Freitag, April 19, 2024

Der Succubus-Experte – Skylla & Charybdis

Die neue Kolumne von Julya Rabinowich. Diesmal: des Kanzlers Griff ins Klo.

Wien | Das Leid des Kanzlers ist schon seit einiger Zeit kein kleines. Von zu vielen Cobra Libres bis zu unglücklichen Sagern, gar tiefblauen Ausrutschern waren viele Leidenstrigger vorhanden – für ihn im Besonderen und für den Rest Österreichs im Allgemeinen. Vermutlich war die einzige Person, die sich über des Kanzlers Verrenkungen von ganzem Herzen freute, Herbert „das Pferd“ Kickl. Aber die dunklen Wolken über Nehammers Haupt sind nicht für immer! Er hat eine elegante Lösung gefunden, noch eleganter als das Opernball-Kleid von Frau Edtstadler, eine Lösung, die in ihrer bestechenden Schlichtheit überzeugt.

Jetzt, wo man panisch versucht, die verlorenen Stimmen an die Ivermectinsekte alias FPÖ wieder einzutreiben und sich deswegen bemüßigt fühlt, die Hand auszustrecken für einen vollendeten Griff ins Klo, nämlich sich mit jenen aussöhnen zu wollen, die während der letzten drei Jahre sich vor allem durch Egoismus, Aggression und Lautstärke ausgezeichnet haben, um mit diesen drei Zutaten sich über alle anderen hinweg zusetzen. Wer sich Impfjuden nannte, echte Juden im zweiten Bezirk zu Schabbes bedrohte, wer wüsten Antisemitismus verbreitete, wer anderen die Masken vom Gesicht riss – zu dem müssen nun Gräben überwunden werden. Dringend! Aber damit dies geschehen kann, muss man natürlich erstmal ein passendes Narrativ finden, das einen Graben legen kann zwischen der mehrjährigen eigenen, tatsächlich sehr suboptimal umgesetzten Politik zuvor und der zum Klogriff ausgestreckten Hand.

Hier kommt der Experte ins Spiel. Der Experte, der wie ein verführerischer Succubus die Regierung mitsamt Kanzler umgarnte, manipulierte und zu Entscheidungen verführte, die bestimmt niemals nie ohne dessen teuflischen Einfluss gefällt worden wären! Mit Haut und Haar sei man dem Experten verfallen, klagte der reuige Klogriffkanzler. Gar hörig sei man ihm geworden! Nicht länger Herr der Regierungssinne! Dass diese Regierung so großartig auf Experten gehört hätte, wäre dem Auge des Betrachters bisher nicht wirklich aufgefallen, es erweckte eigentlich mehr den Anschein, man hätte sich des Expertentums bedient, wenn es einem opportun schien, es als günstige Ausrede vorgeschoben oder schlicht beinahe das Gegenteil von dem umgesetzt, was man so empfohlen bekommen hatte.

Nicht umsonst haben auch einige den Expertenhut draufgehaut, lange bevor es zur gesundheitspolitischen Schubumkehr kam. Die Tatsache, dass Entscheidungsträger so heißen, weil sie (nicht gerade schlecht bezahlt) eben Entscheidungen tragen müssen und nicht Entscheidungen verweigern, hat sich nicht bis zur Regierungsriege umgesprochen. Was kümmert die Regierung nun ihre eigenen Worte von vor ein paar Monaten? Sie ist ja schließlich von dunklen Kräften verzaubert gewesen. Lauter üble, expertenverursachte Entscheidungen, die man jetzt, wo man endlich zu klarerem Kopf und der Vernunft gekommen sei, dringend überprüfen und evaluieren müsse. Von – einem Expertengremium.

Titelbild: ZackZack/Miriam Mone

Julya Rabinowich
Julya Rabinowich
Julya Rabinowich ist eine der bedeutendsten österreichischen Autorinnen. Bei uns blickt sie in die Abgründe der Republik.
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6 Kommentare

  1. Sehr gut zu “papier” gebracht.
    Bin schon gespannt, wieviele sich vom charlie rückverführen lassen bei der nächsten wahl.

  2. Vorhang auf.

    Bühnenbild: ein den Vorstellungen von Bürgerlichkeit entsprechend designtes Möbelkatalog-Wohnzimmer im bürgerlichen Hietzing. Am Couchtisch der Dom Perignon im obligaten Sektkübel.

    Die „Grand Dame“ des Hauses, auch als Kathi die Klägerin bekannt, lässig am Sofa plaziert, hält ebenso ein gefülltes Champagnerglas in Händen wie die beiden ebenfalls anwesenden Personenschützer.

    Der Herr Karl des Hauses betritt die Bühne

    https://www.hagerhard.at/blog/2023/02/von-voegeln-und-dem-opernball/

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