Bei den Boulevardmedien ist der Streit um den letzten Platz voll entbrannt. Einer wird gewinnen. Verloren hat schon einer: der Steuerzahler. Daniel Wisser mit einem scharfen Kommentar zur Medienaffäre.
Wien | Ich habe 2021 hier einen Artikel über Österreichs Boulevardmedien geschrieben, in dem ich die Schriftstellerin Heidi Pataki zitierte, die vor zwanzig Jahren zu mir sagte: »Die Boulevardzeitungen sind der wahre Dreck in diesem Land.« Posthum bekommt Pataki nun bestätigt, dass sie recht hatte. Die Bestätigung kommt von Eva Dichand. Dichand bezeichnet die Zeitung Österreich als »der letzte Dreck« – um den vorletzten Platz kämpft sie noch mit ihrem Mann Christoph Dichand.
Wieder einmal geschieht in Österreich, was seit Ibiza geschieht: Nichts. Es werden Umstände »aufgedeckt«und »enthüllt«, die längst bekannt sind. Die Betroffenen leugnen und beschwichtigen. Ihr völlig amoralisches und widerwärtiges Verhalten der Öffentlichkeit und den Steuerzahlenden gegenüber, ja das Fehlen jeder eigenen unternehmerischen und journalistischen Ethik, sehen sie nicht als Problem.
Immer dreister
Es ist ganz selbstverständlich, dass eine Zeitungsherausgeberin mit Spitzenpolitikern weder chattet, noch Selfies macht, noch mit ihnen auf Urlaub fährt. Das widerspricht jeder Professionalität und Objektivität. In Österreich aber ist das Gegenteil selbstverständlich. Denn österreichische Zeitungsherausgeber wollen ja keine Zeitungen herausgeben, sondern Politik machen. Und weil Politiker von wachsender Angst vor ihnen getrieben sind, hofieren sie sie. Das Resultat ist, dass die Boulevardmedien und ihre Forderungen an die Politik immer dreister werden. Schon lange kommen nicht mehr die Boulevardchefs in die Politikerbüros, sondern lassen sie bei sich antanzen. Sie schreiben ihnen per Chat Forderungen nach Gesetzesänderungen und Förderungsgeldern. Sie wollen selbst weniger Steuer zahlen und mehr Steuergelder bekommen – die Gegenleistung: gefällige Berichterstattung.
Dass Christian Nusser Eva Dichand die Mauer macht, spricht nicht für ihn. Er mag ein wortgewandter Kolumnist sein. Er mag selbst ein redlicher Journalist sein. Aber die Zeitung, für die er arbeitet, ist nicht redlich. Sie ist journalistischer, politischer und ethischer Dreck. Vielleicht der vorletzte Dreck in diesem Land. Auf diese Platzierung sollte aber niemand stolz sein. Heute macht und beeinflusst Politik, anstatt darüber zu berichten.
Verdeckte Fördergelder
Nusser weiß ganz genau, dass im Jahr 2017 Christian Kern und die SPÖ übermäßige negative Berichterstattung und Sebastian Kurz übermäßig positive Berichterstattung von Heute bekamen. Jede einfache Frequenzanalyse kann das nachweisen; es wird nur niemand interessieren und schon gar keine Konsequenzen haben. Nusser weiß genau, dass Heute kurz vor der Wien-Wahl im Interesse Gernot Blümels mit der Kronen Zeitung und Österreich einen großen Angriff auf die Wiener SPÖ gestartet hat. Damals warf man Wien witzigerweise vor, die »Kontrolle über Corona« zu verlieren. Doch in Österreich, wo weder Kurz- noch Langzeitgedächtnis existiert, ist das längst vergessen. Nusser weiß genau, dass die Boulevardblätter Corona-Leugner und EU-Skeptiker um keinen Preis vergraulen wollen. Auch dazu gibt es Studien, die das belegen.
Wie es einem Politiker ergeht, der versucht, die Macht der Boulevardpresse zumindest zu kontrollieren, hat das Schicksal von Christian Kern im Jahr 2017 gezeigt. Das gilt es zu bedenken, wenn man von einer links-liberalen Regierung aus SPÖ, Grünen und Neos träumt. Selbst wenn sie nach der nächsten Wahl eine Mehrheit im Nationalrat hätte und gebildet werden könnte, würde sie vom ersten Tag an den rauen Gegenwind des Boulevards zu spüren bekommen. Die Wahrheit ist: Keine Partei in Österreich wagt es, Obergrenzen für die Inseratenschaltungen der Regierung gesetzlich festzulegen. Und so entwickeln sich geradezu perverse Arten der Steuergeldverschwendung, wenn z.B. das Umweltministerium in einem Medium, das hauptsächlich von Putin-Freunden, Klimaleugnern und Gegnern der Ökologiebewegung gelesen wird, für den Ausstieg aus Gasheizungen wirbt. Genau das geschieht aber. Das Ministerium weiß ohnehin, dass es nicht auf den Inhalt des Inserats ankommt, sondern offenbar darauf, damit einem Medium verdeckte Fördergelder zukommen zu lassen.
Passiver Widerstand
Wenn wir in einem demokratischen Österreich aufwachen wollen, müssen wir uns also einmal mehr passiven Widerstand leisten. Das Allerwichtigste ist es TÄGLICH, keine der drei Boulevardzeitungen zu kaufen. Lesen kann man sie höchstens zu wissenschaftlichen Zwecken; um zu analysieren, wie Österreich dem Rechtspopulismus, der die Steuerzahler zugunsten der Reichen nun wie eine Weihnachtsgans ausnimmt, ohne Gegenwehr verfallen konnte.
Wenn wir den Schund ignorieren, der ohnehin unter schwachen Verkaufszahlen leidet, werden sich einige Probleme von selbst lösen. Und wir werden endlich auch Betriebe wie die ÖBB und Austrian Airlines dazu bringen, in ihren Zügen und auf ihren Flügen ordentliche Zeitungen anzubieten und nicht den Dreck. Das Volk muss tun, wozu die Politik zu schwach ist. Daher: Lesen Sie keine Boulevardzeitungen! Und vor allem: Kaufen sie keine Boulevardzeitungen!
Titelbild: Miriam Mone / ZackZack