Samstag, November 2, 2024

Wirbel um Kärntner Lithium-Großprojekt: Kommt keine Umweltprüfung?

Eine australische Firma will Kärntens riesiges Lithium-Vorkommen abbauen und nach Saudi Arabien verschiffen. Laut ZackZack-Recherchen stellte die zuständige Landesbehörde keine UVP-Pflicht für das Großprojekt fest. Die Umweltanwaltschaften von Kärnten und der Steiermark äußern heftige Bedenken.

Seit mittlerweile 13 Jahren sitzt ein australisches Unternehmen namens “European Lithium” auf einem potentiellen Milliardenschatz, der sich auf österreichischem Staatsgebiet befindet. Auf der Kärntner Koralpe, an der Grenze zur Steiermark, wird innerhalb des Berges eines der größten Lithium-Vorkommen Europas vermutet. Der wertvolle, kritische und strategische Rohstoff, der wesentlicher Bestandteil für die Herstellung von E-Autos ist, wurde von heimischen Forschern bereits in den 1980er Jahren entdeckt, damals auch ein Stollen errichtet. Das Vorkommen wurde aber letztlich als nicht rentabel eingeschätzt und für den sagenhaften Preis von nur einem Schilling Anfang der 1990er Jahre “verkauft”.

Kärntner Rohstoff für Saudi Arabien

2011 schlug schließlich das australische Unternehmen zu und erwarb die exklusiven Abbaurechte um 10 Millionen Euro von einer privaten Kärntner Bergbaufirma. Doch der Lithium-Abbau lässt seither auf sich warten. Die Australier führten in den Folgejahren lediglich Probebohrungen durch und wanderten mit ihren Plänen an die amerikanische NASDAQ-Börse. Anfang 2023 entschied man sich schließlich, den Rohstoff zur Gänze nach Saudi Arabien zur Weiterverarbeitung transportieren zu wollen. Dort soll er gewinnbringend verkauft werden. Ursprünglich hieß es seitens des Unternehmens stets, dass die Produktion in Kärnten stattfinden soll und dadurch hunderte Jobs und Wertschöpfung geschaffen werden.

Die vielleicht wichtigste Entscheidung rund um das Großprojekt betrifft allerdings die Frage von möglichen Umweltgefährdungen. European Lithium ist seit Langem der Ansicht, für den Abbau des riesigen Vorkommens keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zu benötigen. Vor gut einem Jahr initiierte das Unternehmen daher ein sogenanntes Feststellungsverfahren beim Land Kärnten. Darin argumentierte man seinen Standpunkt und reichte verschiedene Unterlagen ein. Nun steht das brisante Ergebnis des Verfahrens unmittelbar bevor. Nach ZackZack-Information kam die zuständige Landesbehörde im September zum Schluss, dass das Projekt nicht UVP-pflichtig sei – also eine Entscheidung zugunsten des Unternehmens.

Der unscheinbare Stolleneingang auf rund 1500 Höhenmeter. Foto: Thomas Hoisl

Einwände von Kärntner Umweltanwaltschaft

Bei den anderen, am Verfahren beteiligten Parteien sorgte das Ermittlungsergebnis für Unverständnis. „Wir sind auf dem Standpunkt, dass eine UVP das einzig richtige Verfahren für so eine Art von Projekt ist”, so Rudolf Auernig von der Kärntner Umweltanwaltschaft zu ZackZack. „Leider hat das Ermittlungsverfahren der Behörde nach unseren Informationen ergeben, dass das vom Unternehmen eingereichte Projekt nicht UVP-pflichtig sei. Von unserer Seite wird es nicht goutiert, dass man zu diesem Schluss kommen will.”

Im Zuge des Parteiengehörs hat die Umweltanwaltschaft vor kurzem eine dementsprechende, kritische Stellungnahme abgegeben. Diese wird derzeit geprüft und der endgültige Bescheid danach veröffentlicht. Auernig glaubt aber nicht, dass die Einwände noch etwas an der bevorstehenden Entscheidung ändern wird. „Realistischerweise gehe ich leider nicht davon aus, dass die UVP-Behörde aufgrund unserer Stellungnahme ihre Meinung umkehren und zum gegenteiligen Schluss kommen wird.”

Würde es das Unternehmen mit seinen Plänen ernst meinen und zu einem sicheren und zügigen Ergebnis kommen wollen, sei laut Auernig eine Umweltverträglichkeitsprüfung der logische Weg: „Eine UVP ist kein Verhinderungsverfahren sondern die beste Möglichkeit, so ein Projekt begleitend genehmigen zu können. Rund 97% der UVP-Verfahren werden ja am Ende genehmigt.“ Würde der Abbau nur nach dem Mineralrohstoffgesetz abgehandelt werden, könne auf Themen wie Transportwege, Verkehrsaufkommen oder mögliche Wasserverunreinigungen nicht hinreichend eingegangen werden, befürchtet die Kärntner Umweltanwaltschaft.

Lithium-haltiges Gestein im Kärntner Stollen. Foto: Thomas Hoisl

Umweltanwältin Steiermarks sieht Naturschutzgebiet und Grundwasser in Gefahr

Das Abbaugebiet liegt weit ab vom Schuss auf 1500 Meter Seehöhe, umgeben von steilen Hängen und weiten Nadelwäldern. Nun hat sich auch die steirische Umweltanwältin eingeschaltet, weil der Bergstollen unmittelbar sogar an das Naturschutzgebiet Seekar-Bärental grenze: „Das Naturschutzgebiet ist aus meiner Sicht ganz sicher betroffen, weil der Untertagebau Einfluss auf die Grundwasserströme im Berg haben wird. Die Ablagerungen – Schutt bzw. Bergbauabfall – befinden sich dann im Berg und könnten durch die Bergwässer zu negativen Auswirkungen auf steirischer Seite führen”, so Ute Pöllinger zu ZackZack.

Nachdem sie Mitte September von dem geplanten Vorgehen der Kärntner Landesregierung erfuhr, habe sie “klar und deutlich” schriftliche Einwände eingebracht und Parteienstellung begehrt. Vor allem die beim Abbau geplanten Sprengungen im Berg bereiten der Umweltanwältin Sorge. Weil der Stollen an das Naturschutzgebiet angrenze seien Grabungen und Sprengungen laut Pöllinger in dem entsprechenden Bereich verboten. „Durch das Fehlen einer UVP kann das nicht gewährleistet werden.“

Eine UVP-Pflicht bestehe bei Bergbauprojekten ab einer Größe von über 10 Hektar beanspruchter Flächen. Das Unternehmen versucht durch das kommunizierte Unterschreiten dieser Flächen – es dimensionierte das Projekt auf rund 9,5 Hektar – dem Verfahren zu entgehen. Pöllinger sieht aber einen möglichen Einwand: Bei Betroffenheit von Naturschutzgebieten bestehe eine UVP-Pflicht schon ab fünf Hektar.

Das Naturschutzgebiet Seekar-Bärental. Foto: Christian Pirkl/Creative Commons

Verunsicherung in Gemeinden

Auch die betroffene Kärntner Gemeinde Frantschach hat seit jeher eine UVP gefordert. “Wir haben ebenfalls eine entsprechende Stellungnahme eingebracht und fordern natürlich eine UVP. In dem Verfahren sind wir aber gewissermaßen seit Jahren nur Passagiere. Vom Unternehmen selbst erhalten wir keine Informationen”, so Bürgermeister Günther Vallant von der SPÖ.

Seitens der zuständigen Landesbehörde versucht man zu beschwichtigen: “Es stimmt, dass unser Ermittlungsverfahren ergab, dass keine UVP des eingereichten Projekts notwendig ist. Das hat die Prüfung unserer Sachverständigen so festgestellt”, so Albert Kreiner, Leiter der Abteilung 7, gegenüber ZackZack. Laut Kreiner sei es aber durchaus möglich, dass die Entscheidung nun noch aufgrund der Stellungnahmen der Parteien revidiert wird. Die Kärntner Umweltanwaltschaft hält das wie oben beschrieben aber selbst für unrealistisch. Mit einem entsprechenden Bescheid ist mutmaßlich noch im Oktober zu rechnen.

Das Unternehmen selbst hat seinen Abbaustart immer wieder nach hinten verlegt, zuletzt war die Rede von Ende 2025. Allerdings benötigt European Lithium noch Kapital für die Umsetzung, die Rede ist medial von einer halben Milliarde Euro. ZackZack hat European Lithium um eine Stellungnahme gebeten. Eine Antwort ist bislang ausständig und wird gegebenenfalls ergänzt.


Titelbild: Thomas Hoisl/ZackZack-Montage

Autor

  • Thomas Hoisl

    Ist seit April 2024 bei ZackZack. Arbeitete zuvor u.a. für "profil". Widmet sich oft Sicherheitsthemen oder Korruptionsfällen.

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