Beim Schengen-Veto setzt Zaunkönig Nehammer auf Propaganda. Fast alle machen mit. Fleischmann scheint seine Medien wieder im Griff zu haben.
Kommentar von Peter Pilz
Wien, 16. Dezember 2022 | Gestern Abend fühlte sich der ORF-Korrespondent in der ZiB1 sichtlich unwohl. Während seine Kollegen über bedeutende Entscheidungen aus Brüssel berichteten, hatte er aus Wien einen anderen Auftrag: den Propagandagag rund um Nehammers Schengen-Veto groß ins Bild zu setzen.
An der bulgarischen Grenze zur Türkei steht ein Zaun. Die österreichische Regierung wird so lange den Schengen-Beitritt Bulgariens verhindern, bis es dort, wo es längst einen Zaun gibt, endlich einen Zaun gibt. Die Folgen sind weitreichend: Wenn sich Nehammer durchsetzt, wird dort ein Zaun stehen. Wenn er sich nicht durchsetzt, auch. Und Rumänien weiß nicht, wo es einen Nehammer-Zaun hinstellen soll.
Die naheliegende Frage „Psychopharmaka oder Alkohol“ führt in die Irre. Karl Nehammer tut völlig nüchtern das, was jenseits der österreichischen Grenze am Rande der EU-Treffen als „absurd“ abgetan wird.
Alternative Fakten
Die richtige Antwort lautet „Fleischmann“. Der Dirigent der Kurz-Propaganda hat zum ersten Mal gezeigt, dass er es auch mit Nehammer kann. Fleischmann weiß:
- Die Forderung nach dem Zaun ist blanker Unsinn. Wer Flüchtlinge abhalten will, muss das an der österreichisch-ungarischen Grenze tun.
- In Wien berichten alle brav. Hier sind unsinnige Behauptungen der ÖVP längst „alternative Fakten“. Fast überall bekommen Fleischmann und Nehammer „O-Töne“ und damit Platz für Propaganda.
- Alle wissen: Das Schengen-Grenzzaun-Veto ist eine Propagandalüge. Wer sie mit verbreitet, macht sich mitverantwortlich.
- Im Gegensatz zu Journalisten können Medienkonsumentinnen nicht auf den ersten Blick feststellen, was Fakten sind und was nicht. Sie hören nur „Zaun gegen Flüchtlinge“ – und sind dafür.
Später lamentieren dieselben Journalisten, dass die Menschen eben so seien. Auch das stimmt nicht: Die erfolgreiche Verbreitung der Propaganda hat die Menschen so gemacht. Verantwortungsloser Journalismus ermöglicht den Sieg „alternativer Fakten“.
Genau dafür gibt es als Belohnung Posten, Presseförderung und Regierungsinserate.
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