Beate Meinl-Reisinger will die Christiane Lindner der neuen Regierung werden. Die ÖVP will das Justizministerium. Später wird auch über Klimawende und Armutsbekämpfung verhandelt.
Ein Satz in Die Presse bringt derzeit alles, was man über die Ausverhandlung einer neuen Bundesregierung wissen muss, auf den Punkt: „Meinl-Reisinger traf bereits Top-Finanzer in Wiener Kaffeehaus“.
Mit ihrer Ankündigung hat Meinl-Reisinger erstmals den Traumposten für sich selbst in den Mittelpunkt ihrer Politik gestellt. Mit dem Wunsch nach dem Finanzministerium hat sie allerdings übersehen, dass auch Nehammer und Babler wissen, was die FDP als Schwesterpartei der Neos in Deutschland gerade mit diesem Ressort angestellt hat.
Neos einbinden
Das ganze Wochenende wurde „technisch“ verhandelt. Es geht vor allem um eine Frage: Soll man die Neos schon morgen einbinden? Und: Was macht man mit den Grünen? Die Entscheidung bezüglich der Neos ist gestern gefallen: Sie werden ab Montag einbezogen. Damit betreten alle drei Parteien Koalitions-Neuland.
In ÖVP und SPÖ ist man eher ungeneigt, den Neos den Regierungsdetonater in die Hand zu geben. Das Nein zu Neos im Finanzministerium hat auch einen soliden wirtschaftspolitischen Grund: Die dogmatischen Vorstellungen von Schuldenbremsen sind gerade in einer wirtschaftlich schwachen Zeit, in der es von Umwelt bis Infrastruktur ums öffentliche Investieren geht, Unsinn. Jenseits der Parteigrenzen der Neos scheint das hinreichend bekannt zu sein.
Technische Lösungen
Noch in dieser Woche sollen die technischen Lösungen fixiert werden. Das ist nötig, weil niemand Erfahrung mit einer Drei Parteien-Regierung hat. Durch die Neos steht es immer 2:1, in Wirtschafts-, Steuer- und Sozialpolitik gegen die SPÖ, in Justiz, Bildung und Integration gegen die ÖVP.
Für die SPÖ sind Erfolge in der Sozialpolitik überlebenswichtig. Für die ÖVP geht es darum, in der Integration so freiheitlich wie möglich zu regieren. Dafür brauchen beide Regeln, wie das geht und wie man den Neos als innerkoalitionärer Wanderpartei nicht die Schlüssel überlässt.
Die Grünen wird man für Verfassungsmehrheiten brauchen, wenn man sich nicht wieder der FPÖ ausliefern will. Das ist der Grund, warum Werner Kogler und Sigi Maurer vor der ÖVP-Zentrale sitzen und auf einen Zuruf warten.
Überlebensministerien
Auch für die ÖVP geht es schon um Ministerien. Die ÖVP will zum Innenministerium das Justizressort. Wenn sie Karoline Edtstadler nicht durchsetzen kann, ist sie bereit, einen „unabhängigen“ Justizminister zu nominieren. Im Justizapparat gibt es jede Menge ÖVP-Anhänger, die es nie nötig hatten, der Partei beizutreten.
Die ÖVP hat aus dem Kurz-Fehler, die Kontrolle über die WKStA aus der Hand zu geben, gelernt. Jetzt winkt ihr die letzte Chance, die WKStA vor den großen Anklagen gegen Kurz und die ÖVP abzudrehen.
In der SPÖ scheint die Meinungsbildung dazu abgeschlossen. Das Justizressort soll noch unabhängiger als unter Zadić werden, und die ÖVP soll nur ein Ressort, das über einen Geheimdienst verfügt, bekommen.
Steiermark
Die FPÖ lehnt sich einfach zurück und wartet. Auch sie weiß, dass die Führungsdiskussion in der ÖVP gerade anläuft. Nehammer hat keine klare Option. Nicht einmal in der SPÖ weiß man, ob er ernsthaft verhandelt oder nach den Gründen, aufzustehen und zur FPÖ zu wechseln, sucht. In der SPÖ wächst die Überzeugung, dass für das ÖVP-Team derzeit beides gilt. Sie wissen nicht genau, was sie tun, also machen sie einmal weiter.
Nach der Steiermark wird die FPÖ schnell feststellen, dass Kickl kein zweiter Haider ist. Er kann keinen Schritt zurücktreten, weil er nur im engsten Kreis an der Spitze sicher ist. Jörg Haider hatte die ganze FPÖ hinter sich. Herbert Kickl vertraut zurecht nur einer kleinen Gruppe im Parlament und in Niederösterreich. Ein Schritt zur Seite kann tief nach unten führen.
Daher bleibt er das Hauptmotiv für Nehammer, Stocker und Mahrer, mit Babler weiter zu verhandeln. Diese Woche, so heißt es, soll es ernst werden. Die Neos sollen ihre Einladung erhalten. Und dann – wird man weitersehen.
Artikel ergänzt um 10.45 Uhr.