Drei Affären belasten die Regierungsverhandlungen mit der SPÖ. Für einige in der ÖVP geht es um alles. Daher geht es von „Pilnacek“ bis „Benko“ um das Justizministerium.
Drei Namen stehen für drei Jahrestage und drei Skandale: „Pilnacek“ für einen Todesfall, der bis heute nicht geklärt ist; „Benko“ für die größte Pleite der 2. Republik; und „Nehammer“ für die Toten des Allerseelenanschlages, die er als Innenminister zu verantworten hatte. Alle drei sind bis heute nicht aufgearbeitet.
Pilnacek
Christian Pilnacek lag am 20. Oktober 2023 tot in einem Altarm der Donau gegenüber von Dürnstein in der Wachau. Bis heute weiß man nicht, wie Pilnacek ins Wasser gekommen ist, aus einem einfachen Grund: Die Staatsanwaltschaft hat dem Landeskriminalamt freie Hand gelassen. Die Polizisten aus St. Pölten haben das genützt und statt der Todesursache Datenträger gesucht. Sie haben zugelassen, dass Spuren verwischt wurden und Beweismittel verschwanden.
Diese „Ermittlungen“ leitete Chefinspektor Hannes Fellner, der Chef der Gruppe „Leib und Leben“ im Landeskriminalamt Niederösterreich. Am 3. April 2024 ließ eine Oberstaatsanwältin der WKStA Fellner als Beschuldigten eintragen. Der Vorwurf gegen ihn, einen zweiten Beamten und „unbekannte Täter“ lautet „Amtsmissbrauch“.
Im Mittelpunkt der „Ermittlungen“ und Vertuschungen stand das private Pilnacek-Handy. Darauf fanden sich Namen und Nachrichten von ÖVP-Granden und Pilnaceks Komplizen in der Justiz. Für wen hatte Pilnacek Verfahren „daschlogn“? Über wen wusste er zuviel? Und wem drohte er in der Nacht vor seinem Tod mit den zahlreichen Botschaften, die er über WhatsApp versandte?
Die Kriminalpolizisten hat das ebenso wenig interessiert wie die Kremser Staatsanwälte. Sie verkündeten „Selbstmord“ und machten den Akt dicht.
ZackZack hat ihn wieder aufgemacht. Auch uns hat überrascht, wie heftig die Reaktionen darauf waren. Chefinspektor Fellner hat uns ebenso geklagt wie Pilnaceks Witwe, die bekannte Grazer Gerichtspräsidentin. Wir werden die Wahrheitsbeweise in jedem einzelnen Fall antreten.
Der Termin des Fellner-Prozesses ist verschoben worden, weil der Richter Vater wurde. Ich freue mich auf den nächsten Termin, aus einem einfachen Grund: In dem Verfahren gegen ZackZack steht Chefinspektor Fellner unter Wahrheitspflicht. Das ist gut und verspricht viel.
Benko
Als Pilnacek starb, ging die Talfahrt der Benko-Unternehmen gerade in den Absturz über. Jetzt bricht alles im Konkurs zusammen. Einige der Trümmer bedrohen die ÖVP. Damit beginnt die Phase der Trümmerumlenkung.
Der Konkurs trifft Großbanken des Raiffeisen-Sektors. Aber er trifft auch die Kontrolle, in der von Finanzmarktaufsicht bis Nationalbank alle versagt haben. Benko stand hinter Sebastian Kurz und seiner ÖVP. Aber wie sehr stand die ÖVP hinter Benko? Was passierte im Finanzministerium unter Magnus Brunner rund um Thomas Schmid und Sektionschef Eduard Müller? Und warum wurde mit Müller einer der wichtigsten Benko-Komplizen im Februar 2020 zum Chef der Finanzmarktaufsicht gemacht?
Mit ihrem Russland-Geschäft ist Raiffeisen Bank International RBI nach wie vor in Lebensgefahr. Die Benko-Milliarden könnten ihr den letzten Stoß geben.
Wie bekommt man mit der Affäre „Pilnacek“ auch die Affäre „Benko“ möglichst weit von der ÖVP weg? Das sind zwei Fragen, die in der nächsten Regierung und im nächsten Justizministerium entschieden werden.
Allerseelenanschlag
Dazu kommt einer von Nehammers persönlichen Fällen. Der andere, die „Cobra Libre“-Affäre mit den betrunkenen Personenschützern in der Nehammer-Wohnung, ist längst ausgesessen und „daschlogn“. Auf Instagram erinnerte Karl Nehammer gestern an den islamistischen Allerseelenanschlag vor vier Jahren: „Es war ein Angriff auf unsere Freiheit und unser Lebensmodell, der vier unschuldigen Menschen das Leben gekostet hat.“
Eines schrieb er nicht dazu: Hätten seine Beamten die vielen Hinweise auf die Vorbereitungen von der Kalaschnikow-Munitionsbeschaffung bis zu den Kontakten zum IS ernst genommen, wären die vier Unschuldigen noch am Leben. Innenminister Nehammer trägt bis heute die persönliche und politische Verantwortung dafür.
Thomas Hoisl hat dazu gestern auf ZackZack ein bemerkenswertes Interview mit dem Terror-Experten Moussa Al-Hassan Diaw veröffentlicht.
SPÖ und Neos
Wenn Andreas Babler mit seinen Parteifreunden am Nehammer-Tisch Platz nimmt, sollte er sich über eines klar sein: Für die ÖVP-Verhandler steht mehr am Spiel als für ihre Gegenüber aus der SPÖ. Nehammer und seine Unterstützer müssen aus den Verhandlungen vor allem eines mitbringen: Sicherheit für das eigenen Lager von Raiffeisen bis zur Partei.
Dazu braucht die ÖVP zum Innenministerium erstmals das Justizministerium dazu. Aber die ÖVP bröckelt Nehammer zwischen den Fingern weg. Mit Karoline Edtstadler ist eine Kandidatin für die Zadić-Nachfolge gestern von Bord gegangen. Sie will nur noch „einfache ÖVP-Abgeordnete“ sein. In der ÖVP ist das meist eine Ankündigung, dass jemand den Kopf des Parteichefs will.
SPÖ und später auch Neos werden in den Regierungsverhandlungen schnell vor einer Frage stehen: Machen sie der ÖVP die Mauer oder schützen sie die WKStA vor ihrer größten politischen Feindin?
Wenn die SPÖ der ÖVP das Justizministerium überlässt, hüpft sie in ihr politisches Grab. Wenn sie nein sagt, steht schon die FPÖ vor der Tür. Die gibt zumindest das verlässlich billiger.
Hier geht es zum Hoisl-Interview mit dem Deradikalisierungsexperten Moussa Al-Hassan Diaw von DERAD.