Heinz Mayer ist Österreichs bekanntester Experte für Verfassungsrecht. Der langjährige Universitätsprofessor hält die Anklage gegen Peter Pilz in zwei von drei Punkten für einen „Rechtsirrtum“.
„Mir liegt ein Strafantrag der Staatsanwaltschaft Wien gegen Dr. Peter Pilz vor; auf Ersuchen von Herrn Rechtsanwalt Mag. Johannes Zink erlaube ich mir, dazu folgendes zu bemerken“.
Ich habe mit Dokumenten aus Disziplinarakten im November 2000 erste Beweise für das EKIS-Spitzelsystem der FPÖ in den Datenbanken der Polizei vorgelegt. Acht Jahre später habe ich die geheim gehaltenen sieben ersten Kampusch-Einvernahmen veröffentlicht. Auch sie stammen aus einem Disziplinarakt.
Dafür will mich die Staatsanwaltschaft Wien verurteilen lassen. Heinz Mayer hält davon aus juristischer Sicht wenig:
„Der unter I) erhobene Tatvorwurf besteht im Wesentlichen darin, dass Herr Dr. Peter Pilz als Abgeordneter zum Österreichischen Nationalrat im Jahr 2010 durch öffentliche Äußerungen über ein Disziplinarverfahren gegen das Verbot gemäß § 128 BDG verstoßen habe. Nach dieser Bestimmung waren „Mitteilungen an die Öffentlichkeit über den Inhalt der mündlichen Verhandlung … untersagt“. Dass Dr. Pilz die inkriminierten Äußerungen tatsächlich getan hat, wird nicht bestritten.“
Nicht vertretbar
Mayer stellt fest: „Der Vorwurf einer Pflichtverletzung ist rechtlich nicht vertretbar.
Gemäß § 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz (BDG) ist das BDG auf alle Bediensteten anzuwenden, „die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stehen“. Dies bedeutet, dass das BDG – und dies bedeutet: keine seiner Bestimmungen – auf keine Personen anzuwenden ist, die im Zeitpunkt der Tathandlung nicht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund standen.”
Für Heinz Mayer war ich nie Beamter: “Da Herr Dr. Pilz im Zeitpunkt der inkriminierten Tathandlungen unbestritten nicht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stand, konnte er daher § 128 BDG nicht verletzen, weil sich der persönliche Anwendungsbereich des BDG nicht auf ihn erstreckt hat.“
Rechtsirrtum
Mayer betont den Unterschied zwischen Beamten und Abgeordneten: „Dass § 128 BDG ausschließlich eine Dienstpflicht für Beamte begründet, wird von Kucsko-Stadlmayer (Das Disziplinarrecht der Beamten4 [2010] 282) ausdrücklich betont. Sie führt aus, dass § 128 „Eine Dienstpflicht für Beamte“ normiere, die „nur für diese“ gelte. Und weiter: „§ 128 BDG gilt daher etwa nicht für Zeugen und Sachverständige, die nicht die Stellung von Beamten haben; ebenso nicht für Dritte (z.B. Journalisten, die ihnen bekannt gewordene Tatsachen veröffentlichen wollen)“.
Damit kommt er zum Schluss: „Der unter I) erhobene Tatvorwurf beruht auf einem Rechtsirrtum.“
Verfassungswidrig
Mayer sieht noch ein Problem: „Sollte das Strafgericht dessen ungeachtet davon ausgehen, dass § 128 BDG in der im Tatzeitpunkt geltenden Fassung im vorliegenden Fall anzuwenden sei, dann war die Bestimmung verfassungswidrig und müsste beim Verfassungsgerichtshof angefochten werden.“
Mit vielen Beispielen aus der Rechtsprechung belegt Mayer die Verfassungswidrigkeit und kommt zum Schluss: „Aus all dem folgt, dass § 128 BDG in der im Tatzeitpunkt geltenden Fassung jedenfalls verfassungswidrig war. Es wäre in diesem Fall daher beim Verfassungsgerichtshof der Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit zu stellen (Art 89 Abs 3 B-VG).“
Für die parlamentarische Kontrolle steht viel auf dem Spiel. Folgt das Gericht der Staatsanwältin, dann droht den Abgeordneten ein Beamten-Knebel. Folgt das Gericht Mayer, dann gibt es endlich Rechtssicherheit für die Kontrolle der Verwaltung durch das Parlament.
Titelbild: Roland Schlager/APA/picturedesk.com, ZackZack