Donnerstag, August 29, 2024

“Können dann auf Kiew anstoßen”: Putin-Aktivist Stelzl und seine dubiosen BMI-Kontakte

Der Ex-FPÖler und Kreml-affine Publizist Robert Stelzl pflegt gute Kontakte mit einem hochrangigen, karenzierten BVT-Beamten. Ein geschäftlicher Austausch der beiden zu einem slowakischen Korruptionsskandal wirft Fragen auf. Daneben sind unappetitliche Chats von Stelzl zur Ukraine aufgetaucht.

25. Februar 2022. Der russische Überfall auf die Ukraine läuft seit 24 Stunden, Panzer rollen über die Grenzen, alle größeren Städte stehen unter brutalem Raketenbeschuss, 137 Ukrainerinnen und Ukrainer sterben allein in den ersten Stunden der Invasion. Moskau hat es zu Beginn besonders auf eine schnelle Einnahme Kiews abgesehen und versucht mit Spezialkräften in die Hauptstadt einzudringen.

Am selben Tag chattet Robert Stelzl, früherer Leiter der FPÖ-Parteiakademie und nunmehriger “Publizist”, mit seinem Bekannten S., einem Wiener Detektiv. Stelzl fragt S., ob dieser “Kontakte in den Bereich Sicherheitsdienste und Politik der Slowakei” habe, S. bejaht. Es fallen Namen zu einer großen, slowakischen Korruptionsaffäre – Stelzl deutet ein Geschäft an, bei dem auch der Preis stimmen würde: “Der Klient ist sehr vorsichtig. Wenn wir dazu kommen, dann wird es nicht an einer sehr angemessenen Erfolgsprämie scheitern!”

Die beiden machen sich ein Treffen in den kommenden Tagen aus und man kommt auch auf die Ukraine zu sprechen: “Sonntag ist gut. Wir telefonieren noch. Grüße aus Moskau”, schreibt Detektiv S., der sich an diesem 25. Februar offenbar ausgerechnet in Russland aufhält. Stelzl antwortet: “Sehr gut. Denke wir können dann auf Kiew anstoßen.”

“Auf Kiew anstoßen” – Chats zwischen Stelzl und dem Detektiven S.

Stelzls zynischer Wunsch sollte nicht in Erfüllung gehen – Kiew hält der russischen Aggression bis heute Stand. Doch die Konversation zwischen dem rechten Blogger und dem Detektiv wirft Fragen auf, die sich mittlerweile auch österreichische Ermittler stellen: In der ominösen Geschäftsanbahnung zur Slowakei mischte nämlich noch ein dritter Mann mit, der viele Jahre lang leitender Verfassungsschützer war – es handelt sich um den seit 2018 karenzierten BVT-Mann D,. zu dem medial bislang nichts bekannt war. D. wird in den Chats immer wieder als Involvierter genannt und sollte auch an einem gemeinsamen Treffen teilnehmen.

Warum macht ein österreichischer Staatsschützer gemeinsame Sache mit einem Kreml-affinen Aktivisten? Welche Risiken ergeben sich aus der Verbindung? Und welche Rolle spielt hier der Fall eines flüchtigen, slowakischen Geschäftsmannes mit Polit-Connection?

Treffen sich ein pro-russischer Aktivist, ein Wiener Detektiv und ein karenzierter BVT-Beamter…

Es ist ein bemerkenswertes Trio. Zunächst ist da Robert Stelzl, dessen russische Umtriebe seit Längerem bekannt sind: Er war für die FPÖ aktiv, löste in den 2000ern Herbert Kickl sogar als Geschäftsführer der Parteiakademien ab. Später dockte er beim BZÖ-Politiker Ewald Stadler an, war dessen Mitarbeiter im EU-Parlament.

2014 reiste er als sogenannter “Wahlbeobachter” auf die von Russland völkerrechtswidrig annektiere Krim. Im Jahr 2016 fuhr er erneut auf der Halbinsel, um an einem russischen Wirtschaftsforum teilzunehmen. Neben ihm waren dort der FPÖ-Abgeordnete Alex Kassegger und die frühere FPÖ-Präsidentschaftskandidatin Barbara Rosenkranz zu sehen.

Laut Recherchen des internationalen Journalisten-Netzwerkes OCCRP war Stelzl über Jahre “wichtiger Verbündeter” und Kontaktmann eines Mitarbeiters der russischen Staatsduma, der in Europa sein pro-russisches Netzwerk spannte.

Gegenüber ZackZack macht Stelzl aus seiner Haltung und dem eingangs erwähnten Chat keinen Hehl: “Wie Sie richtig feststellen, wünsche ich mir den erfolgreichen Abschluss der “Spezial Militär Operation“ in der Ukraine, da ich die dafür von Russland genannten Beweggründe gänzlich teile.” Er sieht in der russischen Aggression keinen Krieg gegen die Ukraine, “sondern gegen deren westliche Hintermänner, die diesen Konflikt gänzlich zu verantworten haben.” Ein Sprecher Wladimir Putins hätte es nicht anders formuliert.

Seinen Chatpartner, den Detektiv S., will Stelzl vor Jahren “über die ÖRFG” (Österreich-Russische Freundschaftsgesellschaft, Anm.) kennengelernt haben. Auf eine schriftliche Anfrage von ZackZack reagiert S. nicht – warum er sich ausgerechnet Ende Februar 2022 in Moskau aufhielt, bleibt offen. Im letzten Jahr fand bei dem Detektiv eine Hausdurchsuchung statt. Er wird auch in Ermittlungsakten der AG Fama (sie untersucht Abfluss von Informationen aus dem BMI bzw. mögliche Russland-Spionage, Anm.) als Beschuldigter geführt.

Der Putin-Fan und der Verfassungsschützer

Und dann ist da noch der karenzierte BVT-Beamte D. Er war zunächst bis 2006 im BMI tätig und wechselte danach ins BVT, wo er bis 2018 ein leitender Mitarbeiter im internationalen Bereich war. Aus “privaten Gründen” ging er dann in Karenz, arbeitet seither eigenen Angaben zufolge als Unternehmensberater.

Robert Stelzl sagt gegenüber ZackZack, er sei mit dem Verfassungsschützer “seit wenigen Jahren in guter Bekanntschaft.” D. wiederum erklärt auf ZackZack-Anfrage, man habe sich “über gemeinsame private Bekannte” kennengelernt, ohne weiter ins Detail zu gehen.

Wie der karenzierte Staatsschützer seinen geschäftlichen und privaten Kontakt mit dem rechten Putin-Fan vereinbaren könne? “Ich lege darauf Wert, mich mit Menschen mit unterschiedlichem beruflichen Hintergrund, Herkunft und Überzeugungen zu unterhalten.” Den Krieg in der Ukraine würden Stelzl und er “diametral anders” sehen, beteuert D.

Robert Stelzl auf einer pro-russischen Demonstration in Wien, mit einem T-Shirt, das den russischen Angriffskrieg glorifiziert. Über das Foto hat 2023 als Erstes “profil” berichtet. Quelle: ukrinform.ua

D. meint, er könne “leicht ausschließen”, dass Stelzl über die gemeinsame Verbindung von Kenntnissen oder Kontakten aus dem Sicherheitsapparat profitieren würde. Er sei ja immerhin zur Amtsverschwiegenheit verpflichtet. “Ich weise jegliche Anschuldigung bezüglich eines Bruchs derselben – und sei sie auch nur implizit – auf das Schärfste zurück.”

Doch gerade Unterhaltungen wie die eingangs erwähnte Geschäftsanbahnung zur Slowakei werfen ein schiefes Licht auf den Kontakt zwischen Staatsschützer und dem pro-russischen Blogger. Das mögliche Geschäft dürfte einen äußerst brisanten Hintergrund gehabt haben. Offiziell sagt D. dazu nichts: “Ich unterliege einer Verschwiegenheitspflicht im Hinblick auf Geschäftspartner und Projekte gegenüber Dritten.”

“Fall Vyboh”: Was lief in der Slowakei?

ZackZack liegt jedoch eine Zeugenaussage des karenzierten Verfassungsschützers von April 2024 vor. Dort werden ihm Chats von Stelzl, dem Dektektiv S. und ihm selbst vorgelegt. Laut den Nachrichten vom Frühjahr 2022 erkundigte sich Stelzl bei S. etwa über einen “direkten Kontakt zum Ermittlungsteam”, spricht von der Beschaffung eines “Zweitpasses” und erwähnt, dass BVT-Mann D. “sehr gute Kontakte zu den Diensten” am Balkan habe, “falls benötigt”. Auch von der Reisebewegung einer Person nach Dubai ist die Rede.

Darauf angesprochen erklärte D. dem Ermittler der AG Fama, dass es sich bei den Gesprächen der drei Männer um “das Geschäft bzw. den Fall Vyboh” gehandelt habe.

Ein “Fall Vyboh” lässt aufhorchen – damit ist offensichtlich eine slowakische Korruptionsaffäre gemeint, die bis in höchste Regierungskreise führt. Der Geschäftsmann Miroslav Vyboh wird dort beschuldigt, Bestechungsgelder in Höhe von 150.000 Euro an den slowakischen Ex-Ministerpräsidenten Peter Pellegrini vermittelt zu haben, dazu gibt es bereits eine fertige Anklage. Vyboh aber entzieht sich dem Verfahren und hält sich seit 2021 in Dubai auf.

Der flüchtige slowakische Geschäftsmann Vyboh ist in einen Bestechungsskandal rund um Ex-Premier Pellegrini verwickelt. Foto: Polizei

In den Chats tauchen dann weitere Namen auf, die mit dem “Fall Vyboh” zusammenhängen. So schrieb Stelzl: “Jedes nähere Wissen zu Imrece, Suchoba und Sutka ist von großem Interesse. Spielte die Anwältin Jana Valkova eine relevante Rolle?”

Bei František Imrecze handelt es sich um den frühen Chef der slowakischen Finanzverwaltung; Michael “Suchoba” ist Geschäftsmann – beide Männer sind im erwähnten slowakischen Korruptionsfall ebenfalls Beschuldigte, kooperieren mit den Behörden und belasten den flüchtigen Unternehmer Vyhoba. “Jana Valkova” vertritt Suchoba wiederum als Anwältin.

Chats von Stelzl zeigen die ominöse, slowakische Geschäftsanbahnung mit dem Detektiven S. und dem karenzierten BVT-Mann D.

War das österreichisches Trio hier drauf und dran, Insider-Informationen aus den Ermittlungen zu sammeln, die möglicherweise dem flüchtigen slowakischen Unternehmer zugute kommen sollten? Stelzl war sich der Brisanz des möglichen Auftrages jedenfalls bewusst: “Wir müssen in dieser heiklen Phase auf größtmögliche Diskretion bedacht sein damit nichts zurückschlagen kann. Der Klient ist sehr vorsichtig bezüglich möglicher Fallen”, schrieb er in Chats und sprach von einer möglichen, “sehr angemessene Erfolgsprämie.”

BVT-Mann D. war gegenüber den Ermittlern bemüht, hinsichtlich der Geschäftsanbahnung zu beschwichtigen: “Da die Auftraggeber in Dubai waren, habe ich Stelzl ersucht diese dort zu kontaktieren. Auf jeden Fall kam es dann zu keiner Auftragsvergabe und waren dies nur Vorbereitungshandlungen”, so D. in seiner Einvernahme. Stelzl spielt die Unterhaltungen trotz einer von ihm erwähnten “Erfolgsprämie” noch weiter herunter: “Es handelte sich nicht um Geschäftsbeziehungen, sondern um Gespräche aus durchaus unterschiedlichen Positionen”, meint er zu ZackZack.

An den Anwalt des flüchtigen Geschäftsmannes Vyboh übermittelte ZackZack eine Reihe von Fragen, ob es damals eine derartige Anbahnung/Kontaktaufnahme von ihm oder seinem Umfeld mit den Österreichern gab. Eine Antwort blieb bislang aus.

Dubai, Duma und immer wieder das BVT

Der Ermittlungsstrang zeigt einmal mehr bedenklich geringe Berührungsängste zwischen “alten” BVTlern und mitunter radikalen Kreml-Fans. Man würde meinen, Staatsschützer seien darum bemüht, Putin-freundliche Umtriebe zu beobachten anstatt mit deren Proponenten Geschäfte zu machen. Stelzl sammelte über die Jahre überdies noch Kontakt zu einem weiteren BVT-Mann. Am Landesgericht St. Pölten findet derzeit der Prozess rund um die deutsche “Privatagentin Nina” statt, die einen österreichischen Verfassungsschützer jahrelang für Informationen bezahlt haben soll. Auch in diesen Ermittlungen fiel immer wieder Stelzls Name als Kontaktperson von “Nina” und dem BVT-Beamten.

Auf Nachfrage im Innenministerium, wie man die Aktivitäten des karenzierten Beamten D. bewerte, heißt es knapp, dass “personenbezogene Daten nicht öffentlich beauskunftet werden”. Gegenüber ZackZack meint D., dass er sich eine Rückkehr ins BMI im Jahr 2028 – so lange läuft seine Karenz – vorstellen könne.

Das Milieu aus Ex-Polizisten, Detektiven, dubiosen Unternehmern und Nachrichtenhändlern, die in undurchsichtigen Geschäftsbeziehungen stehen ist jedenfalls auffällig – und wohl größer, als die medial viel beachteten Fälle Egisto Ott und Martin Weiss. Immer wieder spielt der “Fluchtpunkt” Dubai eine Rolle – und immer wieder Russland.


Titelbild: ZackZack- Montage – DANIEL LEAL / AFP / picturedesk.com /Pixabay / ServusTV

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