Samstag, April 27, 2024

Ausgerechnet: Die Löhne müssen zu den explodierten Preisen aufschließen

Bei der bevorstehenden Herbstlohnrunde geht es für die Beschäftigten um viel. Denn nur eine kräftige Lohnerhöhung kann einen historischen Einbruch der Kaufkraft noch verhindern, wie Jakob Sturn vom Momentum Institut exklusiv für ZackZack ausgerechnet hat.  

Am kommenden Montag geht es wieder los. Wie jedes Jahr läutet die Metallergewerkschaft die Herbstlohnrunde ein. Sie verhandelt für rund 200.000 Beschäftigte die Löhne und Gehälter fürs nächste Jahr. Das Ergebnis ist für andere Branchen richtungsweisend. Denn nur einen Monat später steigen mit den Branchen Handel und öffentlichem Dienst zwei weitere schwergewichtige Branchen mit vielen Beschäftigen in den Ring.

Ringen um Kaufkrafterhalt

Für die meisten Branchen gilt: Das Match um die Höhe der Lohnabschlüsse dürfte heuer besonders hart werden. Als Untergrenze für die Lohnerhöhung gilt die durchschnittliche Teuerung im letzten Jahr: 9,6 Prozent. Deutlich mehr als in den vergangenen Jahren.

Wie kommt es dazu? Hinter jeder Preiserhöhung steht eine konkrete Entscheidung eines Unternehmers, seine Preise zu erhöhen. Quer über alle Branchen heißt das: Lebensmittel, Strom, Gas, Mieten, Kredite werden teurer. Ob gewollt oder nicht: Es zieht den Arbeitnehmer:innen die Kaufkraft unter den Füßen weg. So sehr, dass Beschäftigte von ihren 20 Arbeitstagen im Monat im Vergleich zum letzten Jahr jetzt 2 Tage gratis arbeiten gehen. Ohne kräftige Lohnerhöhung bleibt das nächstes Jahr auch so.

Saftige Erhöhung gefordert

Die Lohnforderung der Gewerkschaft wird daher im zweistelligen Bereich liegen. In den Augen der Unternehmen ist das naturgemäß zu hoch. Wie fast jedes Jahr erspähen sie Gewitterwolken am Himmel heraufziehen, sobald sie höhere Löhne bezahlen sollen. Doch die offensichtliche Verhandlungstaktik beiseite gelassen: Es stimmt zwar, dass sich nach vielen ausgezeichneten Jahren die Industriekonjunktur wieder abkühlt. Doch der Blick in die Zukunft ist immer ein unsicherer. Theoretisch könnte in ein paar Monaten wieder ein kräftiger Aufschwung beginnen. Von dieser Unsicherheit sollten sich die Gewerkschaften also nicht allzu sehr beeindrucken lassen. Denn die Spielregeln für die Lohnverhandlungen sind seit Jahren bewährt:  Die Sozialpartner schauen beim Verhandeln der Löhne ausschließlich in den Rückspiegel: Wie hoch war die Inflation in den vergangenen 12 Monaten? Um wie viel produktiver sind die Arbeitnehmer:innen? Wie hoch fielen die Gewinne aus? Dann gilt es, den erwirtschafteten Kuchen im Nachhinein zu verteilen.

Gerade die hohen Gewinne der Unternehmen sprechen für einen kräftigen Lohnabschluss. Der Nationalbank zufolge sind die Gewinne der Unternehmen letztes Jahr um 24 Prozent gestiegen. Die Profite der großen börsennotierten Konzerne stiegen gar in luftige Höhen – um 42 Prozent. Davon profitieren die meist reichen Eigentümer:innen der Unternehmen. Die Ausschüttungen der Konzerne an sie dürften 2023 noch einmal um die Hälfte steigen.

Wohlstand verloren

Der Blick in den Rückspiegel bei den Lohnverhandlungen kostete aber die Arbeitnehmer:innen auch Geld. Zumindest vorübergehend, wenn bei hoher Inflation die Preise deutlich schneller und stärker steigen als die Löhne. Im vergangenen Jahr sind die Arbeitnehmer:innen dadurch unfreiwillig in Vorleistung gegangen, mussten den größten Kaufkraftverlust seit Beginn der Aufzeichnungen in den 1960er Jahren hinnehmen. Für die Kassiererin oder den Paketboten, die zum Kollektivvertrag angestellt sind, heißt das konkret: Sie konnten sich im August 2023 mit ihrem Lohn so viel kaufen wie zuletzt vor 11 Jahren. Ein ganzes Jahrzehnt an Fortschritt bei der Kaufkraft der Löhne ist ausgelöscht. Es sei denn, es gibt jetzt eine kräftige Lohnerhöhung – am besten zweistellig.

Jakob Sturn forscht beim Momentum Institut zu Arbeitsmarkt- und Verteiliungspolitik. Er hat Wirtschaft an der WU Wien und der University of Illinois studiert.

Titelbild: Miriam Moné / ZackZack

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5 Kommentare

  1. Wenn Importgüter teurer werden, fließt ein Teil unseres Wohlstandes ans Ausland ab. Diesen Teil müssen wir im Inland jemandem wegnehmen. Die Vermieter sind es nicht, denn sie müssen ihre Häuser mit steigenden Kosten instandhalten. Die Unternehmer auch nicht, denn sie müssen investieren und sehen schlechte Zeiten auf uns zukommen. Bleiben also nur die Arbeitnehmer und Pensionisten. Die sind das schon gewöhnt.

  2. Was war das für ein Getöse als die Pensionen erhöht wurden und dass deshalb die Aktiven und Kinder noch lange aus diesem Grund das zu bezahlen hätten?
    Nun werden die Löhne und Gehälter darüber angehoben, was aber dem Gegenteil gleichkommt…

  3. Etwas stimmt auf dieser “Insel der Seligen” (Revisionisten) ganz sicher nicht!

    Die Lohnquote (Anteil der Arbeitnehmer*innen am Volkseinkommen) liegt seit Jahren ca. ~69 – 70%

    Die Reallohnentwicklung stagniert:
    – die Hälfte unteren 50% verdienen weniger als 1/4 der Einkommen, +zuzügl. Steuerleichterungen / Transferleistungen sind es 34,4%
    – das reichste 1/10 verdient brutto mehr als 33%, abzügl. Abgaben rund 24%
    – die restlichen 40% Mittelstand bleibt etwa gleich, brutto 43%, netto bei etwa 41%
    – der kaufkraftbereinigte Zuwachs kam im Verhältnis zum Reallohnzuwachs aber beim Einkommensbezieher im letzten Jahrzehnt aber nicht mehr an. (inflationär bedingt)

    Der Anteil der Erwerbstätigen im Teilzeitbereich stieg im letzten Jahrzehnt aber um 20% (von 25 auf über 30% bei 4/5 Frauenanteil).
    Der Anteil im Niedriglohnsektor sank um 10%. Einen Mindestlohn KV gibt es bei uns nicht, der ist Branchenabhängig. Der Mindestlohn wurde per 1. Mai um GANZE 2,22% “angepasst”…

    Eine Statistik zur Entwicklung des Anteiles aus Einkünften aus Kapitalvermögen sucht man im ÖSI-Land vergeblich…

    • Im krassen Gegensatz dazu aber das Verhältnis zum statistischen Produktivitätsindex (Gesamtwirtschaftliche Produktivität): Diese stieg von 2015 92,2 je geleisteter Arbeitsstunden bis 2023 um 25 Punkte auf über 117!

      No, wer hat da wohl wo wieviel inzwischen mehr verdient? Woran spießt es nun, wenn es darum geht, die Einkommen an die realen Wirtschaftlichkeiten der arbeitenden Gesellschaft anzupassen???

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