Die EU-Energieminister haben sich auf einen Gaspreisdeckel geeinigt, der allerdings nur in bestimmten Situationen kurzfristig greift.
Brüssel, 20. Dezember 2022 | Die Energieminister haben sich am Montag auf den lang diskutierten Gaspreisdeckel geeinigt. Treten bestimmte Bedingungen ein, wird der Gaspreis an den Preis von Flüssiggas gekoppelt. Das teilte die tschechische EU-Ratspräsidentschaft mit. Ab 15. Februar soll der Mechanismus aktiv sein und es ist ein „dynamischer Deckel“, wie der tschechische Industrieminister Jozef Sikela es ausdrückte.
Bedingter Deckel
Liegt der Gaspreis drei Tage lang über dem Preis von 180 Euro pro Megawattstunde und gleichzeitig 35 Euro über dem Megawattstunden-Preis für Flüssiggas (LNG) an den Weltmärkten, wird der Preis auf 180 Euro gesenkt. Die Einigung liegt deutlich unter jenem Grenzwert von 275 Euro, den die EU-Kommission vorgeschlagen hatte. Dieser war vielen EU-Staaten zu hoch.
Zuletzt lag der Gaspreis am Handelsplatz TTF am Montag um 110 Euro pro Megawattstunde. Im August erreichte der Preis am TTF einen Höchststand von über 340 Euro pro Megawattstunde.
Ökonom Tölgyes: „Viel zu wenig“
„Ich denke, das ist eigentlich viel zu wenig“, so Ökonom Joel Tölgyes vom Momentum Institut zum Beschluss der EU-Energieminister. Der Schutzschalter sei zu hoch gewählt und werde für Verbraucher und Unternehmen erst langfristig und selbst dann nur minimal spürbar, weil an diese mit zeitlicher Verzögerung ein durchschnittlicher Strompreis weitergegeben werde. Weil der Mechanismus Spitzen verhindere, drücke er den Durchschnitt etwas.
Tölgyes hätte es sinnvoller gefunden, sich an Portugal, Spanien und Deutschland zu orientieren. Portugal und Spanien haben Mitte Juni den Strompreis aus Gas gedeckelt. Der iberische Sonderweg ist möglich und von der EU-Kommission erlaubt, weil die Energieversorgung der Halbinsel weitgehend unabhängig von der des restlichen Kontinents ist. Von ursprünglich fixierten 40 Euro pro Megawattstunde steigt der Strompreis seitdem monatlich in Fünf-Euro-Schritten bis auf 70 Euro. Weil sich der Strompreis üblicherweise nach Kraftwerken richtet, in denen Erdgas verheizt wird, bestimmt deren Einspeisepreis jenen aller anderen Stromarten, selbst wenn Energie aus Gas nur einen geringen Teil ausmacht – in Österreich etwa 15 Prozent. Deutschland hat wiederum hat ein günstiges Grundkontingent an Gaspreis festgelegt. Übermäßiger Verbrauch bleibt teuer, wodurch auch ein Anreiz zum Energiesparen besteht.
Auch Ex-Kanzler und Christian Kern kritisiert den Beschluss. Schon im September hatte die SPÖ in Zusammenarbeit mit Ex-Bundeskanzler Christian Kern ein Gaspreisdeckel-Modell vorgestellt. Der Deckel sei zu hoch angesetzt, so Kern. „Eine große Hilfe für Menschen und Wirtschaft ist das nicht”.
Ein Gas-Deckel von 180 bedeutet einen Strompreis von rd 440€/MWh. Das heißt Europa ist bereit 8 bzw 10mal so hohe Preise wie im Herbst 2021 und 10-12mal so hohe wie in den USA zu akzeptieren. Eine große Hilfe für Menschen und Wirtschaft ist das nicht. https://t.co/uAc4T8tAKh
— Christian Kern (@KernChri) December 19, 2022
Sorgen vor Flüssiggas-Mangel
Österreich in Person von Leonore Gewessler (Grüne) hat sich bei der Abstimmung enthalten. In einem Statement nach dem Beschluss erklärte Gewessler, dass sie überzeugt sei, dass er ein Beitrag sei, um „absurde Auswüchse bei den Gaspreisen“ zu vermeiden. “Gleichzeitig wurde jedoch heute in letzter Minute eine Ausweitung auf weitere Gasbörsen neben dem TTF in die Verordnung aufgenommen. Und diese Ausweitung kann auch Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit haben. Das gilt gerade für Österreich. Auch wenn wir uns in großen Schritten von der russischen Abhängigkeit lösen, brauchen wir diese Lieferungen aktuell noch”, so Gewessler.
Ökonom Tölgyes versteht grundsätzlich Gewesslers Sorge, bewertet sie aber im Fall der gefundenen Lösung als unbegründet, nachdem der Preisdeckel-Mechanismus nur in einzelnen Situationen zur Anwendung kommt und nicht über längere Zeit, wie er gegenüber ZackZack sagte. Schließlich sei das, was beschlossen worden sei, kein echter Gaspreisdeckel, sondern „ein Schutzschalter, der Preisspitzen abfedern“ solle.
Sicherheitsmechanismen überzeugten Deutschland
Deutschland und die Niederlande teilten Österreichs bedenken, Deutschland stimmte aber letztlich zu. Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) begründete seine Zustimmung mit verschiedenen Sicherheitsmaßnahmen, die vorgesehen sind. Wenn Gas zurückgehe, wenn rationiert werden müsse oder wenn der Handel zurückgehe, werde der Mechanismus wieder ausgesetzt.
Moskau ist sauer
Russland stoßen die Pläne der EU sauer auf. Man bezeichnete den Gaspreis-Deckel als “inakzeptabel”. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sprach sogar von einer “Verletzung des Prozesses der Preisbildung auf dem Markt“.
(pma)
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