Sonntag, September 8, 2024

Wichtige Regierungsvorhaben auf langer Bank

Die Regierung hat sich jüngst für ihre Errungenschaften gelobt. Dabei ziehen sich wichtige Vorhaben zur Korruptionsbekämpfung und Unabhängigkeit der Justiz lange hin.

Pia Miller-Aichholz

Wien, 04. Jänner 2023 | Die türkis-grüne Regierung hat sich vor Weihnachten für ihre bisherigen Errungenschaften gelobt. Davon, dass man ein Drittel des Regierungsprogramms umgesetzt habe, sprach gar Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP).

Wesentliche Vorhaben liegen aber seit Monaten auf der langen Bank. Darunter drei, deren Dringlichkeit sich vor dem Hintergrund des ÖVP-Korruptions-U-Ausschusses und diverser Polit-Affären immer wieder gezeigt hat: die Verschärfung des Korruptionsstrafgesetzes, die Schaffung einer Generalstaatsanwaltschaft und das Ende des Amtsgeheimnisses. Immerhin geschafft ist die Novelle des Parteiengesetzes.

Zadić: „Entwurf liegt bei ÖVP“

Im Oktober 2022 saß eine sichtlich nicht erfreute Justizministerin Alma Zadić beim „ZiB 2“-Interview mit Martin Thür und sagte, sie habe ihre Hausaufgaben gemacht. Sie meinte damit die geplante Verschärfung des Korruptionsstrafgesetzes. Dieses soll eine Ausweitung der Strafbarkeit bei Mandatskauf enthalten, außerdem soll der Amtsträgerbegriff bei Bestechlichkeit erweitert werden. Es soll demnach auch strafbar sein, wenn Personen bestimmte Leistungen gegen Geld oder sonstige Vorteile zusagen, noch bevor sie die Funktion, in der sie die Leistung dann erbringen können, innehaben. Beide Punkte wären bereits in Verfahren gegen Ex-FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache relevant gewesen, etwa hinsichtlich der Versprechen, die er der vermeintlichen Oligarchennichte im Austausch gegen Parteispenden auf Ibiza gemacht hatte.

ÖVP-Klubobmann August Wöginger hat zuletzt in Aussicht gestellt, dass es in den kommenden Wochen eine Einigung geben könnte. „Da wird ja schon seit Wochen intensiv auf Klubebene daran gearbeitet“, so Wöginger am Dienstag im APA-Interview. Man habe sich das Ganze sorgfältig ansehen müssen, weil angeblich Bestimmungen enthalten seien, die EU-weit rechtliches Neuland seien.

Generalstaatsanwaltschaft steht – theoretisch

Auch das Vorhaben, mit einer Generalstaatsanwaltschaft eine politisch unabhängige Weisungsspitze über die Staatsanwaltschaften zu stellen, ist nun auf 2023 verschoben worden. Der Endbericht der Arbeitsgruppe aus 26 Experten liegt seit September 2022 vor.

Brisant: Unter den Experten finden sich Personen wie Kurz-Entlaster Peter Lewisch, von dessen Gutachten sich sogar die Uni Wien distanzierte, und der umstrittene langjährige Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Johann Fuchs. Der Endbericht und die Vorschläge der Arbeitsgruppe werden von Unterstützern des Antikorruptionsvolksbegehrens jedenfalls als „progressiv“ bewertet.

Zadić zufrieden, Edtstadler nicht

Demnach soll die bereits existente Generalprokuratur zur Generalstaatsanwaltschaft ausgebaut werden und die Behörde in Wien sitzen. Es sollen ein bis drei Dreiersenate für Weisungen an die Staatsanwaltschaften zuständig sein, der Leiter der Generalstaatsanwaltschaft vom Bundespräsidenten ernannt werden und das Parlament bei laufenden Verfahren keinerlei Kontrollrecht haben, stattdessen nur bei Justizverwaltungsangelegenheiten. Die Abberufung vom Generalstaatsanwalt soll sehr streng gestaltet werden, „um eine politische Einflussnahme auf die oberste Weisungsspitze möglichst auszuschalten“. Justizministerin Zadić ist mit den Vorschlägen der Arbeitsgruppe zufrieden. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler hat jedoch wesentlich andere Vorstellungen.

Edtstadler ortet beim Konzept „demokratiefreien Raum“. Sie möchte, dass statt Dreiersenaten Einzelpersonen für Letztentscheidungen verantwortlich sind und das Parlament in die Bestellung der Leitung der Generalstaatanwaltschaft sowie in ihre Abberufung eingebunden ist. Die Arbeitsgruppe hat eine Abberufung durch den Nationalrat oder durch ein Modell ähnlich der Ministeranklage „ausdrücklich“ abgelehnt, „weil ansonsten eine (vermutete) politische Einflussnahme nicht ausgeschlossen werden könne“.

Kreutner: Verschärftes Parteiengesetz „großer Schritt“

Jurist Martin Kreutner, eines der Gesichter des Antikorruptions-Volksbegehrens und Pro-Bono-Mitarbeiter im Fachbeirat der Justizministerin, widerspricht gegenüber ZackZack Edtstadler: Es entstehe kein demokratiefreier Raum, weil die gerichtliche Kontrolle bei jedem Schritt mitgedacht worden sei, sowohl amtswegig als auch wenn sie eingemahnt werde.

Gelungen sei die Verschärfung im Parteiengesetz, die mehr Transparenz bei den Parteifinanzen bringt. Das, sagte Kreutner gegenüber ZackZack, sei „ein großer Schritt in die richtige Richtung.“

Es gebe immer Verbesserungspotential, aber es seien wesentliche Punkte des Rechnungshofs aufgenommen worden. Unter anderem hat der Rechnungshof bei „begründetem Verdacht“ auf Verletzung des Parteigesetzes künftig Einschaurecht in die Parteifinanzen. Außerdem sind Spendenregelungen verschärft worden, wenngleich Geld- und Sachspenden von unter 150 Euro künftig nicht mehr unter den Spendenbegriff fallen.

Informationsfreiheitsgesetz ausständig

Schon lange warten Freunde der Transparenz allerdings auf das Informationsfreiheitsgesetz. Angeblich ist ein Gesetzesentwurf bereits ausverhandelt worden. Karoline Edtstadler verwies dazu immer wieder auf die Sorgen von Bundesländern und Gemeinden, durch die Neuerungen in Papierkram zu versinken. Ende Dezember 2022 sprach sie davon, dass man in Richtung einer Datenbank arbeite, in der man proaktiv Informationen zur Verfügung stellen wolle, damit möglichst wenige individuelle Anfragen anfallen.

Bereits im Februar 2022 meinte Verfassungsexperte Heinz Mayer zu Edtstadlers Argumentation gegenüber „Ö1“, dass das nur ein Ablenkungsmanöver sei und der Bund auch auf seiner Ebene mit einem einfachen Gesetz und daher einer einfachen Mehrheit das neue Informationsfreiheitsgesetz beschließen könne. Edtstadler hat sich aber vorgenommen, auf Verfassungsebene etwas zu ändern, wofür sie allerdings eine erhöhte Mehrheit von zwei Dritteln im Nationalrat bräuchte.

Titelbild: EVA MANHART / APA / picturedesk.com

Autor

  • Pia Miller-Aichholz

    Hat sich daran gewöhnt, unangenehme Fragen zu stellen, und bemüht sich, es zumindest höflich zu tun. Diskutiert gerne – off- und online. Optimistische Realistin, Feministin und Fan der Redaktions-Naschlade. @PiaMillerAich

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