Mittwoch, Dezember 11, 2024

Wenn der neue Faschismus kommt

Trump sagt, was er machen will. Man sollte es ihm glauben. Die bevorstehende US-Wahl ist eine Weichenstellung zwischen Demokratie und Autokratie in einem Staat, dessen reiche demokratische Tradition seit Trump im Wachkoma liegt.

Wenn dieser Tag auf der anderen Seite der Welt zu Ende geht, wird Amerika gewählt haben. Man wird gewählt haben zwischen Demokratie und Autokratie. Zwischen Hass und Besonnenheit. Zwischen Misogynie und Frauenstärken. Zwischen Oligarchenpower und der Gleichberechtigung aller Bürger und Bürgerinnen. Zwischen legalem Recht, über den eigenen Körper zu bestimmen und der Engelmacherin. Zwischen einem verurteilten Verbrecher und einer erfahrenen Politikerin. Man könnte meinen, Anbetracht solcher Aufzählungen wäre der Wahlausgang völlig klar. Jedoch: nein, das Schicksal Amerikas und auch daraus folgend der übrigen Welt, jedenfalls aber Europas, hängt an einem seidenen Faden. Und das wiederum zwingt zu der Frage, wie so etwas möglich wurde, wie es dazu kam, dass eine Demokratie wie jene in Amerika von innen heraus so weit ausgehöhlt und verwischt worden ist, dass eine solche Wahl überhaupt ansteht.

Eine Wahl, in der einer der unterstützenden Billionäre folgenlos „Witze“ über ein Attentat auf die amtierende Vizepräsidentin machen kann. Eine Wahl, die von derartig leicht widerlegbaren Lügen, die der Expräsident Trump täglich aus seinem orangeumrandeten Schlund in die Welt herauskotzen kann. Eine Wahl, in der jener Mensch, der für  Insurrection und den Sturm auf das Capitol am 6. Januar 2021 verantwortlich zeichnet, überhaupt jemals wieder antreten durfte- trotz Evidenz über seine Verwicklungen mit Russland, trotz gewaltvoller Drohungen gegen seine Konkurrenten und Konkurrentinnen, trotz Verurteilung wegen sexueller Gewalt- und trotz der Sprüche, in denen er weitere sexuelle Gewalt ankündigt- und last but not least trotz der offensichtlichen und sehr realistischen Möglichkeit, dass er erpresst wird. Und, um die Kirsche auf dieser saftigen Torte zu bilden, trotz der eindeutig faschistischen Einstellung und eindeutig faschistischen wordings, trotz der freimütigen Ankündigung, eine Diktatur zu errichten, die sich vermutlich irgendwo zwischen Handmaids Tale und Mein Kampf einpendeln würde.

Trump sagt, was er machen will. Man sollte es ihm glauben. Das ist eine der beiden Seiten der Medaille. Die andere Seite ist, dass die Demokratie, die ihm entgegensteht, nicht besonders gut beschützt und gepflegt wurde. Trump ist das endgültige Ergebnis dieser Entpflegung und nicht ihr Anfang. Er wird zudem ein demokratisches Ergebnis, das ihm nicht passt, nicht akzeptieren. Er bereitet schon jetzt Unruhen vor, sollte er verlieren. Es ist ein langer Weg zurück zu dem, was früher ein durchschnittlich normaler demokratischer Prozess gewesen ist. Oder das Ende dieses Prozesses.


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Titelbild: Miriam Moné

Autor

  • Julya Rabinowich

    Julya Rabinowich ist eine der bedeutendsten österreichischen Autorinnen. Bei uns blickt sie in die Abgründe der Republik.

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