Stimme. Ihr Mann kommt hinzu und bestätigt: “Ich verstehe die Motivation dahinter, aber ich glaube, dass man damit nur negative Aufmerksamkeit erregt. Man sollte nicht etwas zerstören, das für alle gedacht ist.”

Schon um einiges deutlicher wird Janosc, er ist mit seiner Frau aus Polen in Wien zu Besuch. Er würde gerne wissen, was das “schwedische Mädchen” (Greta Thunberg Anm.), das sich für das Klima einsetzt, darüber denke. “Das ist eine Art terroristische Attacke gegen unsere Kultur, gegen die Gesellschaft. Es bringt gar nichts, außer dass der oder diejenige, die das Gemälde beschmutzt, berühmt wird.”

“Klassische Form des Protests ausgedient”

“Was hat diese Form des Protests für einen Sinn?”, fragten sich auch viele User in sämtlichen Zeitungsforen und Social-Media-Seiten. Das Video der “Letzten Generation” verbreitete sich am Dienstag wie ein Lauffeuer. “Wenn ich solche Kommentare lese, denke ich mir so: Dass du gerade hier darüber schreibst, ist der Sinn dieser Aktionsform”, sagt der 30-jährige Karl aus Köln. Wir treffen ihn am Weg zurück in der Eingangshalle. Er arbeitet selbst in einem Museum und versteht das Handeln der Aktivisten.

Das Video der Aktivisten ging am Dienstag viral:

“Ich sehe, dass das Potenzial, mit weniger krassen Aktionen Aufmerksamkeit zu generieren, ausgeschöpft ist. Wenn man mit ein paar Tausend Leuten auf die Straße geht, berichtet vielleicht die Lokalpresse irgendwo an der 17. Stelle darüber in den Nachrichten.” Karl relativiert auch die Aufregung um die ganze Sache. Jene Aktivisten würden sich ja absichtlich die Bilder aussuchen, die sich hinter Glas befinden, damit keine bleibenden Schäden entstehen.

Ob er es scheinheilig findet, dass viele, die sich jetzt aufregen, selbst noch nie vor einem Klimt-Bild gestanden sind? “Ich glaube, dass es viele gibt, die diese Hallen und diese Kunst tatsächlich schätzen, und dass auf gar keinen Fall wollen, dass hier politische Anliegen in Bezug auf diese Bilder formuliert werden.” Fakt sei jedoch, dass wenn keine drastischeren Maßnahmen ergriffen werden, man “diese Kunst in 20 bis 30 Jahren gar nicht mehr genießen kann”.

Auch Francesco aus Rom wird diese Zeit noch erleben. Der 25-Jährige erinnert sich im Gespräch mit ZackZack aber an “effektivere Arten des Protests”. Man hätte in Europa heutzutage die Möglichkeit, mit Tausenden Menschen auf öffentlichen Plätzen auf seine Anliegen aufmerksam zu machen.

Francesco weiß noch nicht so recht, was er von solchen Aktionen halten soll (Bild: ZackZack)

“Andererseits: Die Gemälde wurden bis jetzt nicht beschädigt durch solche Aktionen, es ist also ein möglicher Weg, sichtbar zu werden. Aber ich weiß nicht, ob das der Richtige ist”, so Francesco.

(mst)

Titelbild: ZackZack

Markus Steurer
Markus Steurer
Hat eine Leidenschaft für Reportagen. Mit der Kamera ist er meistens dort, wo die spannendsten Geschichten geschrieben werden – draußen bei den Menschen.
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3 Kommentare

  1. Irgendwelche Menschen, die einfach auf etwas Aufmerksam machen wollten, was Ihnen wichtig ist, ohne dabei irgendjemanden ernsthaften Schaden zuzufügen, die Todesstrafe zu wünschen ist absolut grauslig und daneben.
    Redaktion bitte löschen!

  2. Eine der unmittelbar spürbaren Auswirkungen dieser Nutzlosattacken, werden die logischerweise nach sich ziehenden Mehrkosten durch verstärkt benötigte Sicherheitsbemühungen für kunstineressierte Besucher sein,. An selbige werden nämlich die monetären Belastungen weitergegeben…
    Es muss auch hier heller werden!

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