Donnerstag, April 25, 2024

Regierung lobt »strengstes Antikorruptionsgesetz der Welt«

Die Regierung zeigt sich überzeugt, am Donnerstag das strengste Korruptionsstrafrecht Europas, womöglich sogar der ganzen Welt präsentiert zu haben. 

Wien, 12. Jänner 2023 | Endlich steht es: das neue Korruptionsstrafgesetz. Zumindest aus Sicht der Regierung. Donnerstagfrüh haben Justizministerin Alma Zadić (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) die Neuerungen präsentiert. Korruption sei „Gift für unsere Demokratie“, sagte Zadić. „Wir schaffen das strengste Antikorruptionsgesetz der Welt“, meinte Edtstadler. Man wolle die Lücken, die das Ibiza-Video aufgezeigt habe, schließen. Das Gesetz geht nun in die achtwöchige Begutachtung.

„Sie erinnern sich alle an das Ibiza-Video“, sagte Zadić einleitend. Es habe ein Sittenbild der österreichischen Politik offenbart, das viele Menschen zurecht abgestoßen habe. Es sei „demokratiepolitischer Zündstoff“, wenn sich immer mehr Menschen von der Politik und der Demokratie nicht vertreten fühlten, führte die Justizministerin aus. Man könne das Vertrauen der Menschen nicht von heute auf morgen mit einem Gesetz wiederherstellen, ergänzte Edtstadler. Aber das Gesetz sei „ein wichtiger Schritt für die Korruptionsbekämpfung, ein wichtiger Schritt für die Koalition, ein wichtiger Schritt für die Österreichische Volkspartei“.

Amtsverlust bei Korruption

Mandatskauf soll strafbar werden, und zwar für alle Beteiligten. Der Mandatskauf gilt dann als vollzogen, wenn die Person, die davon betroffen ist, das Mandat tatsächlich antritt. Die Regelung gilt für den Nationalrat, die EU-Wahlen sowie für die Landtage, nicht aber für Gemeinden.

Wer aufgrund von Korruption rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt wird, verliert automatisch sein Amt und ist auch nicht mehr wählbar. „So wenden wir weiteren Schaden von unseren demokratischen Institutionen ab“, sagte Zadić. In den Parteien, die den Vorteil annehmen, ist der Verantwortliche für die entsprechende Listenerstellung strafbar.

„Vorab-Korruption“ strafbar

Als Bestechung gilt künftig auch, wenn jemand das entsprechende politische Amt, für welches Versprechen gemacht werden, noch nicht innehat und während der Bewerbung oder Kandidatur für das Amt bestochen wird. Das soll für Beamte in jeder Position gelten und auch dann, wenn das Versprochene nicht ausgeführt wird. „Sowohl Politiker und Politikerinnen als auch Beamte und Beamtinnen haben eine Vorbildwirkung“, begründete Zadić die Entscheidung.

Bisher ist „Vorab-Korruption“, wie Zadić es nennt, nicht strafbar gewesen. Für Ex-Vizebundeskanzler Heinz-Christian Strache hätte die Strafverfolgung wegen des Ibiza-Videos und im Prozess um den Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds (Prikraf) mit der neuen Regelung wohl entscheidend anders ausgesehen.

Stichtag zur Eingrenzung

Gleichzeitig sieht der Entwurf vor, dass der relevante Zeitraum abgegrenzt wird. Wenn jemand in der Sandkiste Schokolade dafür annehme, sich zukünftig als Bürgermeister für eine andere Person einzusetzen, könne das „natürlich nicht strafbar“ sein, führte die Justizministerin aus. Man habe deshalb klare Stichtage definiert, etwa den Neuwahlbeschluss.

Höhere Strafen und Verantwortlichkeit

Wer sich eines Korruptionsdelikts schuldig macht, das eine Schadenssumme von über 300.000 Euro umfasst, muss künftig damit rechnen, für bis zu 15 Jahre ins Gefängnis zu wandern. Und Unternehmen müssen nun mehr Strafe zahlen, wenn sie in Korruption verwickelt sind. Der Strafbetrag wird von 10.000 auf 30.000 Euro angehoben.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hatte Österreich dafür kritisiert, dass die bisherigen Strafen nicht abschreckend genug seien.

Auch der Umweg, Geld über gemeinnützige Vereine an Parteien oder Amtsträger zu schleusen, soll blockiert werden. Bisher war eine solche Spende nur dann strafbar, wenn der betreffende Politiker im Verein maßgeblich beteiligt war. Künftig reicht auch ein „bestimmender Einfluss“ von nahen Angehörigen auf den Verein.

Erster Streich

Die Regierung war immer wieder dafür kritisiert worden, wie lange sie dafür gebraucht hat, ein neues Korruptionsstrafgesetz auszuarbeiten. Man habe eben gewissenhaft arbeiten, sich mit Experten beraten und alles bedenken wollen, führte Edtstadler aus.

Das neue Korruptionsstrafrecht sei nur der erste Schritt, kündigte sie außerdem an. Das auch schon lange geforderte Informationsfreiheitsgesetz solle folgen, außerdem für raschere Verfahren gesorgt werden. Nach den diversen Affären rund um Chats, bisher vor allem rund um die ÖVP, ist es der Verfassungsministerin ein besonderes Anliegen, den „Rechtsschutz bei der Sicherstellung eines Handys“ zu erhöhen. Sie appellierte außerdem an die Gesellschaft und die Medien, die Unschuldsvermutung nicht als „leere Floskel“ zu behandeln.

(pma)

Titelbild: GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com

Pia Miller-Aichholz
Pia Miller-Aichholz
Hat sich daran gewöhnt, unangenehme Fragen zu stellen, und bemüht sich, es zumindest höflich zu tun. Diskutiert gerne – off- und online. Optimistische Realistin, Feministin und Fan der Redaktions-Naschlade. @PiaMillerAich
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22 Kommentare

  1. Wenn es zukünftig bei einem Mandatskauf zu einer Straftat kommt, wie ist es dann bei einem Wahlversprechen an die Wähler?
    Dürfen dann Wahlversprechen nicht mehr eingehalten werden, damit es zu keiner Straftat kommt?

  2. Viel billige Show um nichts.Allerdings würde es mich nicht wundern, wenn mit den neuen Fristen plötzlich der jüngste Altkanzler der Justiz entkommt.

  3. Kommt ein Verbrecher mit seinem Helfer in die Kirche und schwört im Beichtstuhl, dass er per sofort ein netter und gesetzestreuer Mensch sein wird und keine krummen Dinger mehr drehen will. Selbiges, weil es ihm sein Gewissen befohlen hat. Darum hat er nun einen Verhaltenskodex entworfen, dem er sich unterwerfen will.
    Ich höre die Botschaft, allein mir fehlt der Glaube wohl…

    Es sollte dringend heller werden!

  4. Die ÖVP braucht auch einen Ethikrat – alleine das stimmt schon bedenklich. Die basteln sich einen eigenen Ethikrat und brüsten sich noch damit. Ja – wie weit hat es denn heruntergeschneit, wenn sich eine Partei eigene Aufpasser verpassen muss. Und diese dann einen Persilschein ausstellt? Kennen die die Moral nicht? Und jetzt prahlen sie noch mit dem neuen Gesetz – weltweit das Schärfste ????? Hahaha

  5. selbstverständlichkeiten als “strengstes korruptionsgesetz weltweit” zu verkaufen ist a bissal a chuzpe.

    aber warum solltens grad da was auf die reihe kriegen.
    da hat die övp viel zu viel angst davor, sich selber ans messer zu liefern.

    • Das es überhaupt so ein Gesetz braucht ist ansich beschämend genug und sich hinterher dafür loben, da haben Sie vollkommen recht, ist äußerst geruchsintensiv.

  6. Unternehmen müssen nun mehr Strafe zahlen, wenn sie in Korruption verwickelt sind. Der Strafbetrag wird von 10.000 auf 30.000 Euro(!!!) angehoben.

    *ohne Worte*

    • Dacht ich mir auch, sollte sich eigentlich in der Höhe der Politiker/Beamten bewegen und auch Gefängnis sollte eine Möglichkeit der Strafe sein.

  7. Das stärkste Korruptionsgesetz der Welt wird in einer Wahldemokratie nicht mehr viel bewirken können?

    Aber ist diese große Ankündigung auch für die aktuellen Probleme und Vorkommenisse praktisch keine rasche Lösung, sondern mehr eine weitere Ablenkung, um so weiter zu machen wie bisher.

    Was aber ist nur beispielsweise für die anderen Versäumnisse in der Justiz mit dem Immunitätserlass?
    https://www.diepresse.com/6130947/parlamentarische-immunitaet-gilt-nur-noch-fuer-abgeordnete

    Noch immer steht diese Fake Aussage weiter im Raum?
    Niemand, absolut Niemand interessiert das aber.
    Nicht nur die Qualitätsmedien nicht sondern auch Zackzack – WARUM nur?

  8. Man soll ja nicht immer nur meckern – »wurde präsentiert« ist für DIE Regierung definitiv ein Erfolg.

  9. “Wer aufgrund von Korruption rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt wird, verliert automatisch sein Amt und ist auch nicht mehr wählbar.”

    Danke, damit weiß ich was vom “Antikorruptionsgesetz” zu halten ist.

  10. Politischer Aktivismus?
    Aus Erfahrung wissen wir, dass höhere Strafen sich kaum auf die Häufigkeit von Straftaten auswirken. Höhere Strafen, ihre Durchsetzung und stärkere Überwachung fördern vor allem die Einschränkung der persönlichen Freiheit und die Entwicklung der Demokratie zum Polizeistaat. Aber damit haben die Grünen ja offensichtlich kein Problem, fast erscheint es, sogar ganz im Gegenteil.

    Was wirklich hilft, ist Transparenz. Je mehr Personen über die Vorgänge im öffentlichen Bereich Bescheid wissen und Einsicht haben, umso schwieriger wird es, korrupte Handlungen zu tätigen und sie nachher zu vertuschen. Aber offensichtlich sind dann doch wieder alle Parteien, die jetzt gegen die Korruption wettern, nicht an der Transparenz interessiert. Somit bleibt der schale Verdacht des Aktivismus.

  11. Hmmmm irgendwie hat alles was die ÖVP als Erfolg verbucht einen Beigeschmack. Kanns noch nicht ganz glauben dass hier wirklich etwas weitergeht. Der Fall Strache war nicht die einzige Schwachstelle im Gesetzbuch.

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