Während die Grünen in Klagenfurt um den Wiedereinzug in den Landtag kämpfen, schlägt den Wahlhelfern auf der Straße blanker Hass entgegen. Da hilft auch der Regional-Auftritt hochrangiger Ministerinnen nichts. Eine Reportage voller Kressesamen, Beschimpfungen und Unverständnis.
Klagenfurt | Der Mann fuchtelt mit seinem Gehstock in der Luft herum, fast wirkt es, als würde er auf den jungen Mann in der grünen Weste losgehen. Dann schwingt er den Stecker – immer noch ein bisschen bedrohlich – wieder gen Boden, schreit „Ihr Amöben!“ und zieht schimpfend weiter. Was ist denn hier los, mitten in der Klagenfurter Innenstadt, mitten in der Fußgängerzone?
„Ja, Kärnten ist ein hartes Pflaster für uns“, sagt einer der Grünen-Wahlhelfer, während er vergeblich versucht, Passanten ein Packerl Kressesamen zu schenken. Innerhalb kürzester Zeit werden wir miterleben, wie sich blanker Hass an diesem Straßeneck direkt vor dem McDonalds ausbreitet und Flüche hören, die teils so weit unter der Gürtellinie liegen, dass wir sie nicht zitieren können. „Euer Van der Bellen ist ein Kinderverzahrer!“ – das schreit in diesem Moment eine andere ältere Dame mit Einkaufssackerl in der Hand – gehört dabei noch zu den harmloseren Sätzen.
Zitterpartie
In Kärnten ist Wahlkampf – und die Grünen kämpfen tatsächlich um alles. Für sie geht es um den Wiedereinzug in den Landtag, dafür schickt sogar Wien Finanzierungshilfe. 450.000 Euro ist der Bundespartei der Kärntner Wahlkampf wert. Sollte das Ganze scheitern, müsse die Landespartei den Betrag nicht zurückzahlen, dann werde die Schuld erlassen, heißt es noch Anfang Februar vom Landesgeschäftsführer. Dafür stehen die Zeichen im Moment gut: Denn bisher tingelt die Klimapartei bei vier Prozent in den Umfragen herum – das würde nicht reichen. In Kärnten gilt die Fünf-Prozent-Hürde. Beim letzten Mal 2018 wurden es magere 3,1 Prozent.
Einige der Vorübergehenden – oft schon beladen mit den Wahlgeschenken anderer Parteien, an diesem Tag vor allem SPÖ-Nagellack (natürlich in rot) oder FPÖ-Blumen (in rosa) –, die zu langsam sind, das grüne Kressepackerl noch abzulehnen, werfen es in der Sekunde des Realisierens abschätzig auf den Boden. Eine der Wahlhelferinnen hebt es dann wieder auf, die grüne Truppe lächelt solche Aktionen freundlich weg. „Schön, dass die Menschen zumindest ehrlich sind“, sagt einer. Er verzieht dabei auch gar nicht das Gesicht. Die Gruppenleiterin bestärkt die anderen: „Einfach nicht drauf einsteigen.“ Und es ist gut, dass sie das sagt, denn just in dem Moment brüllt ein Herr: „Ihr Klimaaffen!“
Das Gartenkressepackerl, betrachtet man es genauer, wartet mit einer deutlichen Aufforderung auf: “Klimaschutz wählen!” Auch auf dem Flyer, der dazu verteilt wird, sieht es nicht anders aus. In dicken Lettern steht hier: “Klimaschutz? Gemma!” oder “Daham schützn? Gemma!” oder “Klimastrategie für Kärnten? Gemma!” Und dann wird es sogar noch wilder: “Gemma Wind! Gemma Solar! Gemma Kärnten!” Das Schriftstück enthält exakt 26 Mal (!) das Wort “Gemma!” Von Themen abseits gesunder Umwelt und sauberen Klimas, zu denen man auch gehen könnte, ist sowohl auf den Kressesamen als auch im Flyer oder auf der Straße wenig bis überhaupt nichts zu hören. Und es beschleicht einen das Gefühl, dass genau das ein Symptom der ganzen grünen Kärntner Misere sein könnte.
Willst du mit mir…
Während die einen hier an diesem nebligen Februarmorgen in der Kälte stehen, postet das Kärntner Social Media-Team indes einen Brief auf Instagram – eine urösterreichische Tradition, wenn man sich an Kanzler-Kurz-Zeiten zurückerinnert. Zu sehen ist einer dieser Zettel, die man in der Volksschule unauffällig seinem Sitznachbarn zuschiebt. Allerdings besticht der Grünen-Liebesbrief mit erwachsener Handschrift. Darauf geschrieben: „Peter, willst du mit mir Windräder bauen? – Ja! / Fix! / Vielleicht“. Ob Peter mit ihnen gehen will, zum Beispiel in Koalitionsverhandlungen, wollen sie dagegen gar nicht wissen, vielleicht auch deshalb, weil man hier schon ahnt, dass es dafür am kommenden Wahlsonntag äußerst knapp werden könnte.
Schon naht in der Fußgängerzone das nächste Ungemach. Eine Frau kreischt aufgebracht: „Ihr grünen Spielverderber! Ihr Kriegstreiber!“ Kurz darauf ist zu hören, wie ein Mann den Wahlhelfern erklärt, wieso der Bundespräsident „alle in Österreich nur vergewaltigt“. Und natürlich fehlt auch die Abneigung auf Klimakleber der „Letzten Generation“ nicht. „Scheiss Stroßnpicker!“ Es sind irre Szenen, die sich hier ereignen. Noch ahnt niemand der Passanten, welch hoher Besuch hier demnächst eintreffen wird.
Beisl, Bier und Klimaschutz
Bis es soweit ist, Schauplatzwechsel, raus aus der Stadt. Am Vorabend sind wir in einem Beisl in Grafenstein, irgendwo im Nirgendwo. Der Betreiber wirbt mit Villacher Bier, aber ausgeschenkt wird nur Puntigamer. Bis auf die Verfasserin dieser Zeilen befinden sich ausschließlich Männer vor der Ausschank. Man diskutiert das Leben und – wer hätte das gedacht – die Klimakrise. Wobei sich die meisten grundsätzlich davon überzeugt zeigen, dass es die gar nicht gäbe. Trotzdem arbeiten sie sich leidenschaftlich am Phänomen der Klimakleber ab.
Das tun bekanntlich auch viele Menschen an anderen Orten Österreichs, wo solche Straßenblockaden inzwischen häufiger vorkommen – doch in Kärnten verwundert das. Denn dort gab es bis dato erst eine einzige Klebe-Aktion, Anfang Februar am Villacher Ring in Klagenfurt. Die Aktivisten fordern unter anderem Tempo 100 auf Österreichs Autobahnen.
Mit dem Schneepflug drüber
Einer der Männer grinst, als das Thema aufkommt. Mit ihm, sagt er, gebe es das Problem mit Klimaklebern nicht. Wieso? Ja, meint er und spricht plötzlich sehr gedehnt, er hätte die perfekte Lösung. Wieder schmunzelt er und nippt an seinem Bier. „Schneepflug“, lautet sein Tipp. Er deutet damit an, Aktivisten brutal niederräumen zu wollen. Er fragt sich: „Bei uns gibt’s ka Krise, wos solln wir noch retten wolln?“ Man solle sich, findet er, mehr ums Überleben der Menschen als um das der Natur scheren. Dass beides zusammengehört, davon möchte er nichts wissen, auch von seinen Kumpanen, die die Schneepflug-Lösung etwas zu hart finden, will er sich nichts sagen lassen. „Ollas a Kas“, schimpf er, und dann setzt er wieder das Bier an.
„Pickn lossn“
Auch andernorts sind die Meinungen zu Klima-Aktivisten und Umwelt-Politik wenig versöhnlich. Bei einem Abstecher in ein Café in St. Jakob im Rosental, einige Kilometer in die entgegengesetzte Richtung, treffen wir mehrheitlich auf Pensionisten, die sich am Nachmittag für einen oder zwei Häferl Kaffee eingefunden haben. Die Wahl ist auch hier omnipräsent. In einer Sitzecke streiten sich drei ältere Ehepaare, ob es Kaiser, der amtierende Landeshauptmann, oder doch eher Kickl, der gar nicht kandidiert, richten kann.
Und wieder: Man kommt aufs Thema Klimakleber und „dass die Grünen zum Glück eh nix reißen werden“. Eine Dame, die bisher in der Diskussion geschwiegen hat, wird aufbrausend. Man sieht förmlich, wie die Wut aus ihr hervorkriecht: „Pickn soll mas lossen, olle mitanond!“ Und dazu haut sie mit der Faust auf den Tisch. „Pickn sollns, bis schwoarz werdn!“ Die anderen nicken nur still.
Alma und Olga, die Postergirls
Zurück in die Klagenfurter Innenstadt. Eine Limousine fährt vor, heraus steigt die grüne Bundesjustizministerin. Alma Zadic schwingt die Haare und läuft lachend auf ihre Parteikollegin und Kärntner Spitzenkandidatin Olga Voglauer zu. Sie fallen sich in die Arme. In der bisher vom Straßenwerben schwer geschundenen grünen Wahlkampftruppe breitet sich plötzlich ein Anflug von Leichtigkeit und Freudenstimmung aus.
Einträchtig nebeneinander schreiten Zadic und Voglauer die Fußgängerzone entlang, lächeln Passanten zu und überreichen ihnen kleine Blumentöpfchen. Wir fragen, wieso Zadic da ist und was sie speziell mit Kärnten verbindet, ob es einen speziellen Bezug zum Land gebe. Antwort: „Ja, die Olga kämpft für eine starke grüne Stimme in Klagenfurt und in Kärnten, und ich finde, das ist es wert genug, die Olga dabei zu unterstützen.“ Voglauer lächelt und fügt an: „Das ist einer der schönsten Wahlkampftage für mich.“ Sie zwinkern sich zu.
Voglauer sagt, sie empfinde große Demut bei allem, was sie hier erlebe. Sie hat schon die nächste Blume in der Hand. Die Dame, für die sie gedacht ist, macht abwehrende Gesten, sie will sie nicht haben. Zadic: „Sie können Sie ja weiterschenken!“ Und sie sagt, dass es jetzt „wirklich“ eine laute grüne Stimme brauche.