Bundespräsident Alexander Van der Bellen würde einen Wahlgewinner Herbert Kickl wohl nicht zum Kanzler angeloben. Die FPÖ schäumt.
Wien, 26. Jänner 2023 | Klar auf Distanz zu FPÖ-Chef Herbert Kickl zeigte sich Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Mittwoch im ORF-Interview. Kickl kann sich demnach bei einem allfälligen Wahlsieg nicht sicher sein, automatisch den Auftrag zur Regierungsbildung zu bekommen. Offen ließ Van der Bellen, ob er den FPÖ-Chef als Kanzler angeloben würde. Kritik übte er an der Haltung der FPÖ zur EU und zum Russlandkrieg, und er erinnert an die Razzia im Verfassungsschutz.
VdB: “Höchstpersönliche Entscheidung”
Van der Bellen definierte “rote Linien”, die aus seiner Sicht nicht überschritten werden dürfen. Und sagte dann, noch einmal befragt nach einem Regierungsbildungs-Auftrag an Kickl, sollte die FPÖ Erste werden: Er werde “eine antieuropäische Partei, eine Partei, die den Krieg Russlands gegen die Ukraine nicht verurteilt, nicht durch meine Maßnahmen noch zu befördern versuchen”.
Man möge Kickl – und nicht ihn – fragen, “ob es richtig war, gegen sein eigenes Haus, gegen das Innenministerium, eine Razzia zu machen, die zu nichts geführt hat außer dass die ausländischen Intelligence-Dienste jedes Vertrauen in Österreich verloren haben und und und ….” Ob er Kickl als Kanzler angeloben würde, ließ Van der Bellen in dem am Vorabend seiner Zweit-Angelobung ausgestrahlten Interview offen.
“Streng genommen” müsse man unterscheiden zwischen dem Regierungsbildungsauftrag, der nicht in der Verfassung stehe – und der Kanzler-Ernennung. Diese liege laut Verfassung in seiner “höchstpersönlichen Entscheidung”. Dafür brauche er keinen Vorschlag, das sei “einer der ganz ganz wenigen Punkte, in denen der Bundespräsident frei ist in seiner Entscheidung”, erläuterte Van der Bellen – und merkte an: Er lege den Amtseid nicht nur auf die Verfassung ab, sondern sei auch seinem Gewissen verpflichtet – verspreche er doch auch, das Amt nach bestem Wissen und Gewissen auszuüben, und “darauf können Sie sich verlassen.”
Kickl: “Aha”
Kickl reagierte auf Van der Bellens Aussagen umgehend via Facebook. Offenbar solle nicht der Wählerwille in Sachen Regierungsbildung entscheiden, “sondern die persönliche Willkür einer einzelnen Person”, postete er. Und wandte sich gegen die kritischen Anmerkungen des Bundespräsidenten zur FPÖ: “Um moralisch zu sein, genügt es, den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine zu verurteilen. Alle anderen Angriffskriege sind offenbar gar kein Problem”, schrieb Kickl, sowie: “Und zur EU darf man nur freundlich sein, sonst ist man ein Europafeind.” Abschließend merkte der FPÖ-Chef an: “Aha. Sehr neutral. Sehr demokratisch. Sehr moralisch. Sehr rechtsstaatlich. Sehr tolerant. Oder vielleicht doch nicht”
Für blaue Aufregung sorgte Van der Bellens Aussage auch noch am Donnerstag. Dass der Bundespräsident Kickl nicht automatisch mit der Regierungsbildung beauftragen würde, sei ein “gleichermaßen besorgniserregendes und inakzeptables Liebäugeln des Staatsoberhaupts mit dem völligen Ignorieren des Wählerwillens”, sagte FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker in einer Aussendung. Eine “willkürliche Verweigerung des Regierungsbildungsauftrags” durch den Bundespräsidenten wäre damit nicht nur der Bruch mit einer seit Bestehen dieser Republik gelebten Usance, sondern ein zutiefst “antidemokratischer und autoritärer Akt”, so Hafenecker.
(bf/apa)
Titelbild: ROLAND SCHLAGER / APA / picturedesk.com