Dienstag, September 10, 2024

Wo der FPÖ-Wahlsieg Schwachstellen hat

In Österreichs Städten – allen voran Wien – sind die Freiheitlichen keine Macht. In Umfragen wurde die Partei zuletzt konstant überschätzt.

Die FPÖ freut sich nach der geschlagenen EU-Wahl über eine Premiere: Zum ersten Mal in der Geschichte liegt sie bei einer bundesweiten Parteiwahl an erster Stelle. Die Blauen jubeln und sehen sich bereits auf Durchmarsch Richtung Nationalratswahl. 25,4 Prozent reichten der Partei für ihren Wahlsieg – ein Plus von 8,2 Prozentpunkten.

Doch bereits beim an sich großen Plus schleicht sich ein verzerrender Effekt ein: Denn die FPÖ wird mit jenem Wert verglichen, bei dem sie kurz nach Aufkommen der Ibiza-Affäre Ende Mai 2019 stand – und sich bereits in einer starken Abwärtsspirale befand. Würde man sie an ihrem bundesweiten Wahlerfolg bei den Nationalratswahlen 2017 messen – damals fuhr sie 25,97 Prozent ein – erkennt man einen nahezu gleichen Wert mit einem leichten Minus.

Auch weitere Aspekte machen deutlich, dass die Partei zwar einen Sieg einfuhr, aber kein blaues Wunder erlebte.

In Städten keine Macht

In Österreichs größeren Städten – allen voran Wien – bleiben die Blauen klar hinter den Erwartungen: Nur 18,1 Prozent konnte die FPÖ in der Bundeshauptstadt einfahren und liegt dort über 10 Prozent hinter der SPÖ und hauchdünn vor den Grünen. Das war nicht immer so: Gerade zu Zeiten von Parteiobmann Heinz-Christian Strache sorgte die Partei auch in Wien für starke Ergebnisse, bei den Nationalratswahlen 2013 und 2017 lag sie über 20 Prozent, bei Wien-Wahlen sogar über 30 Prozent.

Auch die Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle ortet in der Bundeshauptstadt eine Schwachstelle: “Es macht sich wahrscheinlich bemerkbar, dass ein Hinhauen auf das “böse” rote Wien auch bei potenziellen eigenen Wählern dort nicht so gut ankommt. Mit Dominik Nepp hat sie zudem keinen wirklich populären lokalen Kandidaten”, sagt sie zu ZackZack.

Politische Kontrahenten ätzten über magere Besucherzahlen beim “Wahlfinale” in Wien-Favoriten

In anderen wichtigen Landeshauptstädten fiel das Ergebnis ähnlich schwach aus: Im kommunistisch regierten Graz blieb der Zähler der FPÖ bei 16,9 Prozent stehen; in Innsbruck bei 18,1, in Salzburg bei 18,5 Prozent. Nur in Herbert Kickls Heimatbundesland Kärnten holten sich die Blauen mit Klagenfurt und Villach gleich beide größeren Städte.

In Umfragen überschätzt

Bereits zum dritten Mal in Folge wurde die FPÖ bei Wahlumfragen überschätzt. Bei der vergangenen Salzburg-Wahl im März sagten Demoskopen Werte von etwa 16 Prozent voraus, am Ende wurden es 10,8. Noch gravierender waren die Fehleinschätzungen bei der Gemeindewahl in Innsbruck im April: Im Vorfeld kursierten Umfragen, die die Partei mit 24 Prozent klar an erster Stelle sahen, letztlich wurde es mit 15,2 Prozent ein abgeschlagener dritter Platz.

In Innsbruck wurde auch deutlich, dass die FPÖ ihr angebliches Sieger-Image bewusst einsetzt: Eigens von der Partei durchgeführte Umfragen mit Spitzenwerten wurden vor der Wahl in der regional wichtigen “Tiroler Tageszeitung” lanciert. Ein vermeintlich blauer Hype sollte Stimmung bringen, Erinnerungen an Sebastian Kurz werden wach.

Quelle: Screenshot APA-Wahltrend

Die geschlagene EU-Wahl war von Umfrageinstituten im Vorfeld noch weitaus besser untersucht worden. Und auch hier zeigte sich: In Umfragen lag die Partei zuletzt konstant bei deutlich über 27 Prozent und klar an erster Stelle, schließlich wurden es mit 25,5 Prozent maßgeblich weniger und nur mehr ein dünner Vorsprung von 0,8 Prozent trennt sie ÖVP.

“Früher war die FPÖ bei Umfragen unterschätzt. Wegen der sozialen Erwünschtheit hielten sich die Leute mit ihrer Präferenz für die Freiheitlichen zurück. Mittlerweile ist das längst nicht mehr der Fall, die FPÖ ist salonfähig”, so Expertin Stainer-Hämmerle.

Geringe Mobilisierung unter Jungen

Weiters zeigt ein genauerer Blick in die Daten des Wahlverhaltens, dass die Freiheitlichen diesmal junge Wählerinnen und Wählern nicht sonderlich beeindruckt haben. Unter Heinz-Christian Strache hatten gerade junge Wählerschichten eine große Affinität für die FPÖ: Bei der Nationalratswahl 2017 führte sie dort sogar mit 30 Prozent. Bei der verlustreichen Parlamentswahl von 2019 hielt die Partei bei den bis 29-Jährigen noch 20 Prozent. Dieser Anteil ist beim nunmehrigen Wahlsieg weiter geschrumpft – und liegt bei 19 Prozent.

Wahlverhalten bei Unter-29-Jährigen bei Nationalratswahlen 2017, 2019 und der EU-Wahl 2024. Quelle: Screenshot Statista, Statista (SORA/ORF), Screenshot orf.at

Klar, gerade bei dieser Wählerschaft zeigt sich eine hohe Volatilität – und vor allem auch die Grünen erlebten große Einbrüche, während die Kommunisten beachtliche 10 Prozent erlangten. Die Kickl-FPÖ, die den Anspruch auf einen “Volkskanzler” stellen will, war bei den Jungen jedenfalls kein Zugpferd.


Titelbild: HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com

Autor

LESEN SIE AUCH

Liebe Forumsteilnehmer,

Bitte bleiben Sie anderen Teilnehmern gegenüber höflich und posten Sie nur Relevantes zum Thema.

Ihre Kommentare können sonst entfernt werden.

48 Kommentare

48 Kommentare
Meisten Bewertungen
Neueste Älteste
Inline Feedbacks
Zeige alle Kommentare

Jetzt: Sicherheitsrisiko „Kickl“

Nur so unterstützt du weitere Recherchen!