Freitag, März 29, 2024

Aufwachen: Kefir und Reiseführer für Ostwestfalen-Lippe

Die sogenannte Meinungsforschung ist nichts als ein Zudecken wichtiger gesellschaftlicher Sachfragen und dient in Österreich dazu, Politik zu machen und damit Geld zu verdienen, meint Daniel Wisser.

Wien | Kaum war die Salzburg-Wahl vorbei, wussten die Meinungsforscher auch schon, wie sie ausgegangen ist. Mit dem, was zuvor publiziert wurde, hatte das Ergebnis nichts zu tun. Die Krise der Demokratie in Österreich geht einher mit dem steigenden Stellenwert, den Meinungsumfragen bekommen. Da gibt es lange Interviews mit Politikerinnen und Politikern, in denen es nur mehr um parteipolitische Taktik geht und um Meinungsumfragen, die zum Teil Antworten auf Fragen geben, die bei Wahlen gar nicht zur Entscheidung stehen.

In einer aufgeklärten Demokratie braucht man Meinungsforschung gar nicht. Sie ist auch keine Wissenschaft, sondern bestenfalls ein Handwerk, das empirische Daten auf vulgärsoziologischer Basis einholt. Jede Umfrage bringt ein Ergebnis, so unbrauchbar es auch ist und auf wie dünnen Beinen es auch steht. Doch es wird kaum darüber informiert, auf welcher Basis eine Meinungsumfrage erstellt wurde. Sie wird Politikerinnen und Politikern als Wahrheit entgegengeschleudert: »Sie stehen bei 24 Prozent.« Leider wird solcher Unsinn aber auch den Wählerinnen und Wähler präsentiert. Meinungsforschung ist also zuallererst Wählermanipulation.

Es gibt keine von der Politik unabhängige Meinungsforschung

Das ist auch der Grund, warum die Meinungsforschung nicht unabhängig ist und nicht sein kann. Viele Meinungsforscher wie Wolfgang Bachmayer oder Josef Kalina waren zuvor in der Politik tätig, andere waren es danach, wie etwa Sophie Karmasin, die ÖVP-Ministerin wurde, nachdem sie ORF-Politanalytikerin gewesen war. Nicht, dass man ihre politische Richtung nicht schon kannte, bevor sie ohne ersichtliche Qualifikation Ministerin wurde; sie gab sich auch wenig Mühe, diese durch Objektivität zu überspielen.

In einem Artikel aus dem Jahr 2009 in der Zeitung Der Standard lese ich: »Mit ihrem neuen Projekt tritt Karmasin in das Netzwerk der Experten rund um Wolfgang Rosams Change Communications und Dietmar Eckers PR-Agentur Ecker & Partner ein, in dem bereits die Unternehmen von Peter Filzmaier (ISA), Monika Langthaler und Christian Nohel (Brainbows) sowie die Lobbyingagentur Public Interest mit Gregor Schönstein als Geschäftsführer, vertreten sind.« Es ist also nicht gerade so, dass Parteipolitik in der Meinungsforschung keine Rolle spielt. Dazu kommt: Jede Umfrage oder Studie oder Analyse hat einen Auftraggeber. Und dieser Auftraggeber ist meist eine politische Partei oder ein Medium, das etwas Bestimmtes sagen will.

Was eben gebraucht wird

Meine Erfahrungen in der Meinungsforschung sind schon lange her. Ich machte sie in den Neunzigerjahren und sie haben mir die Augen geöffnet. Ich lernte in zwei Meinungsforschungsinstituten als allererstes, die Befragten bei Beginn des Gesprächs zu belügen und die Befragungsdauer mit nur einem Drittel der tatsächlichen Dauer anzugeben.

Anfangs nahm ich die Sache sehr ernst. Ich kann mich erinnern, dass am Ende einer Umfrage nur mehr weibliche Befragte zwischen 40 und 50 Jahren benötigt wurden. Nachdem ich eine 39-jährige Person befragt hatte, klagte ich bei einer erfahrenen Kollegin, dass diese Befragung nun umsonst gewesen sei. Sie nahm den Bogen, strich das Alter durch und gab das Alter mit 40 Jahren an. Ich fragte sie, ob das so einfach ginge. Sie sagte mir, sie ändere alle Personendaten, also Geschlecht, Alter, Wohnort, je nachdem, was eben gebraucht würde.

Profis am Werk

Und so sah ich bald die wirklichen Profis am Werk. Man wurde pro Umfrage bezahlt. Die Profis konnten, während sie scheinbar mit jemandem eine Umfrage am Telefon machten, vier oder fünf Fragebögen nebenher ausfüllen. Sie verdienten wesentlich besser als ich. Am Ende einer Studie verschwanden die Chefs mit den Zahlen in einer Sitzung, in der Umfrageergebnisse erstellt wurden. Bei dieser Sitzung durfte ich nie dabei sein oder das Ergebnis der Umfrage sehen.

Empirische Forschung kommt immer zu Ergebnissen. Es ist möglich, festzustellen, dass Männer zwischen 40 und 50, die Kefir trinken und im Internet schon einmal einen Reiseführer für Ostwestfalen-Lippe bestellt haben, die Österreichische Scheibentheoriepartei wählen würden, wenn Heinrich Staudinger ihr Spitzenkandidat wäre. Was aber bringt diese Erkenntnis?

Hypothesen werden als Wirklichkeit verkauft

Anders gefragt: Wozu braucht ein Mensch mit politischer Überzeugung eine Meinungsumfrage? Er braucht sie nicht. Und wenn jemand sein Wahlverhalten wegen einer Meinungsumfrage ändert, worum geht es ihm dann eigentlich? Darum, ein Teil der Mehrheit zu sein, egal was die Forderungen dieser Mehrheit sind?

Meinungsforschung ist ein Zudecken von Sachpolitik und wichtigen gesellschaftlichen Fragen durch reine Personalpolitik und Sympathiefragen. Oder sie verkauft uns hypothetische Werte als Fakten, wie die Wählerstromanalyse, die nichts anderes als eine Umfrage ist. Wenn die Partei X bei der vorhergehenden Wahl eine Stimme hatte und die Partei Y zwei, nach der Wahl die Partei X aber zwei Stimmen hat und die Partei Y eine, so kann man sagen: »Eine Stimme ist von der Partei Y zur Partei X gewandert.« Es ist aber reine Hypothese, denn auch drei Wählerinnen und Wähler könnten anders gewählt haben als bei der vorhergehenden Wahl. Die Hypothese aber wird als Wirklichkeit verkauft.

Vorgaben für die Mehrheit

Der Aufstieg der Meinungsforschung geht einher mit der Boulevardisierung der österreichischen Medien. Es ist eine zutiefst undemokratische Form der Information, die oft auch Unwahrheiten insinuiert, z.B. dass es in Österreich eine Kanzlerwahl gäbe.

Zum Glück erleben wir in letzter Zeit auch – Wahlerfolge der KPÖ sind ein Beleg dafür –, dass es möglich ist, politisch erfolgreich zu sein, ohne vom boulevardisierten Medienmainstream auch nur erwähnt zu werden. Die Überschätzung von Boulevard und Meinungsforschung ist etwas sehr Österreichisches. Man will zur Mehrheit gehören, also braucht man Vorgaben. Aber nicht alle wollen das. Es gibt auch Menschen mit Überzeugungen und Menschen, die diese Überzeugungen auch in Diktaturen oder Oligarchien nicht ablegen. Zum Glück.

Meinungsforschung macht Politik

In der Meinungsforschung geht es in Österreich darum, Politik zu machen und damit Geld zu verdienen. Der Karmasin-Prozess zeigt dieses Faktum am allerdeutlichsten. Und es ist nicht wahr, dass all das immer so war. Niemals in der Zweiten Republik war Österreich so korrupt wie unter der Regierung der ÖVP, seit Sebastian Kurz ihr Parteiobmann wurde. Julian Hessenthaler hat im Interview mit der Zeitung Der Standard etwas sehr Wichtiges gesagt: »Aber in Österreich ist viel zu viel normal geworden, was eigentlich nicht normal ist. Das, was alles die letzten Jahre auf den Tisch gekommen ist, ist nicht normal. Politiker sind nicht generell so. Das ist ein Stil, der sich eingeschliffen hat in Österreich, durch Leute, denen es in der Politik eher um der Selbstbereicherung geht als um das Wohl des Landes.«

Titelbild: ZackZack/Miriam Mone

Daniel Wisser
Daniel Wisser
Daniel Wisser ist preisgekrönter Autor von Romanen und Kurzgeschichten. Scharf und genau beschreibt er, wie ein Land das Gleichgewicht verliert.
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51 Kommentare

  1. Wird virtuelle Wirklichkeit technisch zu realer Wirklichkeit, dann war die ursprüngliche reale Wirklichkeit vielleicht nur eine Modifikation dieser virtuellen Wirklichkeit mit der Erkenntnis, dass die uns vertraute reale Welt ebenfalls nur eine virtuelle wäre. Auch bei der Theorie, wie bei der Hypothese ist Glaube (in wissenschaftlichem Sinne) unentbehrlich, denn auch hier ergänzt die dichtende Phantasie die Lücke, welche der Verstand in der Erkenntnis des Zusammenhanges der Dinge offen läßt.

  2. Nächste Woche soll es ja den guten Nachtopf Preis geben?
    Meine ersten Favorits dazu sind die österreichischen Qualitätsmedien und ihre Aufsichten.

    Mit einigem Abstand kommt dann unser Wasserschadenpräsi,
    aber auch unsere Justizministerin mit ihren zig nicht umgesetzen Ankündigungen und wieder abgeschlagen kommt dann unser
    SAMUI – nein das war ein Scherz – Herr Samuie ist natürlich das wichtige totale Gegenteil!!!

    • Der senile und vor allem dumme Präse mit kinderlosem Alki und der Bosna samt dem Warzenschweinderl sind die größten Schäden der zweiten Republik. Die sollte man unverzüglich abschieben und

          • Lieber Samui!
            Herr Professor Kogler hat hier sichtlich über das Ziel geschossen.
            Nie würde ich selbst bei solchen Aussagen solche Worte in den Mund nehmen wollen?
            Deshalb in ich mir auch ganz sicher, dass er Dich hier ganz bstimmt nicht damit gemeint hat…
            So ein Blödsinn auch noch, oder besser Schwachsinn… – und die anderen in Haft…

  3. Die Nonsense-Befragungen durch Karmasin sind wohlfeil auf den . gebracht. Und wie man im Ministerium wusste, ist das Karmasins einzigartige Expertise: Nonsense. Das ganze Meinungsforschungsgedöns ist Manipulation. Ganz genau. Auch das ist punktgenau beschrieben. Wir brauchen das nicht, es ruiniert höchstens eine eigenständige Meinungsbildung. Dass politiker:innen das brauchen oder zu brauchen meinen, ist schon klar. Aber warum werden wir damit belästigt?

    Einen kleinen Einwand habe ich: Es ist nicht NUR die Haltung, die mich eine Wahl treffen lässt. Es ist AUCH meine tiefgehende Auseinandersetzung mit Inhalten und den politischen Akteur:innen.

    • Nun, Sie sagen es ja doch selbst “es ruiniert eine eigenständige Meinungsbildung”. Es liegt also im Interesse jener, die dank rationaler Überlegungen keine Mehrheiten finden könnten.

      • Gute Analyse!
        Unfassbar die Erkenntnis und die weitere Untätigkeit und Berichterstattung dazu.
        Aber man kann vermutlich auch nicht verlangen, dass die Qualitätsmedien ihre eigene dazu gekaufte Strategie offenbaren?

  4. Hurra die größe CO2 Einsparung aller Zeiten:
    Endlich es ist vollbracht – wäre interessant zu wissen, was ein Lebensjahr an CO 2 Einsparung bringt?

    Die Pandemie vernichtete anscheinend 300 Mio Lebensjahre.
    Endlich wird im Ansatz bestätigt, was ich seit Beginn dieses Forums schreibe.
    Aber bin ich der Meinung, dass das 10 – fache vermutlich noch immer weit zu wenig sein wird?
    Bei 8 Millliarden Einwohner durchschnittlich 10 Jahre wären vermutlich 80 Milliarden?
    Da diese Menschen nicht sofort getötet wurden und werden ist die große Frage offen, war das Mord oder nicht?
    Ich bin noch immer der Meinung, dass das perfidester Massenmord war und dieser noch immer kein Ende genommen hat und es hier hoffentlich bald zu Massenverhaftungen kommen wir, aber wir werden auch hoffentlich bald sehen?

    • Die aktiv betriebene Politik: Stärkt dieses das Kohärenzgefühl der Menschen oder schwächst sie es weiter?
      Verlängert sie deren Leben oder verkürzt sie es weiter?

      Gerade werden bei Stromhilfen Familien mit 3 Personen ausgeklammert!!!????
      Man muss sich das vorstellen, eine ganz neue Familie, vielleicht noch unter der Armutsgrenze wird ausgeklammert?
      Warum nur und wem nützt das?
      Wie muss es solchen Menschen auch noch in solchen Situationen gehen, wenn sie davon erfahren?

      • Die aktiv betriebene Politik: Stärkt dieses das Kohärenzgefühl der Menschen oder schwächst sie es weiter?
        Verlängert sie deren Leben oder verkürzt sie es weiter?

        Gerade werden bei Stromhilfen Familien mit 3 Personen ausgeklammert!!!????
        Man muss sich das vorstellen, eine ganz neue Familie, vielleicht noch unter der Armutsgrenze wird ausgeklammert?
        Warum nur und wem nützt das?
        Wie muss es solchen Menschen auch noch in solchen Situationen gehen, wenn sie davon erfahren?

        • Noch immer kein Kommentar dazu von den angeblichen Qualitätsmedien?
          Aber auch nicht getrieben von allen Parteien, welche sich als sozial bezeichnen?
          Es hat sich nichts geändert und wird sich auch weiterhin nichts ändern?
          Man will die Menschen offensichtich poltisch genauso gewollt das erst Mal in die totale Hoffnungslosigkeit treiben?

          AUFWACHEN ist deshalb mehr als nur mehr angesagt…

          • @ Dealer
            Dir antwortet auch niemand. Wieso wohl?
            Du schreibst eigentlich hier mit Dir selbst…..
            Wollte ich nur mal anmerken.

          • @Samui (Leider ist es mir nicht möglich direkt zu antworten)
            Es war nicht mein Ziel, dass mir Jemand antwortet, sondern gehören diese Beiträge zusammen.
            Ich hätte sie ja auch einzeln posten können.
            Dass die Menschen in diesem Land sich mehr und mehr mit ihrem Schicksaal abgefunden haben und weiter kampflos abfinden, ist auch nichts Neues und vermutlich schon ihrer Erschöpfung udn Aussichtslosigkeit geschuldet?
            Es schaut deshalb aus meiner Sicht auch gar nicht mehr gut für die Einwohner dieses Landes aus.
            Alleine, dass man sich inklusive Medien, dem BP und aller Parteien seit vielen Monaten schon mit dem internationalen Abgrading auf eine Wahldemokratie abgefunden hat, sagt doch schon alles.
            Die hier noch posten sind nur mehr ein paar wenige Unentwegte…

  5. Ein aktuell ganz ganz wichtiger Beitrag zur exakt richtigen Zeit:
    Man ersieht daraus die enge Korrelation der gekauften Medien und der Medienkorruption im Allgemeinen ganz speziell im Zusammenhang mit diesen Umfragen und ihren Auftragsmotivationen auch noch gekoppelt mit Inseraten und bezahlt oft auch noch vom Staate.

    Ob er was bewegen wird, würde ich trotzdem bezweifeln, da der “Medienwasserschaden” noch immer kein ernstliches Thema ist und vermutlich zu einer Wahldemokratie auch dazugehört?

    • Sehr guter Beitrag!
      Macht wieder ganz deutlich sichtbar wie die Qualitätsmedien weiter ohne einem Konsequenzchen daraus gekauft wurden und weiter werden können.
      Was ich leider nicht verstehe ist, dass die FPÖ diese Elfmeter nicht einmal in Betracht zieht zu schießen?
      Von der SPÖ und NEOS möchte ich gar nicht sprechen, denn diese spielen hier ohnehin seit vielen Jahren schon bestens mit und war die SPÖ ja immerhin der Erfinder?

      • Auf jeden Fall ist er moralisch nun was die Wasserschäden anbelangt über den Herrn BP zu stellen.
        Ursprünglich wollte dieser doch was von ihm (für die Meschen in diesem Land) und nun muss er wohl froh sein, wenn ER nicht weiter angegriffen wird?

  6. Die sogenannte Meinungsforschung ist nichts als ein Zudecken wichtiger gesellschaftlicher Sachfragen und dient in Österreich dazu, Politik zu machen und damit Geld zu verdienen, meint Daniel Wisser.

    Im BK Amt gibt es eine Ausbildungsstelle für “Journalisten” die man dann in den korrupten und käuflichen Medien einschleusen will…

    Das passt alles zusammen….vom Autoritären Staat der im Aufbau ist zur Diktatur das dernen Ziel es ist….

  7. Hessenthaler traf den Nagel auf den Kopf. Man versuchte über Türkis und der blauen “Scheibentheoriepartei ” etliche verfassungswidrige Beschlüsse und Verordnungen als “normal” zu verkaufen in der Hoffnung dass nur ein Teil davon vom VfGh wieder aufgehoben wird. Und viele Wähler die sich von den meist auch sehr populistischen Botschaften angesprochen fühlten, registrieren nicht mal das oder haben bereits gewählt wenn da was dämmert. So einfach wie erfolgversprechend. Ähnlich wie bei fake news von z.B. Donnie Trump. Verbreite 1000 Lügen und wenn nur jede zehnte nicht widerlegt wird hast du dein Ziel erreicht.

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