Am Freitag sagte Kanzler Karl Nehammer im Parlament, er kenne die Verträge zur Gaslieferung aus Russland nicht genau. Bei NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger und Ex-OMV-Chef Gerhard Roiss sorgt das für Fassungslosigkeit und Verwunderung.
Wien | In der Sondersitzung des Nationalrats vom vergangenen Freitag verblüffte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) mit seiner Rede die anwesenden Abgeordneten, den anwesenden ukrainischen Botschafter und Zuhörer vor den Fernsehgeräten. Genau ein Jahr nach dem Beginn des Ukraine-Krieges bekundete Nehammer zwar Österreichs Unterstützung für die Ukraine, musste aber einräumen, in die Gaslieferverträge der OMV mit der russischen Gazprom gar keine Einsicht zu haben.
Kennt Vertrag nicht
Der Kanzler sprach lieber über die zunächst erfolgreiche Reduktion des russischen Gasanteils bis Herbst 2022 – den Anstieg des russischen Anteils auf über 70 Prozent zuletzt, ließ aber unerwähnt . Über Umwege gestand Nehammer in seiner Rede allerdings zu, dass er den Gasdeal Österreichs mit Russland überhaupt nicht kenne. Als Österreich im Winter dringend Gas gebraucht habe, „hat der Russe das Gas reduziert“, erinnerte sich Nehammer und demonstrierte seine Absicht „Österreich frei und sicher und unabhängiger zu machen.“ Wie genau das funktionieren soll bleibt unklar, sind der Republik Nehammer zufolge die Klauseln des Gasdeals mit der russischen Gazprom doch nicht bekannt. „Wir werden alles tun, damit wir tatsächlich Einsicht erhalten in diese Verträge, die sind tatsächlich außergewöhnlich langfristig“, gab Nehammer zu.
Auch wie man Einsicht in die Verträge erlangen könnte, wusste Nehammer nicht, sprach von einem wahrscheinlichen Weg über das Parlament. Möglichkeiten zur Einsichtnahme „prüfen wir jetzt gerade“, so der Kanzler. Dass der ÖVP-Chef den Vertrag nicht kennen will, überrascht angesichts der Vertragsunterzeichnung im Beisein von Ex-Kanzler Sebastian Kurz.
Verwunderung bei Ex-OMV-Boss
Ex-OMV-Vorstandsvorsitzenden Gerhard Roiss hatte für die Aussagen Nehammers kein Verständnis. „Ich gehe davon aus, dass ein solcher Vertrag dem Aufsichtsrat bekannt ist“, sagte Roiss im “Ö1”-Morgenjournal. Die Republik Österreich sitzt über die staatliche Beteiligungsfirma ÖBAG im Aufsichtsrat der OMV. Doch auch die ÖBAG will von dem Vertrag keine genaue Kenntnis haben, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme, laut “Ö1”. Er erwarte „dass man bei derartigen Verträgen als Aufsichtsrat nachfragt und sich diese Verträge vorlegen lässt“.
Die OMV betonte, dass eine Abnahmeverpflichtung vorliegt, man russisches Gas also per Vertrag verpflichtend kaufen muss.
Meinl-Reisinger fassungslos
In ihrer Eingangsrede während der Sondersitzung im Parlament wies NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger auf die wieder gestiegene Abhängigkeit von russischem Gas hin und bezeichnete Österreich als „Gaskolonie“ Russlands. „Bei unserer Sondersitzung am Freitag sagte auch Nehammer, dass er Verträge der OMV nicht kenne! Wozu ist Republik Miteigentümer?“, fragte Meinl-Reisinger auf Twitter.
Deutschland habe den Anteil von russischem Gas auf Null reduziert, mahnte sie den Kanzler außerdem zu mehr Handlungsbereitschaft.
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