Dienstag, April 23, 2024

Schneebusen, Pappfiguren, Haider-Ultras oder Teddybär? – Kärnten wählt

Am Sonntag wird in Kärnten gewählt – mit teils illustren Charakteren. Wir haben einen kurzweiligen Überblick über die antretenden Parteien und exklusive Bilder aus der Wahlhochburg.

Wien/Klagenfurt | Schon zu gottloser Uhrzeit, nämlich um sieben Uhr früh, werden in Kärnten am kommenden Sonntag die ersten Wahllokale öffnen. Dann dürfen die Menschen in Österreichs südlichstem Bundesland – wahlberechtigt sind knapp 430.000 Bürger – ihr Kreuzerl machen gehen, bis um spätestens 16 Uhr landesweit wieder Schluss mit der Stimmabgabe sein wird. Allerdings: Mancherorts schließt das Wahllokal, besonders in den kleinen Gemeinden, bereits gegen zwölf Uhr. Einwohner solcher Orte sollten also – sofern sie wählen wollen – eher nicht zu lange in den Federn liegen.

Eine generelle Aufstellung darüber, wie lange welches Wahllokal geöffnet hat, existiert übrigens nicht. „Brauchen wir in Kärnten nicht“, hieß es von der Landeswahlbehörde. Vielleicht auch deshalb wird heuer mit einem neuen Rekord an Briefwählern gerechnet. Ab 16 Uhr gibt es erste Hochrechnungen.

Doch wer und was stehen dort eigentlich zur Wahl? ZackZack hat den Überblick und liefert dazu eine bildstarke Reise durch Kärntens Wahllandschaften.

Wie kaiserlich bleibt die SPÖ?

Seit zehn Jahren steht der Kaiser an der Spitze, Vorname Peter. 2018 konnte er mit seiner SPÖ noch mit knapp 48 Prozent fast an der Absoluten kratzen. Auch wenn die dritte Amtszeit so gut wie fix scheint – die Partei, derzeit mit der ÖVP in einer Koalition, muss mit Verlusten rechnen. Kaisers Wahlziel trotzdem: „Ein Vierer vorne“. Laut den letzten Umfragen dürfte sich dieser Wunsch auch erfüllen, die SPÖ rangiert bei um die 42 bis 43 Prozent. Laut Peter Hajek für die „Kleine Zeitung“ befürworten es 33 Prozent der Befragten, dass Kaiser auch der Kaiser in Kärnten bleibt.

Hier im Bild: Schneemann mit rotem Hut, ein “echter” Landeshauptmann und ein Matschhaufen. (C) ZackZack/Christopher Glanzl
Noch ein Schneemann! (C) ZackZack/Christopher Glanzl

Während die Landtagswahl für die SPÖ im Bund noch die letzte Hürde vor der erwarteten Eskalation der Vorsitzdebatte darstellt – Stichwort „Kampfabstimmung“ und andere Gerüchte –, malen die Kärntner Roten derweil ein eigenartiges Schreckgespenst an die Wand: Die anderen Parteien aus dem blauen und konservativen Lager liebäugelten damit, heißt es, sich „gemeinsam auf ein Packl zu hauen“ und ohne den vermuteten Wahlgewinner ein Bündnis zu schließen, um sich selbst auf den Posten des Landeshauptmanns zu hieven.

Übrigens, falls Sie sich wundern, warum wir keine riesigen SPÖ-Plakate abgelichtet haben: Es gibt keine, stattdessen setzt man auf Schneemänner – und üppige Schneefrauen.

Ein breites Dekolleté und roter Lippenstift… (C) ZackZack/Christopher Glanzl
… zieren dieses SPÖ-Meisterwerk in Gotschuchen. (C) ZackZack/Christopher Glanzl

Pappfiguren-FPÖ

Womit wir schon bei denen sind, denen – wie bereits in Niederösterreich – die größten Wahlgewinne vorhergesagt werden: den Freiheitlichen. Die rittern nämlich mit teils grenzwertigen Methoden – genannt sei zum Beispiel das „Slowenisierungs“-Posting der FPÖ-Jugend, das bis in die Innenpolitik des Nachbarlands Schlagzeilen machte – um den zweiten Platz. Und tatsächlich: Laut der „Kleinen“-Umfrage können sich 34 Prozent den Spitzenkandidaten Erwin Angerer als Alternative zu Peter Kaiser als Landeshauptmann vorstellen. Laut einer Lazarsfeld-Umfrage für „Österreich“ (Achtung: Nur 860 Befragte) käme die FPÖ demnach aus heutiger Sicht auf 26 Prozent.

Keine Sorge, am Balkon friert nicht der echte Erwin Angerer, sondern nur eine Pappfigur. (C) ZackZack/Christopher Glanzl

Und das dürfte nicht nur daran liegen, dass die Kärntner FPÖ überall im Land, wie wir bei einem ZackZack-Lokalaugenschein feststellen konnten, Pappfiguren von Angerer postiert hat. Die großen Themen: Anti-Migration, Anti-Teuerung, Anti-EU, Anti-Gendern. Der blaue Spitzenkandidat, der laut eigenen Angaben Entspannung in der Jagd findet und gerne Fußball schaut, machte auch am Dienstag mit einer bemerkenswerten Aussage bis Wien von sich hören: Er schlug eine „Rückholaktion von 100.000 Kärntnern in Wien“ vor. Außerdem plädiert er dafür, aus Kärnten nach bayerischem Vorbild einen „Freistaat“ zu machen – eine Idee, die dereinst schon Jörg Haider hegte, dem einzigen FPÖ-Landeshauptmann, den Kärnten jemals hatte.

Was würde Peter dazu sagen? (C) ZackZack/Christopher Glanzl

Buchstabensalat aus B, Z, Ö, P und K

Apropos Jörg Haider: Kennen Sie noch das Bündnis Zukunft Österreich aka BZÖ? Haider hatte die rechtspopulistische Partei mit knallorangenem Logo nach seiner Abspaltung von den Blauen gegründet, 2009 wurde das Bündnis mit knapp 45 Prozent der Stimmen zur stärksten Partei in Kärnten und katapultierte Gerhard Dörfler auf den Sitz des Landeshauptmanns, um dann 2013 – nach einer langen Liste von Skandalen – auf sechs Prozent abzustürzen. Auch in den Jahren darauf bestand die Partei bzw. das, was noch davon übrig war (heute ist das Kärntner BZÖ der einzig noch existente Rest), vor allem aus internen Zerwürfnissen. Das gipfelte dann bei der Landtagswahl 2018 in einem Tiefpunkt-Wahlergebnis von 0,37 Prozent.

Die BZÖ-Filiale mitten in Klagenfurt. (C) ZackZack/Christopher Glanzl

Das BZÖ tritt auch 2023 wieder in Kärnten an, allerdings unter neuem Namen. Man habe sich in die FBP, die Freie Bürgerpartei, eingliedern lassen, und sich mit anderen Bündnissen zu einer Art Mega-Bündnis zusammengeschlossen. Dessen Name: BFK, Bündnis für Kärnten. Dazu gehören auch noch Gemeinsam für Fresach, Eine Gute Option (kurz: EGO), Freistaat Kärnten und – nun halten Sie sich bitte aufrecht im Sessel – die Liste Jörg.

Ein Klagenfurter Gericht geht derweil der Frage nach, ob die Eingliederung in die FBP überhaupt rechtmäßig war. Auch um den Vorsitz gab es schon wieder Querelen. Der laut unseren Informationen derzeit offizielle Spitzenkandidat der XXL-Gruppierung lautet jedenfalls Karlheinz Klement. Kennen Sie nicht? Macht eigentlich auch nix.

Bärenschwache ÖVP

Zurück – zumindest vorerst, bleiben Sie dran – zu Parteien, die man auch im österreichischen Nationalrat kennt. Zum Beispiel zur Kanzlerpartei, derzeit Junior-Regierungspartner der Kärntner SPÖ. Doch wenn das eintritt, was inzwischen die Umfragen vorhersagen, könnte es für den dritten Platz eng werden, es droht ein Abrutschen auf Platz 4. Dass die ÖVP im Land wenig präsent ist, merkt man an der zurückhaltenden Plakatierung. Auch die Stimmung im Bund verleiht negativen Rückenwind.

Gerade Jetzt – die ÖVP bevorzugt bekanntermaßen Zäune, auch für ihre Wahlplakate. (C) ZackZack/Christopher Glanzl

Womit der Spitzenkandidat Martin Gruber bis dato im Wahlkampf so aufgefallen ist, ist wenig substanziell und könnte fast als Verzweiflungstaten durchgehen: Sein tierisches Maskottchen heißt „Gru-Bär“, er warnt vor „linkslinken Umtrieben im Land“ und dichtete einen poetischen Ratschlag gegen Grüne und Klimakleber: „Anpacken statt anpicken“. Dennoch – und trotz der mageren zehn bis maximal elf Prozent in den Umfragen – rechnen Politikexperten mit einem Revival der rot-schwarzen Koalition. Übrigens: Gruber telefoniert lieber statt Chats zu schreiben, verriet er in einem Interview. Da könnte sich seine Bundespartei doch noch etwas von ihm abschauen.

(C) ZackZack/Christopher Glanzl

Softie-Rechte

Wenn die ÖVP nach SPÖ und FPÖ aber nur vierte wird – wem wird dann Platz 3 zugerechnet? Dieses Match könnte das Team Kärnten mit Frontmann Gerhard Köfer gewinnen. Ihm wird ein starker Stimmenzuwachs vorhergesagt. Seine Partei, hervorgegangen unter Stronach, changiert derzeit laut Peter Hajek bei etwa 13 Prozent. 28 Prozent der Befragten könnten sich Köfer sogar als Landeshauptmann vorstellen, 18 Prozent träumen von einer Koalition aus SPÖ und Team Kärnten. Ob es daran liegt, dass Köfer eine rote Vergangenheit hat? Außerdem sei hier angemerkt: Team Kärnten stellt auch in der Hauptstadt Klagenfurt, in der Peter Kaiser residiert, den Bürgermeister. Klingt komisch, ist aber so.

Könnte das Spiel um Platz 3 fürs Team Kärnten entscheiden: Gerhard Köfer. (C) ZackZack/Christopher Glanzl

Köfer, selbst Bürgermeister in Spittal an der Drau, will jedenfalls Ernst machen und tritt in den Bezirken Klagenfurt und Klagenfurt-Land an. Er sehe sich als populistische Alternative für alle, „denen die FPÖ zu hart sei“, ließ er wissen. Von der APA dazu befragt, wie er Kärnten in drei Worten beschreiben würde, lautete dessen Antwort: „Für immer Kärnten“.

Pierce Brosnan würde Team Kärnten wählen. (C) ZackZack/Christopher Glanzl

Kategorie: A dabei

In Wien stellen sie die eine Hälfte der österreichischen Regierung, in Kärnten dagegen firmieren sie mehr unter „A dabei“: die Grünen. Vorhergesagt werden ihnen um die vier Prozent, und das bedeutet für die Partei mit Spitzenkandidatin Olga Voglauer: Der Einzug in den Landtag wackelt. Denn es gilt die Fünf-Prozent-Hürde. Das Themenspektrum der Grünen ist ebenso vergleichsweise einseitig, alles dreht sich um die Klimafrage.

Die grüne Frontfrau hängt lieber kopfüber. (C) ZackZack/Christopher Glanzl

Wir haben Voglauer bei einem Besuch in Klagenfurt gefragt, warum sie auf den Plakaten eigentlich falschherum hängt? Antwort: „Ich will Kärnten auf den Kopf stellen.“ Ob die Kärntner das auch wollen, werden wir in wenigen Tagen wissen. 25.000 Stimmen strebt Voglauer zumindest an. Oder wie sie sagen würde: „Gemma!“

“Flächenfraß”. (C) ZackZack/Christopher Glanzl

Leistungs-Zuckerl

Und damit sind wir schon bei jenen, denen ein ähnliches Schicksal droht: Auch die NEOS hoffen auf einen Einzug in den Landtag, auch sie liegen bei zittrigen vier Prozent. 2018 schafften die Kärntner NEOS zwei Prozentpunkte. Im Straßenwahlkampf verteilten die Wahlhelfer Traubenzucker, das passt auch gut zum Leistungs-Slogan, den Spitzenkandidat Janos Juvan vehement seit vielen Wochen vor sich herträgt.

Die NEOS-Parteizentrale in Klagenfurt-City. (C) ZackZack/Christopher Glanzl

Dessen Lieblingsfilm laut APA-Interview: „Der Bauer und der Bobo – weil der Film gut zeigt, dass es mehr gibt, das uns verbindet, als uns trennt“. Das verwundert dann doch. Vielleicht wäre es eine logische Option, sich mit den Grünen zusammentun? Ein Bündnis mehr oder weniger fällt in Kärnten möglicherweise auch nicht mehr auf, und dann wäre auch die Fünf-Prozent-Hürde machbar.

Spitzenkandidat Janos Juvan mit Plakaten, die mit einem offensichtlichen Beistrichfehler glänzen. (C) ZackZack/Christopher Glanzl

Visions-Schmankerl

Wobei – dieses Bündnis hier muss dann doch noch genannt werden: Vision Österreich! Abkürzung: VÖ. Die Kleinstpartei ist ein Sammelbecken aus MFG-Abspaltern, Impfgegnern und Konsorten. Im September lag sie noch bei fünf Prozent, inzwischen hat sie sich in den Umfragen bei ein bis zwei Prozentpunkten eingependelt. Als Gesicht an der Spitze kandidiert der Rechtsanwalt Alexander Todor-Kostic, prominenter Maskengegner, Verteidiger von „Kuriers“ Richard Grasl und bis zu seinem Rauswurf wegen „parteischädigenden Verhaltens“ ehemaliger MFG-Landessprecher.

Tatort Politik am Straßenrand. (C) ZackZack/Christopher Glanzl

Es sei ihm wichtig, ließ Todor-Kostic auf einer Pressekonferenz wissen, dass Vision Österreich keinesfalls als „MFG II“ bezeichnet wird. Die Inhalte drehen sich schwerpunktartig um die Abneigung gegen Pandemiemaßnahmen, Österreichs Neutralität und gegen proklamierte „Berufspolitiker“. Der visionäre Parteislogan lautet: „Jeder Mensch ist anders. Wir auch.“

Eine Vision für Klagenfurt? Oder doch lieber Datenrettung? (C) ZackZack/Christopher Glanzl
Anja Melzer
Anja Melzer
Hält sich für die österreichischste Piefke der Welt, redet gerne, sehr viel und vor allem sehr schnell, hegt eine Vorliebe für Mord(s)themen. Stellvertretende Chefredakteurin. Sie twittert unter @mauerfallkind.
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13 Kommentare

  1. Auf einem einzigen Wahlplakat ist eine Aussage was die Partei will oder nicht will, der Rest sind austauschbare, langweilige ein Schlagwortplakate.
    Wer lässt sich von so etwas beeinflussen?

  2. Immerhin wurde die Vision Österreich hier erwähnt, hätte ich nicht gerechnet damit.
    Lässt sich halt nicht mehr ganz verleugnen, werden sie doch in den Landtag in Kärnten einziehen, als einzige Kleinstpartei.

    Für ein geglücktes Leben

  3. “…. Impfgegner und Konsorten…” schreibt Anja und ist sich nicht bewusst, dass man auf seine Sprache achten soll.

    • Objektiven Journalismus gibt es nicht mehr, es werden immer Meinungen verkauft.
      Geschrieben wird, wo man am wenigsten Widerspruch erwartet und beim Arbeitgeber gut ankommt.

      Wie vergiftet und gespalten unsere Gesellschaft, nach den letzten Jahren ist, spürt man überall, viele sind nicht mehr bereit, ihre Meinungen und Gedanken mit anderen zu teilen, sollten diese von den propagierten Wahrheiten abweichen.

      Für ein geglücktes Leben

  4. Dass die roten Wahlstrategen auf Plakate und Pappfiguren verzichten und sich mit Spraydosen begnügen, finde ich richtiggehend innovativ 👍

  5. Vielleicht sind die Kärntner doch gscheiter als die Ober und Niederösterreicher? Bis halt auf jene die auf dieses besagte A….loch bauen. Unfassbar die Ansagen des einschlägig rechtsextremen Waidmannes und ich tippe stark drauf dass er auch noch FCB Fan ist. (Obwohl die nun auch schon immer mehr schwarze Kicker in ihren Reihen haben). 🤔

  6. Launig pointiert karikierte Darstellung aus dem provinziell lauschigen Süden!!! *chapeau*

  7. Sagt auch alles wenn sich die Wahlplakate optisch nicht mehr von einer Supermarktkette unterscheiden. Die Grenzen zerfließen nicht zufällig und gesamthaft bekommt man eher ein Gefühl des Zerfalls und der Anbetung von Asche, anstatt das Weiterreichen von Licht und Feuer für eine bessere Zeit….

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