35 Jahre nach den Kurdenmorden in Wien hat sich nichts geändert. Politische Auftragsmörder können sich darauf verlassen, dass Österreich nett zu ihnen ist. In den USA geht es längst auch bei Mördern um eine andere Art.
Als er mich fragte, wie lange ich noch auf der „Kurden-Sache“ herumreiten wolle, hatte Thomas Klestil ein merkbar schlechtes Gewissen. Der Bundespräsident konnte sich noch genau erinnern, was er damals als Generalsekretär im Außenministerium angestellt hatte. Klestil wusste, dass er der wichtigste Fluchthelfer zweier iranischer Killerkommandos gewesen war.
Am 13. Juli 1989, vor genau 35 Jahren, hatte das dreiköpfige Kommando 1 unter dem Kommando von Mansur Bozorgian den Führer der iranischen Kurden, Abdul Rahman Ghassemlou bei einer „Verhandlungsrunde“ in der Wiener Bahngasse ermordet. Mit ihm starben sein Stellvertreter Abdullah Ghaderi-Azar und mein kurdischer Freund Fadil Rasoul.
Zwei der drei Täter wurden sofort gefasst – und später auf Druck des iranischen Regimes als dringend Mordverdächtige laufen gelassen. In meinem Buch „Eskorte nach Teheran“ habe ich das damals detailliert rekonstruiert.
Vorgewarnt
Nur eines wusste ich kurz nach den Morden noch nicht: Die Staatspolizei in Wien war aus Deutschland vorgewarnt worden. Eine Stunde vor dem Mord besuchte Ghassemlou noch das Büro des Innenministers. Als die Mörder ihre Maschinenpistolen auf ihn richteten, war er völlig schutzlos.
Damals fand ich den Chef des zweiten Kommandos, das mit Motorrädern und MP´s auf der Straße wartete. Sein Anführer war Mahmud Ahmadinedschad, der spätere Präsident des Iran. Aber in Außen-, Justiz- und Innenministerium wollte das niemand wissen.
Eine parlamentarische Untersuchung konnte auf Wunsch der ÖVP verhindert werden, weil die Einsetzung eines U-Ausschusses noch nicht Recht der Minderheit war. Das haben der SPÖ-Abgeordnete Otto Pendl und ich erst viele Jahre später durchgesetzt.
Nett zu Killern
35 Jahre nach dem dreifachen Mord mit seinen Fluchthelfern in Justiz- und Außenministerium ist eines klar: Die Kurdenmorde waren kein Einzelfall. Kein anderer Staat in der EU geht so nett mit politischen Auftragsmördern um wie Österreich.
- Schon rund um die illegalen Noricum-Kanonenlieferungen an die Kriegsparteien Irak und Iran war es zu dubiosen Todesfällen gekommen. Heute bin ich mir sicher, dass Herbert Amry, der österreichische Botschafter in Athen, am 11. Juli 1985 ermordet wurde. Amry hatte das Außenministerium telegrafisch in detaillierten Berichten gewarnt. Mögliche Spuren seines Todes wurden durch österreichische Minister verwischt.
- Zwei weitere Fälle schildere ich detailliert in meinem neuen Buch „Ostblock“. Am 13. Jänner 2009 wurde der tschetschenische Flüchtling und Regimegegner Umar Israilow auf offener Straße in Wien erschossen. Zuvor war er aus dem Umfeld des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow bedroht worden und hatte um Personenschutz angesucht, doch dieser war ihm nicht gewährt worden. Die Hintermänner der Tat konnten vom Wiener Landesamt für Verfassungsschutz schnell ausgeforscht werden. Trotz klarer Hinweise blieben sie ebenso unbehelligt wie Kadyrows Schirmherr Wladimir Putin.
- 2009 hatte der russische Inlandsgeheimdienst FSB freie Hand in Wien. Ein FSB-Vertreter führte schon seit 2005 ein eigenes Verbindungsbüro im österreichischen Innenministerium, stimmte von dort aus alles mit dem BVT ab und beschenkte ab und zu österreichische Verfassungsschützer mit Teppichen. Verantwortlich für die Zustände im BMI war Maria Fekter als Innenministerin der ÖVP.
- Die Freilassung des 14-fachen KGB-Mörders Michail Golowatow im Juli 2011 geht auf das Konto führender Justizbeamter wie Christian Pilnacek und des damaligen Leiters der Oberstaatsanwaltschaft Wien. Eine schwache ÖVP-Justizministerin tat, was ihr gesagt wurde. In Wien galt schon damals ein Putin-Wunsch als Befehl.
- Als sich der bulgarische Investigativjournalist Christo Grozev in Wien aufhielt, wusste er nicht, wie gefährlich die Stadt für Putin-Gegner wie ihn war. Im Jänner 2022 wussten die Ermittler der AG Fama des Innenministeriums, dass sich Egisto Ott und Martin Weiss für Grozev interessierten. Trotzdem wurde Christo Grozev nicht rechtzeitig gewarnt. Zu Grozev gefragt, versicherte der verantwortliche Innenminister Gerhard Karner bei Armin Wolf in seinem ganz persönlichen Deutsch: „Er hat großen Schutz genießt.“
„Es könnte gefährlich werden“
So wie seinerzeit Ayatollah Khomeini kennt heute Wladimir Putin die österreichische Verbrechensregel. Sie besteht aus zwei Teilen:
- Wenn jemand in Österreich im Auftrag eines fremden Staates ein Kapitalverbrechen begangen hat, wird er vor Gericht gestellt.
- Wenn der fremde Staat droht, wird er freigelassen.
Dazu kommt eine dritte, inoffizielle Regel:
- Regel 1 und 2 gelten nur, wenn mit diesen Staaten große Geschäfte möglich sind.
Der Justizminister, der die Kurdenmörder vor 35 Jahren laufen ließ, hieß Egmont Foregger, der Außenminister Alois Mock. Gemeinsam mit Klestil waren sie die Fluchthelfer für die Mörder aus Teheran.
ORF.at berichtet: „Der damalige Chef der Politischen Sektion des Außenamts, Botschafter Erich Maximilian Schmid, sagte im April 1997 nach seiner Pensionierung in einem TV-Interview, der iranische Botschafter habe „mit ziemlicher Klarheit“ zu verstehen gegeben, dass „es gefährlich werden könnte für die Österreicher im Iran“, sollten die Tatverdächtigen in Österreich vor Gericht gestellt werden.“ Ich habe mir damals die Akten beschafft. Zwölf „Demarchen“ aus dem Außenministerium in Teheran reichten, um die Mörder aus der Wiener U-Haft zu befreien.
Der österreichische Grunddefekt
Die Mörder haben Auftraggeber. Sie sitzen in Teheran und Moskau. Sie kennen den Grunddefekt der österreichischen Justiz: An der Schwelle, ab der es um politisch wichtige Fälle geht, endet der Rechtsstaat. Dort beginnt ein Staat, in dem es ausschließlich um politische Nützlichkeit geht.
Dort verfolgt man in Korruptionsverfahren statt der Täter die Aufdecker; dort lässt man Benko, Sigi Wolf, Karl Heinz Grasser und die anderen Serienunschuldigen so lange laufen, bis der drohende politische Verlust zu groß wird; dort lässt man Putin unsere Telefone abhören, Flüchtlinge verfolgen und ab und zu einen umbringen. Und dort werde ich nach 24 Jahren angeklagt, weil ich im Gegensatz zu vielen anderen meine Pflicht als Abgeordneter erfüllt habe.
Das ist die Justiz von Christian Pilnacek und seinem System. Wer glaubt, dass es mit ihm gestorben ist, täuscht sich. Leiter von Oberstaatsanwaltschaften führen gemeinsam mit Spitzenbeamten im Justizministerium bis heute im Interesse der Österreichischen V-Partei einen erbitterten Kampf gegen den Rechtsstaat, die WKStA und deren Prinzip, dass jeder Paragraf des Strafgesetzbuches für alle gleich gilt.
Effizienz der Verwaltung
Bei der Nationalratswahl im September geht es auch darum. Wenn in Österreich der Ostblock aus FPÖ und ÖVP an die Macht kommt und sich Karl Nehammer fragt, wie er das Strafverfahren der WKStA, in dem die ÖVP-Bundespartei Beschuldigte ist, wegbekommt, muss er nur in den Süden schauen. Dort hat die faschistische Regierungschefin Giorgia Meloni gerade das Delikt des Amtsmissbrauchs abschaffen lassen. Einer ihrer Abgeordneten nennt den Grund: Durch die Abschaffung des Amtsmissbrauchs solle „die Effizienz der öffentlichen Verwaltung verbessert werden“, wie Der Standard berichtet.
Von Moskau über Budapest bis Rom regieren Faschisten als Feinde des Rechtsstaats. In Österreich greifen sie im September nach der Macht. Dann könnte auch hier mit Rechtsstaat, Pressefreiheit und Amtsmissbrauch kurzer Prozess gemacht werden.
Vor Hass verrückt
Während sich Meloni und Orbán ihre Rechtsstaaten vornehmen, ist die Politik in den USA ein weiteres Stück mörderischer geworden. Im Land, das ein zweites Mal für Donald Trump reif scheint, wird die Wut auf den Straßen immer mörderischer. Während bei uns der Hass auf die Politik wächst, werden Menschen in den USA vor Hass verrückt.
Jetzt ist auf den Schutzpatron der Capitol-Mörder geschossen worden. Nichts scheint weiter von den Geheimdienst-Auftragsmorden in Europa entfernt als das Attentat auf Trump. Aber auch in Österreich setzen Politiker zunehmend auf Ausgrenzung und Hass. Herbert Kickl setzt auf dieselben gefährlichen Fanatiker wie Donald Trump.
Wie Österreich waren auch die USA einmal ein Ort, an dem sich fast alle sicher fühlten. Das scheint vorbei.
p.s.: Die Geschichte der russischen Auftragsmorde in Österreich steht hier, in meinem neuen Buch “Ostblock”. Das gibt es in unserem Shop.