Karoline Edtstadler tritt zurück, um sich auf den Rücktritt von Karl Nehammer vorzubereiten.
Es gibt Aktionen, die sind so durchsichtig, dass sie niemand durchschaut. Karoline Edtstadler zeigt gerade, wie das geht, nämlich so:
Projekt „Karo“ in 4 Stufen:
In vier Stufen wird aus dem Nehammer-Opfer die Nehammer-Nachfolgerin.
Stufe 1: die Enttäuschung
Edtstadler wollte EU-Kommissarin werden. Mit der Sabotage des österreichischen Klimaplans hatte sie ihrer Partei gezeigt, wozu sie fähig ist. Aber das war nicht genug. Nehammer zog den braven Magnus Brunner der ehrgeizigen Europaministerin vor.
Stufe 2: Rückzug in die Kanzlei
Edtstadler nimmt in der Krone ihren Hut: „Die Juristin wird als Abgeordnete im Parlament bleiben und eine Anwaltskanzlei in Salzburg aufbauen.“ Dazu fehlt ihr allerdings noch ein Detail: eine Eintragung im österreichischen Rechtsanwaltsverzeichnis.
Verfügt Edtstadler über alle Voraussetzungen zur Ausübung des Berufs? Und: Hat sie schon den Antrag auf Eintragung in das Verzeichnis österreichischer Rechtsanwältinnen gestellt? Edtstadlers Antworten auf diese ZackZack-Fragen stehen noch aus.
Laut Homepage des Parlaments soll sie jedenfalls die für die Eintragung erforderliche Rechtsanwaltsergänzungsprüfung abgelegt haben.
Auch wenn das am Ende keine Kanzlei wird, eines ist es schon jetzt: die Pole Position für den Tag danach.
Stufe 3: Nehammer scheitert
Karl Nehammer hat alles auf eine Karte gesetzt: gegen Kickl, mit der SPÖ. Fast alles spricht für sein Scheitern:
- sein schwächstes Team aller ÖVP-Zeiten mit Tanner, Plakolm, Stocker, Raab, Wöginger und Karner;
- die Unvereinbarkeit einer ÖVP, die weitgehend FPÖ-Programme übernommen hat, mit einer SPÖ, die zurück zu ihren Wurzeln will;
- und eine FPÖ, die nur wartet, bis sie die Steiermark gewonnen und damit die nächste Weiche auf „Blau“ gestellt hat.
Edtstadler weiß, dass zweierlei passieren kann: Die Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP und SPÖ scheitern sofort – oder die Regierung selbst scheitert etwas später.
Früher oder später ist die Bahn frei für den Rechtsblock zwischen FPÖ und ÖVP.
Stufe 4: Edtstadlers Rückkehr
Karoline Edtstadler ist dann die einzige Spitzenpolitikerin der ÖVP, die ohne die Beulen des Scheiterns dasteht. Zuerst wird wohl Conny Bischofsberger ein Porträt der neuen, alten Zukunftshoffnung der ÖVP verfassen. Dann beginnt die Zukunft.
Bis dahin könnte die FPÖ bereit sein, der ÖVP den Platz an der Spitze zu überlassen.
Aber vielleicht geht es inzwischen für viele in der ÖVP nicht mehr darum, politisch auf großem, sondern persönlich auf freiem Fuß zu leben. In diesem Fall könnte eine Justizministerin Edtstadler allererste Wahl sein.
Den Kanzler könnte man dann der FPÖ überlassen.
p.s.: Ich erinnere mich noch gut, wie mir Alma Zadić im Frühsommer 2019 berichtete, dass sie sich aus der Politik zurückziehe und nicht mehr kandidieren werde, weil sie gerade ihre neue Kanzlei aufbaue. Der Rest ist die bekannte Geschichte.
Bericht ergänzt um 14.00 Uhr.
Titelbild: Christopher Glanzl/ZackZack-Montage