Die Kinderbetreuung ist in Österreich immer noch eine große Baustelle. Auch die von Kanzler Nehammer angekündigten Kinderbetreuungsmilliarden bis 2030 sind zu klein gedacht, so das Momentum Institut exklusiv für ZackZack.
Von Sophie Achleitner
In Österreich ist die Betreuung von Kleinkindern nach wie vor Frauensache. In der Regel sind es die Mütter, die dafür zuhause bleiben. Das wirkt sich negativ auf ihre Karrierechancen, ihr Einkommen und ihre Pension aus – und trägt massiv zur Benachteiligung von Frauen in der Arbeitswelt bei. Wer hier gegensteuern will, darf nicht auf einen Wertewandel warten, sondern muss aktiv an einem Ausbau und einer Verbesserung des bestehenden Angebots arbeiten.
Im Sommergespräch vergangenen Montag plädierte Bundeskanzler Karl Nehammer dafür bis 2030 4,5 Milliarden Euro in die Kinderbetreuung zu stecken. Pro Jahr bedeutet die Summe aber genau 642 Millionen Euro. Ein Turbo-Boost bei der Aufholjagd ist das nicht. Vor allem, wenn wir uns ansehen, wie schlecht wir mit der Kinderbetreuung in Österreich aktuell dastehen.
Österreich mit massivem Aufholbedarf
Bereits 2002 einigte sich der EU-Rat darauf, dass sich bis zum Jahr 2010 jedes dritte Kind in Kinderbetreuung befinden sollte. Österreich hat dieses Ziel 2010 nicht erreicht, daher gab es dafür einen Aufschub bis 2020. Aber selbst mit über zehn Jahren Verspätung hatte Österreich das Ziel 2020 nicht erreicht. Das Ziel von 33 Prozent hat Österreich selbst mit drei Jahren Verzögerung 2023 immer noch nicht erreicht und hinkt im europäischen Vergleich deutlich hinterher. Heuer befanden sich nämlich nur 30 Prozent der unter 3-Jährigen in externer Betreuung. In Dänemark waren es im selben Jahr zum Beispiel 69 Prozent, in den Niederlanden sogar 74 Prozent. Das nächste Ziel? 2030 soll die Hälfte aller Kinder unter 3 Jahren in Kinderbetreuung sein. Für Österreich ist das noch ein weiter Weg. Der Grund dafür, dass wir so schlecht abschneiden: In Österreich fallen konservative Vorstellungen von Eltern- und Mutterschaft mit gravierenden strukturellen Mängeln zusammen. Vor allem Letztere sorgen dafür, dass das Angebot kaum angenommen wird.
Damit Eltern ihre Kleinkinder in externe Betreuung geben, braucht es nicht nur genügend Plätze. Das Angebot muss allen offenstehen und leistbar sein, qualitativ hochwertig und flexibel. In allen Bereichen gibt es in Österreich mehr oder weniger gravierende Missstände. Plätze sind rar und mit langen Wartezeiten verbunden und die Einrichtungen oft nur halbtags geöffnet. Aufgrund eingeschränkter Öffnungszeiten, langer Ferienzeiten und vieler Schließtage ist außerhalb Wiens beispielsweise nur jeder fünfte Kindergartenplatz mit einem Vollzeitjob vereinbar. Und auch die Qualität des Angebots überzeugt viele Eltern nicht. Diese leidet nicht zuletzt unter den schlechten Arbeitsbedingungen für Elementarpädagog:innen.
Skandinavische Vorreiter
Dass es besser geht, beweisen zum Beispiel die skandinavischen Länder. Dort garantiert der Staat jedem Kind einen Betreuungsplatz. In Schweden beispielsweise ab dem vollendeten ersten Lebensjahr – und innerhalb von vier Monaten. Zeitgleich ist das Angebot für alle leistbar. Abhängig vom Einkommen zahlt man für das erste Kind aktuell maximal 150 Euro, inklusive aller Mahlzeiten. Mit jedem weiteren Kind verringert sich der Beitrag. Um beiden Eltern eine Vollzeitarbeit zu ermöglichen, müssen alle Betreuungseinrichtungen während einer Kernzeit von 7 Uhr früh bis 6 Uhr abends geöffnet sein. Zahlreiche Einrichtungen dehnen ihre Öffnungszeiten über die gesetzliche Vorgabe hinaus aus, manche haben fast rund um die Uhr geöffnet. Und schließlich besticht das Angebot in Schweden auch durch seine Qualität. Bereits Kleinkinder besuchen eine „Vorschule“, inklusive Lehrpläne und Zuständigkeit durch das Bildungsministerium.
Auch das schwedische Modell ist nicht vom Himmel gefallen. Verantwortlich für den Ausbau des Angebots waren ab den späten 1960er-Jahren einerseits der Druck der aufkommenden Frauenbewegung und ihr Ruf nach Gleichberechtigung, andererseits der damals vorherrschende Arbeitskräftemangel. Und die Investitionen machten sich schnell bezahlt. Zwischen 1970 und 1998 verzehnfachte sich die Anzahl der Kinder in Ganztagesbetreuung, immer mehr Frauen drängten auf den Arbeitsmarkt. Bis heute befinden sich in Schweden so viele Mütter in (Vollzeit-)Beschäftigung wie in kaum einem anderen EU-Land. Und das, bei einer Geburtenrate, die zu den höchsten in ganz Europa zählt.
Betreuungsgarantie für Österreich
Dass in Österreich nach wie vor viele Mütter zuhause bleiben, um ihre Kinder zu betreuen, liegt zu einem guten Teil am mangelhaften Angebot. Es ist höchste Zeit, dass auch in Österreich eine flächendeckende Kinderbetreuung ab dem vollendeten ersten Lebensjahr garantiert wird. Ein solches Angebot muss allen Kindern offenstehen, leistbar sein und auch beiden Elternteilen eine Vollzeitarbeit ermöglichen. Um die Qualität zu steigern, müssen außerdem die Arbeitsbedingungen für Elementarpädagog:innen massiv verbessert werden. Das wären nicht zuletzt probate Mittel, um mehr Frauen in Österreich eine (Vollzeit-)Arbeit zu ermöglichen.
Sophie Achleitner hat Volkswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien und an der University of South Australia studiert. Sie brennt für die Themen Bildung und Geschlechterungleichheiten und verknüpft diese mit budget- und steuerpolitischen Fragestellungen.
Titelbild: Miriam Moné / ZackZack