Freitag, April 19, 2024

Gute Klimapolitik ist Sozialpolitik – Ausgerechnet

Ausgerechnet:

Österreichs Klimapolitik ist zu zaghaft und muss schnell aufholen. Warum gute Klimapolitik eben nicht zur Benachteiligung der weniger Wohlhabenden führt, sondern ein besseres Leben für alle ermöglichen kann. 

Joel Tölyges

Wien, 19. November 2022 | Bei der Klimapolitik gilt in Österreich das Motto „nur ned hudln“. Zwar bewegt sich etwas, allerdings viel zu langsam. In Sachen Bodenversiegelung oder im Verkehrssektor machen wir überhaupt Rückschritte statt ordentliches Tempo. Mit mischt die Erzählung, dass Klimaschutz mit Verzicht, Verbot und Schmerz verbunden wäre: Konsequente Klimapolitik brächte schmerzhafte soziale Auswirkungen, so das Kredo.

Also lieber nicht zu viel, zu schnell. Oder sogar rückwärts: “Viele Menschen können sich die hohen Energiepreise nicht mehr leisten, ist es da nicht verständlich, dass die Leute sagen, wir müssen jetzt eben doch wieder zurückkehren zu Öl und Kohle?”, wurde eine Klimaaktivistin kürzlich im Fernsehen gefragt. Schaut man genauer hin, erkennt man allerdings: Gute Klimapolitik würde gerade für Menschen mit niedrigen Einkommen konkrete Verbesserungen bringen.

Zaghafte Klimapolitik als soziales Problem

Oft übersehen wir, dass just unsere zaghafte Klimapolitik für viele soziale Probleme verantwortlich ist. Wenn Menschen unter den hohen Treibstoffpreisen leiden, dann deshalb, weil sie noch immer auf Autos angewiesen sind. Sichere Radwege und gut ausgebaute öffentliche Verkehrsmittel sind gerade in ländlichen Gebieten Mangelware, die Wege wegen der Zersiedelung aber umso weiter. Dabei war ein Auto schon bisher für viele ärmere Menschen unleistbar. Wer kein Auto besitzt, wird durch autozentrierte Politik ausgegrenzt.

Ganz ähnlich bei der Stromerzeugung: Erst unsere fossile Abhängigkeit von Gas und Öl hat uns die hohen Strompreise beschert. Erneuerbare Stromproduktion ist nicht nur besser für die Umwelt, sondern wesentlich günstiger. Auch beim Wohnraum blieben uns viele Probleme erspart, hätten wir in der Vergangenheit mehr auf Klimaschutz gesetzt: Gebäude wurden lange nicht saniert, bei Dämmung und Heizungstausch geht seit Jahren zu wenig weiter. Gerade ärmere Haushalte leben oft in schlecht isolierten Wohnungen mit alten Öl- oder Gasheizungen. Den hohen Energiepreisen sind sie jetzt schutzlos ausgeliefert. Schließlich führt die Klimakrise selbst zu immer größeren sozialen Problemen. Studien zeigen: Ärmere Haushalte sind wesentlich stärker von den negativen Auswirkungen immer größerer Hitze und Luftverschmutzung betroffen, gerade in Städten.

Auf in eine klimasoziale Zukunft

Was wir bis jetzt versäumt haben, gilt es jetzt umso schneller aufzuholen. So negativ die sozialen Auswirkungen unserer klimapolitischen Versäumnisse sind, so viele soziale Chancen birgt gut ausgestaltete Klimapolitik. Kürzere Wege werden es uns erlauben, wieder mehr zu Fuß und mit dem Rad unterwegs zu sein. Innovative, flächendeckende öffentliche Verkehrsmittel ermöglichen es allen, auch in ländlichen Gebieten günstig, mobil zu sein. Platz, der bisher den Autos gehört hat, gewinnen wir zurück, damit er wieder tatsächlich der Allgemeinheit zur Verfügung steht.

Apropos Platz: Sozialer Wohnbau mit angemessen dimensionierten Wohneinheiten ist nicht nur klimapolitisch besser. Der knappe Platz in Städten wird schlicht auch effizienter genützt, Wohnen wird wieder leistbarer. Zusätzlich könnte man beim Strom auf progressive Energietarife umsteigen. Ein Grundbedarf an Energie bleibt so – ähnlich wie bei der Strompreisbremse – günstiger. Wer Energie prasst, zahlt allerdings mehr. Auch das ist nicht nur besser fürs Klima, sondern sorgt für sozialen Ausgleich. Die Klimakrise erfordert eine grundlegende Umstrukturierung unserer Welt. Das ist eine gewaltige Herausforderung, die auch unsere gewohnten Verhaltensweisen verändert. Der Punkt ist allerdings: Diese Veränderung können wir so organisieren, dass die Vielen am Ende ein besseres Leben als heute haben und unsere Gesellschaft fairer funktioniert.

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Joel Tölgyes ist Klima-Ökonom am Momentum Institut. Er hat Public Economics an der Freien Universität Berlin studiert. Er beschäftigt er sich mit den Verteilungsaspekten der Klimakrise und mit der Frage, wie wir unser Wirtschaftssystem ökologischer und nachhaltiger gestalten können.

Titelbild: ZackZack

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18 Kommentare

  1. klimapolitik wurde in den 80ern/90ern dem birkenstockschlapfnxindl zugeschrieben – vulgo lauter irre in den augen der ÖVPler. als ich 89 als PM für den aufbau von mazda in der sowjetunion verantwortlich war – hatte ich die erkenntnis: falls dieses gschäft irrtümlich gut geht – welche auswirkung hat das auf den planeten – weil die japaner das durchaus interessierte.
    1. über meinen schreibtisch KEIN DIESEL (wegen der additive und keine gscheiten feinstaubfilter, die dmals schon in der müllverbrennung thema waren sic!)
    2. die gummiabriebe/abgastests
    3. reparatur wird durch ersatzteiltausch wirtschaftlicher gemacht

    • 4. keine mobile hühnerKZs als gegengeschäftsware (damals war DIE zeit der bartertrader). in der massenhendlproduktion gings nämlich um die kacke – die als rohstoff für die sprengstoff, waschmittel und düngemittelindustrie dient höhö
      5. null-prozent-leasing wurde in Ö eingeführt – damit JEDEM der zugang zum statussymbol möglich war
      6. schwarzgeldzahlungen der piefke/amis

    • FAZIT: wenn ich zb als wirtschafts/klimaminister da wirklich eingreifen gewollt hätte, hätte ich den LKW-diesel mind auf 3,– gesetzt – damit sich die horrenden investitionen in die bahn rechneten. ausserdem hat der pröll den semmeringtunnel verhindert – damit hatten sich die schweizer über den gotthart den transport gekrallt. dieser bau wurde über erhöhung der UST finanziert…

  2. Passt doch eh. Nur ganz wenige werden immer reicher und mächtiger. Vor denen muss man einen Kniefall machen, damit nach der Polit Karriere ein gut bezahlter Führungs Job drin ist……
    Da sind in meinen Augen alle Coleur gleich. Geld stinkt nicht.

  3. Wenn der Meter Brennholz 250 Euro kostet ist das sehr sozial was hat Brennholz mit der Ukraine
    sie zu tun? Schauen wir mal wer die wer die co2 noch wählt bei der nächsten Wahl.

  4. naja – das mag in grossen und ganz schon seine richtigkeit haben.
    allerdings müsste es im letzten satz heissen: könnten wir so organisieren statt können.
    weil dem steht derart viel an beharrenden kräften gegenüber, dass ich das mit dem können nicht ganz glaub.

    ausserdem glaub ich auch, dass das nicht so einfach ist, wie oben beschrieben.
    weil, wir haben ein grosses dilemma.

    https://www.hagerhard.at/blog/2017/07/a-perfect-day/

  5. Ein Dilemma……wir ( die Welt ) sind viel zu spät dran.
    Nur die Wirtschaft zählt war unser Spin.
    Es war der falsche Weg. Ich fürchte, daß wir das nicht mehr richtig hinbekommen werden.

    • Die Verbauungsrate wird mit Sicherheit nächstes Jahr wieder ansteigen. Man wird wieder jede Menge öffentliches Geld in Straßen usw. pumpen um die Krise zu bekämpfen…..und eine andere damit befeuern. Ein Spiel das schon Jahrzehnte läuft…..

      • …. zeugt nicht von Weitblick, Landschaften zu betonieren und Bauern vergrämen, Geld wird man auch in Zukunft nicht essen können….🤢

        • Da gibt es so einen ” Indianerspruch” “……..werden wir drauf kommen, daß man Geld nicht essen kann.”

          • “Only after the last tree has been cut down / Only after the last river has been poisoned / Only after the last fish has been caught / Then will you find that money cannot be eaten.”

            „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“

            Weissagung der Cree Indianer, der Häuptling Seattle, von den Suquamish, meinte im Jahr 1854 auch noch:
            „Und wenn der letzte rote Mann von der Erde verschwunden und die Erinnerung des weißen Mannes an ihn zur Legende geworden ist, dann werden diese Gestade übervoll sein von den unsichtbaren Toten meines Stammes, … dann wimmeln sie von den wiederkehrenden Scharen, die einst dieses Land bevölkerten und es immer noch lieben.“

    • Kein Verantwortlicher konnte es glauben. Und viele Staatenlenker leugnen immer noch………..

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