Freitag, Juni 2, 2023
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Meet the Harpyie – Skylla & Charybdis

Alles Rachegöttinnen, mehr oder weniger undercover. Man muss ihnen natürlich nichts glauben. Weder bei Berichten über Gewalt an ihnen noch an anderen.

Julya Rabinowich

Wien, 21. Jänner 2023 | Die Harpyie ist auch nur ein Weibsbild in progress durch ihr Leben. Früher oder später wird das beschwichtigende Lächeln lästig, das Ertragen des nicht Tragbaren unerträglich, irgendwann fühlt die werdende Harpyie diesen gewissen Widerstand in sich, und wenn das beginnt, ist das Holde-Maid-Dasein verloren. Nicht nur, dass sie alten weißen Männern, die von ihrer seherischen Begabung mehr als absolut überzeugt sind, obwohl sie nichts sehen, gnadenlos ins Essen scheißen. Sie vernichten Männerleben! Entführen sie in die Unterwelt, beenden vorzeitig Karrieren und verfolgen Männer mit wüstem Geschrei.

Vermutlich sind sie sogar imstande, ihre Partner anzuzeigen, wenn sie belastendes Material auf deren Handy entdecken. Dann können Verantwortliche erleichtert abwinken: wer glaubt schon einer gefiederten Ungestalt, die gerne aus der Luft (vermutlich derselben, aus der die Vorwürfe gegriffen wurden) schmutzt? Alles Rachegöttinnen, mehr oder weniger undercover. Man muss ihnen natürlich nichts glauben. Weder bei Berichten über Gewalt an ihnen noch an anderen. Bezeichnenderweise wurden die verschwisterten Verfolgerinnen in den ersten historischen Beschreibungen als attraktive, gelockte Frauen bezeichnet. Erst später wurde ihr Aussehen dahingehend ins Monströse mit Krallen, Schwingen und Kreischen- sowie ausdrücklich mehrmals erwähnter Feindesdefäkierung korrigiert: eine schöne Frau tut sowas schließlich nicht, sondern nur die hässlichen Frustbuchteln mit Verfolgungswahn, die sich herausnehmen, Unsägliches anzusprechen und dazu hemmungslos anzupatzen.

Was hätte alles aus der gemeinen Harpyie werden können! Ein Engel des Vergessens vielleicht. Oder eine eisern schweigende Jungfrau. Sie aber hat sich dazu entschieden, laut, unübersehbar und störend zu sein. Was für ein Jammer. Noch schlimmer: eine Harpyie kommt selten allein. Die Geschwisterschaft ist wachsam. Eine Rachegöttin hat schließlich viel zu tun. Theaterdonner! Und ab in die Kulissen.

Titelbild: APA Picturedesk

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Julya Rabinowich
Julya Rabinowich
Julya Rabinowich ist mehrfach ausgezeichnete Autorin, Schriftstellerin und Dramatikerin. In ihrer ZackZack-Kolumne „Skylla und Charybdis“ kommentiert sie das aktuelle Zeitgeschehen mit sozialem Gewissen und außergewöhnlicher Detailkenntnis zu historischen Ereignissen.
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3 Kommentare

    • An die Flattertiere hab ich auch zuerst gedacht. Sie haben ihren Namen wegen ihrer Größe aus der griechischen Mythologie erhalten: https://de.wikipedia.org/wiki/Harpyie_(Mythologie)

      In Wien galt Harpyie früher schon mal als Schimpfwort für eine Frau. Ich kann mich noch dunkel erinnern, es gehört zu haben. ^^ Auch diese Harpyien scheinen vom Aussterben bedroht, denn seit Jahrzehnten wurden keine mehr gesichtet.

      • Danke, die mythologische Bedeutung war mir schon klar, als Schimpfwirt hab ich das auch schon war genommen, allerdings nur in älteren Bühnenstücken, nicht aber in meinem Lebensumfeld.
        Wollte einfach eine Lanze Brechen für das, noch existierende, majestätische Tier.

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