In der Pariser Peripherie wimmelt es vor anschlagsbereiten Islamisten. Trotzdem sind Polizei und Politik in der Lage, eine Olympiade auszurichten und friedlich durchzuführen.
In Wien wimmelt es nicht. Trotzdem werden die Taylor Swift-Konzerte abgesagt. Warum? Darauf gibt es einige Antworten:
CIA statt DSN
1. Mit den beiden Verdächtigen in Ternitz und Wien gab es eine Gefährdung. Die BVT-Nachfolgerin DSN versucht in solchen Fällen, das Risiko genau abzuschätzen. Die Staatsschützer kamen zum Schluss, dass die Gefährdung nicht ausreicht, um die Konzerte zu untersagen. Aber sie reichte, um die Veranstalter zu warnen.
2. Veranstalter gehen in solchen Fällen selten Risiko ein. Wenn alles ausreichend versichert ist, wird abgesagt. Niemand kann das dem Staatschutz vorwerfen.
3. Aber wie erkennen die Staatsschützer derartige Gefahren? Da gibt es zwei Wege: Quellen und verdeckte Ermittler in den Milieus der Extremisten; und elektronische Überwachung ihrer Kommunikation.
4. In Österreich dürfen Behörden keine Messengerdienste und kein Internet überwachen. Daher tun sie es auch nicht. Die NSA der USA und Putins SWR dürfen das auch nicht. Aber die pfeifen sich nicht um österreichische Gesetze.
5. Daher gibt es ein stilles Übereinkommen zwischen US-Diensten und dem Innenministerium: Die NSA überwacht von Stationen wie den beiden obersten Stockwerken des IZD-Towers neben der UNO-City und vom Dach der US-Botschaft in der Wiener Boltzmanngasse Handys und Internet und wertet aus. Die CIA leitet die Datensätze an die DSN in Wien weiter. Die akute Warnung kam auch diesmal von der CIA.
6. Aus dieser Quelle kam auch das Belastungsmaterial gegen die beiden St. Pöltner Islamisten. Vor Gericht durfte es nicht verwendet werden, aber für Gefährdungsanalysen und Warnungen ist es derzeit unersetzbar, weil unser Verfassungsschutz auf diesem Auge blind ist.
Gefahr “Kickl”
7. Das zweite blinde Auge verdankt unser Verfassungsschutz Herbert Kickl. Dem FPÖ-Chef ist es als Innenminister gelungen, alle 390 Quellen des BVT in den Bereichen „Islamismus“ und „Rechtsextremismus“ mitsamt 15 verdeckter Ermittler des BVT zu zerstören. Eigentlich wollte Kickl nur seine Partei vor den Rechtsextremismus-Ermittlerinnern des BVT schützen. Aber 2018 ist dann alles außer Kontrolle geraten.
8. Die Zerstörung des BVT unter Innenminister Kickl habe ich in meinem Buch „Ostblock“ im Detail geschildert. SPÖ-Abgeordneter Jan Krainer hat dazu gerade eine spannende und detaillierte parlamentarische Anfrage eingebracht.
9. Am Ende war der gesamte österreichische Verfassungsschutz zerstört. Herbert Kickl gilt seitdem nicht nur unter Verfassungsschützern als eine der größten Gefahren für die öffentliche Sicherheit Österreichs.
10. Seit Jahren versucht die DSN, wieder Quellen in den Milieus der Gefährder aufzubauen. Auf diesem Auge beginnt sie wieder verschwommen zu sehen. Auf dem Auge der technischen Überwachung ist sie nach wie vor blind.
Swift-Wahlkampf statt Schutz vor Terror
11. Daher können DSN und BMI im Gegensatz zu DGSN und Polizei in Paris keinen ausreichenden Schutz auch nur für ein einzelnes Konzert im Happel-Stadion geben.
12. Was folgt daraus? Es gibt eine reale Bedrohung durch anschlagbereite Islamisten und Rechtsextremisten. Unser Verfassungsschutz braucht rechtsstaatliche Grundlagen, um hier überwachen und schützen zu können.
13. Gleichzeitig muss der Verfassungsschutz vor Extremisten wie Kickl geschützt werden. Wenn ein Politiker, der gefährliche Extremisten als „NGO“ verharmlost, an die Macht kommt, sind statt der Terroristen plötzlich wieder die Verfassungsschützer in Gefahr.
14. Als nächste droht allerdings kein Kickl-Gau, sondern ein Swift-Wahlkampf der ÖVP. Daher sollte nicht vergessen werden, wie hoch der Anteil von Karl Nehammer am tödlichen Versagen des BVT vor dem islamistischen Allerseelenanschlag im November 2020 in Wien war. Nehammer hätte als Innenminister den Tod von vier Menschen verhindern können und müssen.
15. Seriöse Sicherheitspolitik schützt Menschen vor Terroristen und Rechtsstaat vor seiner Aushöhlung. In einer Republik, die ihre Sicherheit ebenso ernst nimmt wie ihre Verfassung, könnten Taylor Swift-Konzerte auch nach der vorliegenden Warnung ungestört stattfinden. Woanders ist das selbstverständlich.
Titelbild: CHRISTINE OLSSON / AFP / picturedesk.com (Taylor Swift) – Robert Jaeger / APA / picturedesk.com (Stadion)