Dienstag, Januar 21, 2025

Das österreichische Atommüll-Endlager

Auch in Österreich fällt radioaktiver Abfall an. Den will bislang kein Staat für uns aufnehmen. Österreich braucht deshalb selbst bald ein Endlager. Aber wohin bauen?

Obwohl Österreich selbst kein Atomkraftwerk betreibt, fallen jährlich durchschnittlich 300 Tonnen radioaktiver Müll an. Nur rund 65 Tonnen davon sind so problematisch, dass sie zwischengelagert werden müssen, der Rest kann vor allem dank Dekontaminierungsmaßnahmen entschärft werden.

Derzeit wird der radioaktive Müll im niederösterreichischen Seibersdorf zwischengelagert. Langfristig benötigt Österreich jedoch ein Endlager für seine radioaktiven Abfälle. Bisher gibt es nur einen groben Plan dafür.

Plan für ein Endlager

Mit der Entsorgung des atomaren Abfalls ist in Österreich der Entsorgungsbeirat befasst. Der Vorsitz dieses Gremiums wird vom Ministerium für Klimaschutz und Umwelt nominiert. Weitere Mitglieder stammen aus den Bundesländern, der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft. Der Entsorgungsbeirat gibt Studien zur Lagerung des radioaktiven Abfalls in Auftrag und berät die Bundesregierung zur Findung eines Endlagers.

Bisherige Studien sahen die Errichtung eines Endlagers bis 2045 vor. Es soll auf österreichischem Boden stehen. Wie und nach welchen Kriterien das Lager genau gesucht wird, ist noch nicht klar. Bisher gibt es nur Empfehlungen, keinen konkreten Rechtsrahmen.

Doch es kommt Bewegung in die Sache. Nach der Nationalratswahl wurde erstmals ein Inventar des radioaktiven Abfalls herausgegeben. Die Bundesregierung weiß jetzt, wie viel Abfall es überhaupt gibt und welche Kapazitäten das Endlager brauchen wird, um entsprechende Abfälle für hunderte oder tausende Jahre beherbergen zu können.

Zwischenlagerung in Seibersdorf

Der Großteil der radioaktiven Abfälle stammt in Österreich aus der Forschung und dem Rückbau von bestehenden Forschungslabors. Er wird vom Unternehmen „Nuclear Engineering Seibersdorf“ in der Marktgemeinde Seibersdorf südöstlich von Wien zwischengelagert. Und das bis mindestens 2045. Dann läuft der Vertrag mit der Gemeinde Seibersdorf aus. Österreich hat also akuten Zeitdruck. Denn die Suche nach einem Lager für radioaktiven Abfall dauert in der Regel Jahrzehnte. Niemand will den Müll in der Nähe haben. Ob Seibersdorf den Vertrag verlängern würde, ist unklar. Eine entsprechende ZackZack-Anfrage ließ die Gemeinde unbeantwortet.

In solchen Fässern wird Atommüll derzeit zwischengelagert. Bild: “Inventar radioaktiver Abfälle”/Entsorgungsbeirat

Die Lagerung ist für die Republik jedenfalls nicht gratis: „Die Gemeinde Seibersdorf erhält für die Durchführung der Zwischenlagerung vom Bund ein jährliches Lagerentgelt, das vertraglich festgelegt ist und derzeit ca. 1 Million Euro beträgt. Das Lagerentgelt ist wertgesichert; sonstige Erhöhungen sind im Vertrag nicht vorgesehen“, teilt das Klimaschutzministerium auf Anfrage mit.

Die Zeit, ein konkretes Endlager zu finden, drängt also. Einen Projektplan gibt es auch schon. Der vom Entsorgungsbeirat empfohlene Zeit- und Ablaufplan sieht eine Standortentscheidung 2041 vor. Davor findet ein Auswahlverfahren statt, dieses soll Mitte 2033 starten. Die genauen Schritte des Auswahlverfahrens sind derzeit noch nicht festgelegt“, schreibt der Entsorgungsbeirat auf ZackZack-Anfrage. In Wahrheit hat Österreich nur acht Jahre Zeit, den Standort für ein Endlager zu finden. Denn erst 2033 soll das „Endlagergesetz“ fertig sein – die rechtliche Voraussetzung für die Suche nach einem Endlager.

Bild: “Zeit- und Ablaufplan”/Entsorgungsbeirat

Endlager: Österreich 6-mal schneller als Deutschland?

Ein Blick nach Deutschland zeigt, dass dieser Zeitraum sehr optimistisch geschätzt ist. Bei den Nachbarn glaubt man, erst 2074 einen Standort für ein Endlager zu haben. Und das, obwohl man dort schon einen Rechtsrahmen für die Suche hat. Einem detaillierten Projektplan zufolge, der ZackZack vorliegt, dauert alleine die Suche nach einem Standort für ein deutsches Endlager noch 50 Jahre. Eine Mammutaufgabe also, die Österreich in nur acht Jahren bewerkstelligt wissen will. Ist Österreich um so viel schneller als Deutschland? Oder sind die österreichischen Pläne unrealistisch? Das hat ZackZack auch den Entsorgungsbeirat gefragt. Dieser verwies auf die Notwendigkeit eines Tiefenlagers in Deutschland aufgrund abgebrannter Brennelemente von Atomkraftwerken. „In Österreich müssen keine hochradioaktiven Abfälle oder abgebrannte Brennelemente endgelagert werden. Die derzeitigen Empfehlungen des Entsorgungsbeirates hinsichtlich der Optionen für die Endlagerung sieht keine geologische Tiefenlagerung vor. Aus diesem Grund wird davon ausgegangen, dass die Standortsuche weniger komplex sein wird als jene in Deutschland“, so der Entsorgungsbeirat auf Anfrage.

Heinz Smital, Physiker am Institut für Kernforschung an der Universität Wien und auch bei Greenpeace aktiv, betont im Gespräch mit ZackZack die schlechten Erfahrungen, die Deutschland mit der Suche nach einem Endlager gemacht hat. In den späten sechziger Jahren hatte man im ehemaligen Salzbergwerk Asse radioaktiven Müll gelagert. Weil das Salzbergwerk nicht stabil ist, hat man sich in den 2010er-Jahren für die Bergung des Atommülls in Asse entschieden. Die Rückholung allein soll bis zu 7,7 Milliarden Euro kosten. Smital verweist auf die öffentliche Akzeptanz, die ein gründliches Auswahlverfahren, bringen könnte. „Man immunisiert sich gegen fachliche Vorwürfe. Man muss sich sowieso auf Widerstand einstellen – die Frage ist, ob das dann vor Gericht bestand hat.“ Ob Österreich in nur acht Jahren zuwege bringen kann, was in Deutschland 50 Jahre dauern soll? Der Experte ist skeptisch und gibt zu bedenken: „Wie verfügbar sind die geologischen Daten, die für einen geeigneten Endlagerstandort wichtig sind? Sind diese öffentlich verfügbar? Oder wurden Gutachten oftmals von privaten Firmen durchgeführt?“

Parteienstimmen

Auf ZackZack-Anfrage nahmen zwei Parteien im österreichischen Parlament Stellung zur Lagerung von Atommüll in Österreich. Die NEOS sind optimistisch, dass die Vorschläge des Entsorgungsbeirats fruchten werden: Aufgrund der geringen Wahrscheinlichkeit einer bilateralen oder internationalen Lösung sollte – wie vom Entsorgungsrat empfohlen – bis Ende 2027 ein Standortauswahlverfahren erarbeitet werden. Schlussendlich wird sich dadurch herausstellen, welche Standorte geeignet wären. Eine seriöse Antwort der Politik ist zum heutigen Zeitpunkt nicht möglich.“ Man bekennt sich zum verfassungsrechtlichen Verbot der der Errichtung und des Betriebs von Nuklearanlagen zur Energiegewinnung und spricht sich für nukleare Forschung in Österreich aus.

Die Grünen nehmen in ihrer Antwort keine Stellung zum angestrebten Endlager sondern verweisen auf die Zuständigkeit des Klimaschutzministeriums. Man will dem – etwa vom FPÖ-Politiker Norbert Hofer 2022 gelobten – Export von radioaktiven Produkten aus Österreich allerdings einen Riegel vorschieben: „Der Transport von spaltbarem Material für die Energiegewinnung ist laut Bundesverfassungsgesetz für ein atomfreies Österreich verboten.“

Neuere Pläne des Entsorgungsbeirats sehen von der Fertigstellung eines Endlagers bis 2045 ab. Von dem ursprünglichen Plan, bis 2041 einen Standort gefunden zu haben, rückt man aber nicht ab. Die Errichtung soll dann bis 2054 abgeschlossen sein. Bereits 2058 kann dann irgendwo in Österreich radioaktives Material eingelagert werden. Wo genau – das bleibt ein heißes Eisen. Schwer abzusehen, welche Bundesregierung der nächsten Jahre sich daran die Finger verbrennen will.


Titelbild: “Vergleich von Optionen für die Entsorgung schwach- und mittelradioaktiver Abfälle” (Entsorgungsbeirat), Pixabay / Montage ZackZack

Autor

  • Daniel Pilz

    Redakteur bei ZackZack. Studierte Philosophie an der Uni Wien und schreckt auch vor komplexen Themen nicht zurück.

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