Jetzt haben wir also einen Nationalratspräsidenten, der das Parlament für rechtsextreme Shit-Shows missbraucht. Wer den Radikalen die Tür öffnet, gibt den Schlüssel aus der Hand.
Sollte irgendjemand gedacht haben, dass ein FPÖ-Rechtsaußen, nur weil er den Eindruck erweckt, dass er mit Messer und Gabel essen kann, das Amt des Nationalratspräsidenten auf ehrbare Weise ausüben wird – er wurde faktisch innerhalb von 72 Stunden nach der Wahl eines Besseren belehrt.
Orbán und Burschenschaften salonfähig gemacht
Viktor Orbán wird der rote Teppich ins Parlament ausgerollt, dem rechtsextremen Sender AUF1 und deren Verschwörungsirren wurde ein Interview gegeben, und im Fernsehen erklärte der schmissige Herr die Burschenschaften als „unverzichtbar“.
Das Amt des Parlamentspräsidenten wird ab jetzt für rechtsextreme Show und Agitation missbraucht.
Der Vertreter einer 28,8-Prozent-Partei, dem man diese herausgehobene Position völlig unnötig überlassen hat, nimmt restlos schambefreit alle anderen Abgeordneten und die Demokratie in Österreich in Geiselhaft für seine Propaganda-Shit-Show.
Das haben wir in etwa so notwendig gebraucht wie Prostatakrebs oder ein Magengeschwür.
Das Gesicht der Freiheitlichen
Jetzt haben wir also einen Parlamentspräsidenten, der Nazi-Kriegsverbrecher „Leistungsträger“ nannte, der einen fanatischen Antisemiten einstmals als Vorbild bezeichnete, der in einem Text den Judenhass der Burschenschaften als „Reaktion“ auf die überdurchschnittlich hohe Zahl an Juden an den Universitäten trivialisierte und der, einmal im Amt, sich nicht am Riemen der Vernünftigkeit reißt, sondern von gegenteiligen Gefühlswallungen beseelt ist, nämlich: Juhu, jetzt bin ich gewählt, jetzt kann ich ungeniert vom Leder ziehen. Abwählen kann man mich ja nicht (jedenfalls solange eine solche Abwahlmöglichkeit nicht eingeführt wird).
Wenn an dieser ganzen Misslichkeit etwas Gutes ist, dann das: Wer glaubt, es gäbe in der FPÖ „Moderate“, die ein Amt sachlich und normal ausfüllen würden, der wird jetzt gleich bei erster Gelegenheit eines Besseren belehrt. Reichst du ihnen den kleinen Finger, wirst du mit Haut und Haaren verdaut. Etwaige Schlaumeier in der Volkspartei, die doch noch ein Bündnis mit der Kickltruppe ersehnen, darf das bitte ausreichend ernüchtern.
Und sei es nur aus folgendem Grund: Wenn man mit denen koaliert, wird man nahezu täglich mit einem „Einzelfall“ an Extremismus, Naziverniedlichung und rechtsradikaler Provokation konfrontiert sein. Die kann man eine Zeit lang versuchen wegzuschweigen, man kann sie kleinreden, so wie das Sebastian Kurz in seiner Ibiza-Koalition versucht hat. Aber nach einigen Monaten in der Mühle des täglichen Wahnsinns bist du mürbe.
Und dabei hat die FPÖ noch ihren „herzeigbarsten“ Kandidaten für dieses Amt ausgewählt, gewissermaßen als vertrauensbildende Maßnahme, einen Kandidaten, der auf süßlich-verlogene Weise tut, einen Blick wie ein Pudel aufsetzt und auszustrahlen versucht: „Radikal? Ich? Ich doch nicht!“ Aber wenn das schon die zivilisierten Figuren in der FPÖ sind, dann will man die anderen besser nicht näher kennenlernen. Man gilt dort schon als gemäßigt, wenn man nicht rumschreit und andere Leute unflätig und obszön beschimpft. Bei der FPÖ wird nicht Biedermann und Brandstifter gegeben, den Auftritt hat der Biedermann als Brandstifter.
Stinkbomben des Sebastian K.
Herzig war die Woche auch die Wortmeldung von Sebastian Kurz, der den Bundespräsidenten „mangelnden Respekt für politisch Andersdenkende“ vorwarf. Ein Mann, der in erster Instanz verurteilt ist und dem weitere Verfahren bevorstehen, der uns 2017 mit dem Slogan „Zeit für Neues“ kam – seither geht es mit dem Land steil bergab –, der im ungezügelten Machtrausch das Land noch mehr in einen Korruptionssumpf verwandelte, als das sowieso schon der Fall war – ja, der ist sicherlich die Person, von der noch irgendjemand Ratschläge benötigt. Ganz sicher. Noch ein paar gute Ratschläge von dem und Österreich darf sich in Fragen von Lebens- und Demokratiequalität mit Weißrussland messen.
Extremisten ausgrenzen
Wer die Extremisten verniedlicht, die rabiaten Schreihälse wie die verlogenen Süßholzraspler, besorgt nicht nur ihr Geschäft, er akzeptiert das tägliche Gift und die gesellschaftliche Klimakatastrophe, er kapituliert vor dem Hass und wird dann auch feststellen, dass Appeasement nicht funktioniert. Wer diese Leute normalisiert, öffnet ihnen nicht die Tür, sondern ein riesengroßes Scheunentor. Die ÖVP fährt gerade die Ernte dieser Strategie ein, die selbst unter den Gesichtspunkten des zynischen Eigeninteresses völlig kontraproduktiv ist. Die FPÖ-Wahlergebnisse in den Bundesländern, in denen sie sich in die Arme der Landbauers, Svazeks und Co. geworfen hat, geben davon Zeugnis ab. Man hält die Extremisten mit Anbiederung nicht klein, man macht sie groß.