Hunderttausende in den Sand gesetzt
Um junge Menschen auf Initiativen der EU aufmerksam zu machen, organisierte die EU-Kommission eine digitale Plattform um 387.000 Euro. Zur Abschlussparty kamen weniger als zehn Leute.
Brüssel/Wien, 07. Dezember 2022 | „Digitaler Müll“, „deprimierend und peinlich“ sind nur einige der Prädikate, mit denen die digitale Parallelwelt der EU-Kommission bei ihrem Start Mitte Oktober bedacht wurde. Kürzlich fand die Abschlussparty auf der Plattform statt, die vor allem junge Menschen anziehen sollte. Doch nun wurde es noch peinlicher: Es kam fast niemand.
Einsam am digitalen Strand
Der Journalist Vince Chadwick war einer der wenigen, der die als Abschlussevent einer digitalen PR-Kampagne gedachte Party besuchte. Seinen Angaben zufolge waren höchstens fünf andere Online-Partygäste zugegen. Die Partystimmung wich schnell „verwirrten Gesprächen“, ob man hier überhaupt richtig sei. Nach einiger Zeit war der Journalist schließlich der einzig verbliebene Gast.
I’m here at the “gala” concert in the EU foreign aid dept’s €387k metaverse (designed to attract non politically engaged 18-35 year olds — see story below). After initial bemused chats with the roughly five other humans who showed up, I am alone. https://t.co/ChIHeXasQP pic.twitter.com/kZWIVlKmhL
— Vince Chadwick (@vchadw) November 29, 2022
Teure Katerstimmung
Auch ohne Alkohol sorgte die Party eher für brummende Schädel. Denn der virtuelle Festakt mitsamt Erstellung der Plattform soll insgesamt 387.000 Euro gekostet haben, wie die Kommission dem Journalisten mitteilte. Das Geld für die digitale Plattform, die an Facebooks Metaverse erinnert, wurde vorerst scheinbar in den digitalen Sand gesetzt.
Die Kommission wollte nicht auf Zuckerbergs Original zurückgreifen, sondern lieber eine eigene virtuelle Welt entwickeln. Beauftragt wurde die in Berlin ansässige Firma Media Consulta GmbH, die den Auftrag an Journee weitergab – eine Firma, die digitale Räume programmiert. Die Plattform, die das massive Investitionsprogramm „Digital Gateway“ der EU bewerben sollte, existiert zwar weiterhin. Junge Menschen konnte man bis jetzt allerdings nicht damit erreichen.
Auch Russland kassiert Online-Watsche
Dass Online-Auftritte nicht nach Wunsch wahrgenommen werden, musste Anfang Dezember auch der russische Außenminister Sergej Lawrow an eigenem Leib erfahren. Weil er an der OSZE-Konferenz in Polen nicht teilnehmen durfte, gab er stattdessen ein Live Interview im Internet. Ganze 13 Menschen konnte Lawrow anlocken.
Sergey Lavrov 🇷🇺 wasn’t allowed to the @OSCE ministerial meeting in 🇵🇱 and had to restrict himself to a live press conference in Moscow that seems to have attracted 13 viewers. pic.twitter.com/xNcpnH2FSW
— Carl Bildt (@carlbildt) December 1, 2022
(dp)
Titelbild: Screenshot Twitter / ZackZack