Am Donnerstag wird im österreichischen Nationalrat ein neues Präsidium gewählt. Für die FPÖ kandidiert Walter Rosenkranz, der wiederholt Nazis und Neonazis verharmlost und sogar als »Leistungsträger« bezeichnet. Einmal gewählt, kann er weder abgewählt noch abberufen werden.
Die Ersten Nationalratspräsidenten der Zweiten Republik waren fast alle tadellos und unbestritten. Eine Ausnahme bildete Felix Hurdes, der 1958 seine politische Position ausnutzte, um einen Autounfall seines Sohnes, in dessen Folge ein Verletzter starb, zu vertuschen. Es zeigte sich eine gravierende Lücke in der Ordnung des Parlaments: man kann den Präsidenten zwar wählen, aber auch mit gleicher Mehrheit nicht mehr abwählen. Im Fall von Hurdes erledigte sich das: 1959 trat er zurück.
Doch die politische Ethik ist im Sinkflug. Wolfgang Sobotka, heute noch Erster Präsident des Nationalrats und damit zweithöchster Repräsentant der Republik, ließ sich von zahlreichen Korruptionsskandalen, in die er verstrickt ist, nicht beirren.
Nicht zurückgetreten
Das Magazin DOSSIER hat alle diese Skandale in einer Ausgabe zusammengefasst und beleuchtet. Ein lesenswertes Heft, in dem – neben der Verstrickung in viele Skandale – Julia Herrnböck auch über die Verstrickung Sobotkas in die Inseratenaffäre berichtet:
Dank einer Vereinskonstruktion müssen Geldflüsse für jene Inserate nicht offengelegt werden, die damals von ÖVP-nahen Unternehmen in dem Magazin geschaltet werden. Sobotka, zu dem Zeitpunkt auch NÖAAB-Obmann, nutzt das Magazin also geschickt für indirekte Parteienfinanzierung. Ein Händchen beweist der Minister auch, wenn es darum geht, die Werbeausgaben des Innenministeriums (BMI) in die Höhe zu treiben. Just in den Monaten vor der Nationalratswahl 2017 geht das Füllhorn auf: Abgesehen vom Finanzministerium gibt damals kein anderes Ministerium mehr Geld für Inserate aus als das Innenressort.
Den Boden für Rechtsextremismus bereitet
Wolfgang Sobotka ist nicht zurückgetreten und hat mit der ÖVP den Boden für den Rechtsextremismus bereitet. Und während er in ein paar Tagen verabschiedet wird und alle Skandale erfolgreich ausgesessen hat, steht nun im Raum, dass ein Mann nachrückt, bei dem es mit dem anti-faschistischen Konsens in der zweiten Republik nicht weit her ist.
Walter Rosenkranz ist Mitglied der deutschnationalen Wiener akademischen Burschenschaft Libertas. Die hat dem BfJ, dem Bund freier Jugend, der den Untergang des Dritten Reiches beklagt und für seine einschlägige neonazistische Ausrichtung Polizei und Justiz bekannt ist, 2006 den Carl von Hochenegg-Preis »für herausragende Taten im Sinne des national-freiheitlichen Gedankens« verliehen.
»Leistungsträger in Österreich«
Rosenkranz ist Autor einer Liste von »Burschenschaftern als Leistungsträger in Österreich zwischen 1918 und 1938«. Darauf finden sich drei Nationalsozialisten: Johann Stich, Mirko Jelusich und Hans Giebisch.
All das wird nicht verhindern können, dass Rosenkranz Erster Nationalratspräsident wird. Die Abgeordneten müssen bei der Wahl ihr eigenes Gewissen befragen. Der anti-faschistische Konsens der Zweiten Republik steht auf dem Spiel. Ist Rosenkranz gewählt, gibt es in dieser Legislaturperiode keinen Weg zurück. Lisa Nimmervoll in Der Standard:
Sollte Rosenkranz Präsident des Nationalrats werden, wäre es quasi eine Präsidentschaft im zweiten Anlauf. Denn als Bundespräsidentschaftskandidat war er 2022 mit 17,7 Prozent der Stimmen dem wieder kandidierenden Amtsinhaber Van der Bellen, der auf 56,7 Prozent kam, klar unterlegen. Als Nationalratspräsident hätte er protokollarisch das zweithöchste Amt im Staat inne – und das unglaublich stark abgesichert: Keine Abwahl, kein Misstrauensantrag, keine Amtsenthebung durch den Bundespräsidenten und auch keine Anklage vor dem Verfassungsgericht sind gegen ihn möglich.