Zum zweiten Mal in nur zwei Monaten hat die Inflation den Höchstwert im Vergleich mit den vergangenen 70 Jahren erreicht. Ein weiterer Rekord dürfte folgen.
Wien, 17. November 2022 | Erst im September hat die Inflation mit 10,6 Prozent den höchsten Wert in den vergangenen 70 Jahren erreicht, nun bricht der Oktober den Rekord gleich wieder, mit satten 11 Prozent. Das zeigen die neuen Daten der Statistik Austria vom Donnerstag. Der November dürfte den Rekord erneut knacken, mit erwarteten 11,5 Prozent Inflation. Für 2023 wird mit einer Jahresinflation von 6,5 Prozent gerechnet.
Verlangsamung vorausgesagt
Mit Dezember, schätzt Josef Baumgartner, Experte am Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo), dürfte sich die Teuerung wieder etwas verlangsamen. Ab Dezember sollte die Strompreisbremse zu wirken beginnen, so Baumgartner gegenüber der APA, „und insbesondere in Ostösterreich eine deutliche Entlastung darstellen. Damit sollte die Inflationsrate gedämpft werden, weil der Beitrag der Haushaltsenergie zur Teuerung verringert wird.”
Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) rechnete am Rande einer Pressekonferenz auch mit einem baldigen Höhepunkt des Preisauftriebs in den kommenden Monaten, spätestens Anfang 2023. Die Haupteffekte der Teuerung seien bereits wirksam.
Inflation geht in die Breite
Auch Statistik-Austria-Chef Tobias Thomas sieht ein Ende der Inflationsexplosion nach oben hin. “Bei den beiden wichtigsten Preistreibern, der Haushaltsenergie gefolgt von den Treibstoffpreisen, hat der Aufwärtstrend ein vorläufiges Ende erreicht”, sagte Thomas. Dafür sind immer mehr Ausgabenbereiche von Preissprüngen betroffen. “Bei Bekleidung, die in den letzten Monaten kaum Teuerungen aufwies, gab es im Oktober einen markanten Preissprung”, so Thomas.
Während besonders bei Möbeln die Preise immer schneller steigen, ist die Entwicklung bei Nahrungsmitteln und in der Gastronomie weniger dynamisch, weiß der Experte. Ohne Ausgaben für Haushaltsenergie und Treibstoffe hätte die Inflation im Oktober 7,3 Prozent betragen.
SPÖ will mehr und andere Maßnahmen
Die SPÖ hingegen warf der türkis-grünen Regierung Fehler vor. Geschäftsführer Christian Deutsch betonte einmal mehr, dass es einen Gaspreisdeckel und das Aus der Merit-Order-Prinzips brauche. Und die größte Oppositionspartei fordert eine weitere Einmal-Entlastung: Zur Überbrückung bis zum Inkrafttreten des Gaspreisdeckels solle die Dezember-Gasrechnung als Winter-Soforthilfe erlassen werden. Die SPÖ fordert auch, dass die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel ausgesetzt, Mieten eingefroren und die CO2-Steuer ausgesetzt wird, ebenso wie eine Preisobergrenze für Treibstoffe.
Zur Frage, wie es im kommenden Jahr dann mit der Teuerung weitergeht, sagte Wifo-Forscher Baumgartner, dass sich der Einfluss der Haushaltsenergie – also Gas und Strom – auf die Gesamtinflation verringern werde. Dominant blieben diese Kosten zwar weiterhin, “aber andere Bereiche werden stärkere Beiträge liefern”, sagte der Fachmann mit Blick auf Industriegüter, Waren, Lebensmittel und Dienstleistungen. “Die Überwälzung der höheren Energiepreise, die schon länger im Gange ist, geht weiter. Der Prozess der Überwälzung ist noch nicht abgeschlossen.”
Historische Höhepunkte
Die Teuerung von 11 Prozent im Oktober und 10,6 Prozent im September waren die höchsten Werte seit Juli 1952. Damals lag die Inflation bei 14,1 Prozent. Der nächsthöhere Wert war im Juni 1952 mit 28 Prozent verzeichnet worden. In den sieben Jahrzehnten seither gab es einen Zwischenrekord im Juni 1974 mit einer Teuerungsrate von 10,2 Prozent.
Indes hat auch die Inflation in der Eurozone im Oktober erstmals ein zweistelliges Niveau erreicht, angefeuert von den Preisen für Energie und Lebensmittel. Binnen Jahresfrist kletterten die Verbraucherpreise um 10,6 Prozent, wie das Statistikamt Eurostat am Donnerstag mitteilte. Eine erste Schätzung Ende Oktober hatte noch auf 10,7 Prozent gelautet. Seit Einführung des Euro 1999 war die Inflation noch nie so hoch.
(pma/apa)
Titelbild: ZackZack/ Christopher Glanzl