Der gegen Egisto Ott und Hans-Jörg Jenewein laufende Prozess ist Nebenschauplatz einer wohl viel größeren Spionageaffäre. Gegen einen entscheidenden Hintermann regten Ermittler erst viel später Fahndungsmaßnahmen an, als bislang bekannt war.
Der Ton war schlecht, die Stimmung gereizt, als am Mittwoch Egisto Ott und Hans-Jörg Jenewein im Großen Schwurgerichtssaal Platz nahmen. Der prunkvolle Saal ist für seine mangelhafte Akustik bekannt, aufgrund des Medienaufkommens aber notwendig.
Sichtlich verstimmt gaben sich auch die beiden Angeklagten, der Ex-BVT-Mann und der einst gewichtige FPÖ-Politiker. “Es war keine gute Idee, was wollen’s jetzt noch von mir?”, empörte sich Jenewein über wiederholte Vorhalte von Richter Andreas Böhm, dass er als FPÖ-Fraktionsführer in U-Ausschüssen mehrmals Auskunftspersonen heimlich und verbotenerweise fotografiert habe. “Ich kann den Staatsanwalt nicht in Ruhe lassen, er lässt mich ja auch nicht in Ruhe!”, polterte es wiederum seitens Ott, der sich als Opfer der Ermittlungsbehörden darstellte und immer wieder gegen diese austeilte.
Im Gerichtsprozess, der am heutigen Freitag fortgesetzt wird, geht es jedenfalls eher um ein bedenkliches Sittenbild, als um Kapitalverbrechen: Die beiden Männer, auch privat miteinander befreundet, tauschten sich rund um U-Ausschüsse und den Ibiza-Skandal in Chats aus und schickten sich Infos, die laut Staatsanwaltschaft einen Bruch des Amtsgeheimnisses darstellen – ZackZack berichtete. Hinter diesem Verfahren steht freilich eine viel größere Frage: Nämlich, ob Teile des heimischen Verfassungsschutzes für russische Geheimdienste zuarbeiteten und spionierten. Das werden weitere Prozesse klären müssen.
Agent Marsalek wurde als Wunderwuzzi hofiert
Ermittlungen gegen Ott begannen dazu bereits 2017. Sieben Jahre später ist der Kenntnisstand ein ganz anderer – und, so undurchsichtig und rabiat der Kärntner auftreten mag, der Chefinspektor ist nicht die entscheidendste Nummer in der Causa.
Prominent im Zentrum steht der frühere Wirecard-Manager Jan Marsalek, der im Juni 2020 von Bad Vöslau aus nach Russland türmen konnte. Laut Spiegel-Recherchen soll Marsalek bereits 2013 an russische Geheimdienste angedockt sein. Heuer im Juni deckte ZackZack dann auf, dass es aus seinem Wirecard-Firmenkonstrukt schon im September 2017 zu dubiosen Überweisungen von knapp 500.000 Euro für “austrian spies” gekommen ist. Die Ermittlungen dazu laufen.
Wir sprechen hier von einer Zeit, in der Marsalek also einerseits mit dem russischem Geheimdienst verwoben war und gleichzeitig von der heimischen Politik und dem Innenministerium als Wunderwuzzi-Manager hofiert wurde: Ehemalige schwarze BMI-Kabinettsmitglieder wie Wolfgang Gattringer machten mit Marsalek ab 2016 Geschäfte mit Russland-Bezug; besonders Johann Gudenus pflegte mit Marsalek guten Kontakt und fädelte wichtige Treffen ein – etwa mit Heinz-Christian Strache Ende 2017 oder in Herbert Kickls Innenministerium im Sommer 2018. Legendär ist ein Abendessen in Moskau im Mai 2017, als direkt neben Marsalek Wolfgang Sobotka saß.
Seit heuer spricht man vor allem über Vorkommnisse rund um den Investigativjournalisten Christo Grozev, die sich freilich mehr als verstörend darstellen: Ein Team bulgarisch-stämmiger Spione soll, von Marsalek gesteuert, im Sommer 2022 in Grozevs Wiener Wohnung eingebrochen sein. Hier spannt sich auch der Bogen zurück zu Ott. Dieser machte nämlich im März 2021 eine Meldeabfrage zu Grozev und wird von Ermittlern deshalb als Teil des russischen Agentenplots gesehen.
Die Idee für die Abfrage war jedoch nicht auf Otts Mist gewachsen, sondern wurde offenbar von Marsalek-Intimus Martin Weiss angestoßen. Weiss war jahrelang mächtiger Abteilungsleiter im BVT und Otts Vorgesetzter, ließ sich ab 2018 karenzieren um für Jan Marsalek zu arbeiten. Im Dezember 2020 fragte Weiss Ott dann per Chat, ob er nicht eine Abfrage zu Grozev durchführen könne, was dieser letztlich auch tat und dafür gehörig in Erklärungsnot steht.
Martin Weiss ließ man ziehen – und erst zweieinhalb Jahre später nach ihm fahnden
Doch während Ott seither bereits zweimal für insgesamt mehrere Monate in U-Haft kam, blieb Weiss davon verschont. Im Jänner 2021 wurde er zwar festgenommen, kam aber nach wenigen Tagen frei. Er versprach, mit den Behörden zu kooperieren und greifbar zu bleiben. Bereits wenige Wochen später setzte er sich aber nach Dubai ab und kehrte nicht mehr nach Österreich zurück. Später tauchten Chats von Marsalek auf, in denen er sich rühmte, er habe seinen “österreichischen Mann evakuiert”.
Den heimischen Ermittlern der sogenannten “AG Fama” fiel laut ZackZack vorliegender Akten bereits im April 2021 auf, dass Weiss Ladungen nicht folgte – doch Fahndungsmaßnahmen blieben aus. Im Jahr 2022 reiste Weiss dagegen sehr wohl nach München zu einer Einvernahme im Zusammenhang mit den Wirecard-Ermittlungen. Via profil mokierten sich deshalb heuer im April ungenannte “Ermittlerkreise”, dass man damals von München nicht informiert worden sei. “Damals fahndete Österreichs bereits nach Weiss“, schrieb das Nachrichtenmagazin.
Allerdings zeigt nun ein ZackZack vorliegender Amtsvermerk, dass das so wohl nicht stimmen kann: In dem Schriftstück, gezeichnet von AG Fama-Chef Stefan Pfandler, regte man erst am 6. September 2023 an, dass Fahndungsmaßnahmen gegen Weiss erlassen werden sollten. Einmal mehr war Weiss Ladungen nicht nachgekommen:
“Da der Aufenthaltsort von Jan MARSALEK unbekannt ist und der Aufenthaltsort von Mag. Martin WEISS sich in Dubai, Vereinigten Arabischen Emiraten, befindet, wird ho. angeregt, die Einleitung entsprechender Fahndungsmaßnahmen anzuordnen.“
Das bedeutet, dass die heimischen Ermittler ganze zweieinhalb Jahre Zeit verstreichen ließen, um die Maßnahmen gegen den Dubai-Flüchtling zu erwirken. Und: Wären diese tatsächlich vor Weiss’ München-Trip erlassen worden, hätten die deutschen Behörden natürlich darauf entsprechend reagieren müssen. Auch die Münchner Staatsanwaltschaft teilte ZackZack dazu mit: “Von einer etwaigen Fahndung seitens der österreichischen Behörden war und ist der Staatsanwaltschaft München I, abgesehen von Medienberichten, nichts bekannt.”
Zeugenbefragung am Freitag
Somit bleiben die Schlüsselfiguren in der mutmaßlichen Spionageaffäre weiterhin unbehelligt und auf der Flucht. Für den heute fortgesetzten Prozess würden sie vermutlich ohnehin nichts beitragen können. Als Zeugen geladen sind am Freitag dafür einstige Mitarbeiter des Ex-FPÖ-Politikers Jenewein und – schon etwas spannender – der frühere Mitarbeiter des BVT Anton H., der mit Ott sowie Weiss stets in gutem Einvernehmen stand. Auf einen erkrankten Zeugen wurde am Mittwoch verzichtet, ob daher schon am Freitag ein Urteil ergehen wird, bleibt offen.
Update 11:45: Nach Vorbringen des Anwaltes von Hans-Jörg Jenewein wird geprüft, ob etwaige Aufhebungen von Jeneweins früherer parlamentarischer Immunität in Zusammenhang mit dem Strafverfahren korrekt erfolgt seien. Der Richter vertagte zur Klärung dieser Rechtsfrage das Verfahren auf unbestimmte Zeit, ohne das heute Zeugen befragt wurden.
Titelbild: APA / EVA MANHART/ picturedesk