Wie sicher sind Jüdinnen und Juden derzeit- weltweit, aber auch in Europa, auch und gerade in Österreich? Diese Kolumne erscheint am 8.10., einen Tag nach dem Jahrestag des unglaublichen Massakers der Hamas. Ich hoffe sehr, dass sie bis dahin nicht obsolet geworden ist durch weitere Terrorangriffe.
Ansteigend vor dem Jahrestag des 7.10. schwappt der staunenden Betrachterin eine sagenhafte antisemitische Welle entgegen, bedrohlich aufgetürmt, so dass sie ein Hokusai sein könnte. Alles ist hier dabei: Kindermordende Judenmonster, Juden und Jüdinnen glauben, sie seien was Besseres, sie sind geldgierig, manipulativ, globalistisch. Jüdinnen haben die (auch von der UN anerkannten, und das will was heißen, denn die UN hat sich nach dem 7.10. nicht gerade mit Ruhm bekleckert) Vergewaltigungen erfunden, überhaupt: Sie sind Nazis, noch besser, gleich Göbbels.
Ein Haufen Nazinachkommen freut sich, endlich die Schuld an Nachkommen der Ermordeten weitergeben zu können. Ein honoriger Herr, der es eigentlich besser wissen sollte, retweetet diese hanebüchene Hetze (und mit ihr auch einige bekannte fake news) auch noch. Österreichische Juden und Jüdinnen sind verantwortlich für Israels Politik und jüdische Studentinnen und Studenten können während einer Donnerstagsdemo (immerhin eine gegen Rechtsextremismus und Faschismus) bei der Rede ihres Vorsitzenden ausgebuht und mit Gebrüll von „Go home!“ und „you´re committing genocide!“ unterbrochen werden, ohne das in dieser Demo groß etwas dagegen passiert. Auch im Nachhinein wird offenbar keine Aussendung gemacht. Das Absurde daran ist, dass sich hier auch noch mit umgekehrten Vorzeichen dieser klassische Witz wiederholt, der gerne gegen Rassismus vorgebracht wird, der Witz nämlich, bei dem auf das „Geh heim, wo du herkommst!“ die gelassene Antwort erfolgt: „Aber was soll ich denn in Gröde in Schleswig-Holstein machen?“ Konkrete Frage also: Wohin soll ein Wiener Jude, der gerade über österreichische Politik spricht, wegen Israels Politik denn gehen, nur weil es ein paar Demonstrierenden die letzten Sicherungen raushaut? Was sagt diese Entwicklung aus? Wie sicher sind Jüdinnen und Juden derzeit- weltweit, aber auch in Europa, auch und gerade in Österreich?
Diese Kolumne erscheint am 8.10., einen Tag nach dem Jahrestag des unglaublichen Massakers der Hamas. Ich hoffe sehr, dass sie bis dahin nicht obsolet geworden ist durch weitere Terrorangriffe. Den Dreck, den es mir täglich in meine Timeline, aber auch in meine Whats App oder mailbox spült, diesen Dreck werden wir als Gesellschaft nicht mehr so leicht wegbekommen. Unter anderem kommen all das von ehemaligen Freunden und Freundinnen. Oder von Menschen, für deren Rechte ich mich eingesetzt habe. Oder von Menschen und Organisationen von denen ich früher wirklich viel hielt. Aber irgendwo ist sie ja doch zu ziehen, diese rote Linie. Ich ahne, wie viele Jüdinnen und Juden sich gerade in Europa sehr verlassen und teils auch verraten fühlen. Ich kann es verstehen.