Samstag, Oktober 12, 2024

Der Angriff auf die Frauenrechte

Scheibchenweise gegen die Fristenlösung: Wie Kickl und Co. über den Körper der Frauen bestimmen wollen.

Vor zwei Wochen begab sich im niederösterreichischen Sankt Pölten etwas Unerhörtes: Ein Mönch, Pater Justin Minkowitsch von den Zisterziensern, trat bei einer FPÖ-Wahlkampfveranstaltung als Redner auf. Derart direkte und unverblümte parteipolitische Intervention für eine Partei im Wahlkampf durch religiöse Amtsträger gilt seit der unheiligen Allianz von Talar und Faschisten mit Recht als tabuisiert. Entsprechend groß war die Kritik am Pater. Herbert Kickl wiederum feierte auf Facebook das etwas schrullige Schäfchen des Herrn begeistert.

Dass der Allmächtige kurz darauf die himmlischen Eimer der Sintflut über Sankt Pölten öffnete, könnte als Nebenaspekt der Causa in Milieus Gottesfürchtiger noch für Verstörung sorgen. Schließlich könnte man in diesen Kreisen die Katastrophe für eine Strafe Gottes für die Verirrung des Kirchenmannes halten.

Was in der Erregung um Kickls Kuttenmann aber weitgehend unterging, war die konkrete Botschaft, die der entrückte Mönch mitbrachte: Die FPÖ sei die einzige Partei, die in Sachen „Lebensschutz“ ein Verbündeter wäre und dafür sei er dieser „unendlich dankbar“.

Die FPÖ und die „Lebensschützer“

Unter „Lebensschutz“ versteht man in ultrakonservativen Parallelgesellschaften die Ablehnung der Fristenlösung. Der Pater ist der FPÖ „unendlich dankbar“, dass sie diese immer wieder angreift und diskreditiert. Der Wunsch: Frauen, die ungewollt schwanger werden, sollten einen Schwangerschaftsabbruch nicht mehr als eine letzte Option in Erwägung ziehen können. Kurzum: Wenn eine Frau schwanger wird, soll sie nicht mehr über ihren Körper bestimmen können. Dann sollen ihr der Herbert oder der Pater Justin Vorschriften machen können.

Keiner täusche sich da: Wo immer Rechtsextreme und Rechtspopulisten an die Schalthebel kommen, wird irgendwann auch die Integrität der Frau über ihren Körper angegriffen. Da das äußerst unpopulär ist, sagen sie das nur nicht immer offen – oder zumindest nicht mit voller Lautstärke. Donald Trump hat seine Präsidentschaft zielstrebig dafür benützt, das Oberste Gericht mit religiösen Fundis zu besetzen, sodass diese die Abtreibung weitgehend verboten haben.

In Polen hat die rechtpopulistische PiS-Regierung die Abtreibung 2020 weitgehend unmöglich gemacht.

Vorbild Ungarn: Abtreibung faktisch unmöglich machen

Als erster Einstieg wird in einigen Ländern die Zwangsteilnahme an mehreren „Beratungsgesprächen“ Gesetz – was dann oft dazu führt, dass sich ein Eingriff in der Zwölf-Wochen-Frist nicht mehr ausgeht. Dieses Gesetz hat etwa Ungarn unter Kickl-Vorbild Viktor Orban verabschiedet. Seither fliehen immer mehr Ungarinnen für Schwangerschaftsabbrüche nach Österreich. In Italien hat die rechtsradikale Meloni-Regierung ebenfalls Zwangsberatung durch Abtreibungsgegner diktiert – betroffene Frauen werden von diesen dann per SMS terrorisiert, dass sie den geplanten Schwangerschaftsabbruch „bereuen werden“.

Diese Zwangsberatungen sind die ersten Einstiege in Abtreibungsverbote, solange diese noch von großen Mehrheiten strikt abgelehnt werden.

Die FPÖ nennt die Fristenlösung eine „ideologische Perversion“, Herbert Kickl sprach einmal von „persönliche Willkür“, und man erinnert sich noch an den kleinen Skandal, als in einem von Norbert Hofer herausgegebenen Buch die Gebärmutter der Frau als „Ort mit der höchsten Sterbewahrscheinlichkeit in unserem Land“ bezeichnet wurde. Hofer selbst hat sich von dem wirren Text nicht distanzieren wollen und hat selbst für Zwangs-„Beratungen“ nach Ungarns Vorbild plädiert.

Hexen, Woke, Emanzen – das Frauenbild der FPÖ

In die Ecke gedrängt, beteuerte Herbert Kickl bei der Konfrontation mit Andreas Babler am Freitag im ORF, die FPÖ habe nicht vor an der Fristenlösung zu rütteln. Aber jeder weiß, was von solchen Aussagen zu halten ist. Vor der Wahl wird Kreide geschluckt, nach der Wahl kommen dann die giftigen Gesetze.

Hat die FPÖ etwas zu reden, sagt sie vor allem den Frauen, was sie zu tun haben und wie sie zu leben haben. Und was sie hinnehmen müssen. Berühmt wurde die Formel der FPÖ-Amstetten: „Frauenhäuser zerstören Ehen“. Feminismus und Frauenemanzipation und ein gewisser Zeitgeist, der heute Diskriminierungen, sexuelle Übergriffe und ähnliches nicht mehr als „Kavaliersdelikt“ abtut, sie gelten ganz allgemein in der FPÖ als Verirrungen des „Woke-Wahnsinns“. Ein reaktionäres Frauenbild ist stets im Hintergrund am Werken und blitzt etwa auf, wenn Leute wie Harald Vilimsky erfolgreiche EU-Politikerinnen ausgerechnet als „Hexen“ tituliert, denen man die Peitsche spüren lassen werde. In Salzburg verhandelte die Partei eine „Heimchen-zurück-an-den Herd“-Prämie in das Regierungsprogramm, also einen finanziellen Anreiz für Frauen, daheim zu bleiben, statt eine Erwerbsarbeit zu ergreifen. Das ist zwar angesichts von Fachkräftemangel ökonomisch fatal, erspart aber der Landesregierung wenigstens Arbeit: Dann muss man sich schließlich nicht mehr darum kümmern, dass mehr Kindergärten gebaut und die Öffnungszeiten frauenfreundlich gestaltet sind.

Titelbild: Miriam Moné

Autor

  • Robert Misik

    Robert Misik ist einer der schärfsten Beobachter einer Politik, die nach links schimpft und nach rechts abrutscht.

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