Freitag, März 29, 2024

Der Doch-Nicht-Hanni: Ein verpatzter Wahlkampfstart

Der Startschuss für den SPÖ-Wahlkampf in Niederösterreich ging ziemlich in die Hose. Franz Schnabl wollte aus dem Schatten treten und stilisierte sich in Woche 1 zum weinerlichen Hanni-Franzi. Die kommentierte Chronologie.

Anja Melzer

Wien, 13. Jänner 2023 | Die ganze Malaise begann wie sehr viele andere zweifelhafte Dinge auf Twitter. Es war Dienstag, der 10. Jänner im neuen Jahr 2023. Exakt 13:01 Uhr. Da zwitscherte es plötzlich los von einem – immerhin dank blauem Hakerl unstreitig verifizierten Account –, lautend auf „Franz Schnabl“. Allem Anschein nach dürfte der Tweet aus dem Nabel Niederösterreichs, also St. Pölten City, abgesendet worden sein.

Der rote Hanni

Den Tweet zierte auf den ersten Blick (und es sollten aufgrund der Unglaublichkeit mehrere Blicke vonnöten sein) ein breites männliches Grinsen, daneben die ebenfalls sehr breite Aufschrift: „der rote hanni“, darunter der Satz „so sind wir“. Spätestens mit dem zweifelnden Kontrollblick aufs SPÖ-Logo links oben konnte man annehmen, dass es sich beim vorliegenden Gesamtkunstwerk um ein Wahlplakat mit dem Antlitz des roten Spitzenkandidaten Franz Schnabl himself handelte. Und siehe da: Es fand sich auch ganz offiziell auf der Partei-Homepage zwischen den anderen Sujets. Als Journalist musste man von der Authentizität der Werbetafel ausgehen.

Übrigens: Im Schatten dieses Bildschockers kam der Tweet außerdem mit einer skurrilen textlichen Ankündigung daher, die nicht zu viel versprechen sollte. Nun, da „viele von der ÖVP NÖ nach dem gestrigen Auftritt von Mikl-Leitner peinlich berührt“ seien, stand dort, sei es „noch nicht zu spät“, es gebe noch eine „Alternative“… Puh.

Während von Vorarlberg bis Wien Politkenner und solche, die sich dafür halten, über Stunden auf Twitter und in diversen Zeitungsspalten rätselten, was das digitale Poster aus dem flächenmäßig größten Bundesland mit den österreichweit zweitmeisten Wahlberechtigten zu bedeuten hatte, was hinter der Botschaft um den „roten Hanni“ stecken könnte, ob man eine solche überhaupt wollen sollen und wie viel Anleihen St. Pölten am SPD-Sujet „Er kann Kanzlerin“ (Olaf Scholz wurde bekanntermaßen dann tatsächlich Merkels Nachfolger) genommen haben könnte, oder – es ist kein Witz – sich die Zeit mit intensiven Zahn-, Gebiss- und Photoshop-Analysen totschlugen, lief just am späteren Abend die nächste Neuigkeit über die Nachrichtenticker.

Angekündigt wurde eine „Persönliche Erklärung von Franz Schnabl“ für den Folgetag. Diese Floskel fungiert gemeinhin als Code für „Rücktritt“. Doch dafür war es etwas früh, normalerweise erfolgen Rücktritte erst nach der Wahl, nicht kurz davor. Wer also bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht mindestens einmal den Kopf geschüttelt hatte, tat dies spätestens jetzt.

Der Doch-Nicht-Hanni

Dann, endlich: Mittwoch, 11. Jänner, 13 Uhr. Landesparteivorsitzender Schnabl tritt im „NÖ-Haus“ am Landhausplatz 1 in St. Pölten vor die Kameras. Staatsmännisch postiert sich der 64-Jährige vor einer pompösen Flaggenkulisse (Europa, Österreich, Niederösterreich). Sein überraschender Eingangssatz zur „Persönlichen Erklärung“: „I bin ziemlich guat aufgelegt.“

Normalerweise würde er ja „in diesem Land fast totgeschwiegen“, sagt Schnabl. Selten sei das „NÖ-Haus“ so voll mit Medien “wegen der Sozialdemokratie” gewesen. Johanna Mikl-Leitner dagegen würde täglich auf Seite 1 mit „nichtssagenden, inhaltsleeren, substanzlosen Aussagen“ stehen, alles an ihr sei „überdimensional berichtenswert“. Das halte er, Schnabl, für echt unfair. Dass auch er einmal die Aufmerksamkeit bekomme, ginge leider nur „über gezielte Provokation“.

Und dann kommt der Hammer: „Ich bin mit Sicherheit kein roter Hanni, ich bin der Franz Schnabl.“– Okay, eine wertvolle Feststellung. „Aber wir wissen ja, wie die Medienlandlandschaft in Niederösterreich funktioniert“. Das „Hanni“-Plakat sei nur ein verstecktes „Osterei“ gewesen und gar nicht echt. Man habe es nur für Satirezwecke benützt. Jedenfalls wolle er, Schnabl, jetzt Landeshauptmann werden. Fragen der Reporter wurden keine beantwortet.

Das war also der Plan des Ex-Polizisten: Gezielt Journalistinnen und Journalisten in die Falle tappen lassen, um sie dann für ihr inhaltliches Interesse zu schelten. Alles nur erfunden, um die Journaille vorzuführen – ein eigenwilliger Sinn für Humor.

Der Osterhasen-Franzi

Man könnte jetzt entgegensetzen: Vielleicht braucht es ja derlei übertrieben ausgeflipptes Herumgezappel und peinliche „Hanni-Ostereier“ wirklich, um in einem Bundesland, in dem sonst nur eine einzige Partei hörbar medialen Niederschlag findet, überhaupt ein bisschen wahrgenommen zu werden. Aus dem pinken und grünen Eck hört man schließlich noch weniger.

Raus aus dem Schattendasein also – das erklärte Ziel der niederösterreichischen SPÖ. Denn selbst die alleroptimistischsten Umfragen sehen die Roten bei gerade einmal 24 Prozent, die aktuellste Erhebung schiebt die SPÖ sogar auf Platz 3 – noch hinter die FPÖ. Das wären dann nur mehr wenige Zehntel über dem historischen Tiefststand von 2017 (21,6 Prozent). In einem Land, in dem…

(und das waren nur ein paar Schmankerl) … ist es für alle Parteien, die nicht ÖVP heißen, naturgemäß schwerer, überhaupt mit Botschaften durchzudringen. Selbst für die ÖVP wird die anstehende Landtagswahl allerdings zur Zitterpartie: Die Mikl-Leitner-Absolute wackelt ernsthaft – ein Absturz von bis zu zehn Prozent wird vorhergesagt. Das könnte noch bitter enden.

Der Kana-mog-mi-Franzi

Wahlkämpfe sind Rituale. Sie brauchen die Medien, und Wahlkämpfer brauchen einen politischen Mythos, also eine große Erzählung, die sich als Sinnstifter um den ganzen Wahlkampf spannt. Die von Franz Schnabls SPÖ lautet nach Woche 1: „Keiner will über uns berichten.“

Völliger Schmarrn, schließlich haben sich Medien auf und ab durch Österreich mit Schnabls Wahlauftakt beschäftigt. Aber in der NÖ-SPÖ man hat sich längst hineingesteigert. So sehr, dass das Bild, das Schnabl bis dato abliefert, eines von Jammerei und sogar bissiger Verspöttelung abgibt.

Von politischen Inhalten – auf seinen Postern gäbe es viel Brauchbares von leistbarem Wohnen, Gesundheitsversorgung bis Teuerungbekämpfung – blieb dagegen wenig hängen. Vom „Sozi-Franzi“, wie sich Schnabl auf der Partei-Homepage selbst nennt, keine Spur. Soziales oder auch Sätze wie „Ich stehe für Veränderung und eine andere Politik“ oder „Ich habe keine Angst vor den guten Ideen anderer Parteien“ aus dem Pressestatement wurden auf Kosten der Osterei-Posse wirklich nirgends zitiert.

In einem Satz: Das war wohl nix

Ob das Niederösterreichs Wählerinnen und Wähler zum Kreuzerl in der Wahlkabine bewegen wird? Eher fraglich. Und ob das freche Zum-Narren-Halten derjenigen Journalisten und Journalistinnen, die ihre Zeit wie am Mittwoch tatsächlich Schnabls Statement widmeten, der richtige Weg ist, um sich auch künftig medial Gehör zu verschaffen, sei außerdem dahingestellt.

Übrigens: „So sind wir“ – bei Schnabls Claim auf den Wahlplakaten, der mit starken Ibiza-Vibes aufwartet (Van der Bellen sagte damals über das Geschehene: „So sind wir nicht“) handelt es sich nach derzeitigem Wissensstand um keinen Satiresatz. Inwieweit Franz Schnabl selbst als Satireprojekt kandidiert, ist noch unklar.

Was Schnabl jedenfalls bisher in diesem niederösterreichischen Wahlkampf geboten hat, dürfte Mikl-Leitner schwerst in die Hände spielen. So oder so: „Es steht viel auf dem Spiel“ – und zwar für alle Plakat-Hannis, die echten und die falschen.

Titelbild: FLORIAN WIESER / APA / picturedesk.com

Anja Melzer
Anja Melzer
Hält sich für die österreichischste Piefke der Welt, redet gerne, sehr viel und vor allem sehr schnell, hegt eine Vorliebe für Mord(s)themen. Stellvertretende Chefredakteurin. Sie twittert unter @mauerfallkind.
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40 Kommentare

  1. FPÖ für die arbeitende Bevölkerung
    60 Stunden Woche, 12 Stunden Arbeitstag, schön das wir alle Ausgebrannt sind. Festung Österreich wo würde diese Partei ohne Flüchtlinge in dieser Republik sein? So wie ich sie einschätze hätten wir zur Auswahl Juden, Roma Sinti,Bgld Kroaten,Kntn Slowenen und ganzjährig Touristen.

  2. Die jetzigen Rot:Innen spüren sich leider selber nicht mehr. Wenn man in Zeiten wie diesen noch Prozentpunkte verliert, dann sollte man sich schleunigst selbst aus dem Amt schleichen, ohne viele Worte.

  3. Wie heißt das Sprichwort, “wenn man kein Glück hat kommt meist auch noch das Pech dazu”…..Rendi, Schnabl, da brauchst als Roter entweder starke Nerven oder ständig einen Doppler….Ich würde sagen, Dosko wird im Burgenland jeden Tag mehrere Magnum-Flaschen Champagner öffnen, die Rufe nach ihm werden vollautomatisch lauter und lauter. Er kann sich lächelnd und genießend zurücklehnen, denn wer solche Parteifreunde hat, braucht keinen Feind zu fürchten. Freundschaft!

  4. Nach den Umfragewerten sollte der Schnabel noch vor der Wahl wieder zum Franzerl werden, und sofort Platz schaffen. Dass man trotz dieser chaotischen ÖVP auch noch 2 Prozent verliert, sagt wohl alles.

  5. ÖVP 40.0 -7.0 FPÖ 25.0 +7.0 SPÖ 22.0 -1.0 NEOS 6.0 +1.0 GRÜNE 6.0 +1.0 Others 1.0 ±0.0

    https://politpro.eu/en/lower-austria/polls/47611/unique-research/2023-01-12

    Das sieht gar nicht gut aus. Speziell für die SPÖ eine richtige Schande. Aber bei dem Wahlkampf etc. kein Wunder. War kurz in NÖ und habe kein einziges SPÖ Plakat gesehen. Alles, Grüne, Neos, FPÖ. Landbauer was für ein Ungustl.

    Also gegen Schnabl ist Pamela Rendi-Wagner ein Politstar. Was ist bloß mit der SPÖ los. Wo sind die jungen Leute mit Herz und Verstand? Nur besserwisserische alte Säcke und eine eigentlich starke Frau, die dauernd zurechtgewiesen und verunsichert wird.

    Sorry aber das kann im 21. Jahrhundert nicht funktionieren. RIP SPÖ ❤️

  6. Schnabl ist einer von den vielen Zerstörern jener Partei für die ich eimal gebrannt habe……. Macht doch Platz für Leute die die Probleme anpacken, aber nicht für solche welche außer Partei nichts gelernt haben. Davon hat eh die ÖVP genug!

    • Ich kenne Schnabl zu wenig aber die Plakate und die ganze Kampagne sind einfach nur peinlich. Unprofessionell ohne Ende. JEDE andere Partei macht das besser. Bierpartei, KPÖ, MFG, egal, jede andere bringt ihre Inhalte besser rüber als die SPÖ.

      Das zeigt schon dass etwas intern ganz ganz falsch läuft. Ich glaube der Altersschnit ist auch viel zu hoch. Die alten wollen einfach nicht Platz machen und kleben an den Sesseln wie die Klimakleber am Asphalt.

      Traurig irgendwie.

  7. Jetzt fällt mir ein was dem Franzi auf dem Plakat noch fehlt. Eine dicke fette Klinker -Kluncker-Kette, Dollari 🤑💰 und ein Ballkleid. Vllt hätte es das “Volk” dann begriffen. Das Plakat ist zu untertrieben.

  8. Äähm, es ist ganz was anderes, das den Wahlkampf der Roten in NÖ unsichtbar macht.
    Es fängt mit “unsere sierigen” an und hört mit “Medien” auf.

    • Richtig, nur nicht runterschreiben und auf die Taktik der türkisblaubraunschwarzen Journalistinnen der Schmiedblätter reinfallen.

  9. Polizisten sollten nicht in der Politik tätig werden. Sage ich als überzeugter Sozialdemokrat.

  10. Also vorab, ich bin kein Schnabel Fan, ich bin Babler-Fan.
    Ich persönlich finde die Aktion trotzdem witzig und sie hat ihren Zweck erfüllt. Negativ Werbung ist auch Werbung und hat wie man sieht die letargischen österreichischen Gemüter erregt. In NÖ neben la famiglia Aufmerksamkeit zu bekommen ist sehr schwierig. In unserer Stadt und den umliegenden Dörfern ist alles, jeder einzelne Laternenpfahl, jeder Erdäpfelacker, zugepflastert mit MiLei und Landbauer. Ein einziges rotes Plakat an unbedeutender Stelle.
    Meiner Meinung nach ist es der verbohrten, erzkonservativen Einstellung der österreichischen Bevölkerung geschuldet, daß man nur nette liebliche, weichgezeichnete, herzzereissende Lederhosen-Plakate mit Herzerl, a la BP Wahl, und ein paar Floskeln, mit nie eingelösten Versprechen haben will.
    Lieber Blabla und dann das überraschende Erwachen.

      • Haben sich schon viele auf Andis Website und auf Twitter deklariert seit er in den Wahlkampf eingestiegen ist.
        Die Hoffnung stirbt zuletzt.
        Immer positiv denken, auch wenn’s schwer fällt.

    • Ich als Roter sehe die Versäumnisse im Aufbau junger Leute. Im Nationalrat sieht meine SPÖ aus wie eine Delegation aus dem Pflegeheim. Sorry….aber das tut weh. Faymann, Bures und Deutsch haben die kritische junge SPÖ einfach abgelehnt und verjagt. PRW ist fest im Griff der Liesinger Partie…. und darum erfolglos.
      Schön langsam sollte sie beginnen nachzudenken ob sie wirklich gut beraten ist.
      Ich bin sicher, daß dies nicht der Fall ist.

        • Ja die Bures……….erinnere Dich. Hat den Kern gleich niedergemacht, bevor der noch angefangen hat.

          • Besen, Besen sei’s gewesen…
            Ich hab die Verdienste und ich, ich , ich weiß wo’s lang geht. Brrr

      • Da gebe ich Ihnen recht, Samui. Es sitzen zu viel Sesselkleber der alten Generation in den höheren Etagen. Das ist auch ein Grund, warum die jungen Sozen manchmal aufbegehren. Die PRW ist eine absolut unpassende Leitfigur für die SPÖ. Ihr Arzt-Bonus ist längst verspielt und zieht nicht mehr. Absoluter Stillstand ist derzeit angesagt.

  11. Vor Jahre sagte mir ein Freund ( nachdem er aus der SPÖ ausgetreten war )…diese SPÖ ist nicht mehr reformierbar , ein Auslaufmodell…..quod demonstrandum erat..der rote Hanni hat im Alleingang die Wahl frühzeitig entschieden….

  12. Eine dermaßen miserable Darbietung ist stellvertretend für die momentane Performance der SPÖ. Egal wie bescheiden die ÖVP und deren glorifizierender Sidekick agieren, irgendwie schafft es jemand aus der SPÖ noch stupider zu wirken. Meiner Meinung nach würde ein Sachthemen bezogener Wahlkampf der Genossenschaft in Rot wesentlich hilfreicher sein. Lasst diese Sekte Sekte sein, argumentiert plausibel und konzentriert euch endlich auf eure Kernthemen.

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