Die Regierungsbildung befindet sich noch im Sondierungsstadium. Von den Gesprächen dringt kaum etwas nach außen. Den Medien ist diese Stille nicht recht. Doch die kommende Regierung sollte sich gut aufstellen, denn der mediale Gegenwind wird – wie man an der Ampel in Deutschland gesehen hat – beträchtlich sein.
Sondieren und Verhandeln gilt in Österreich von jeher als unbeliebt. Aber ist eine stabile Regierung, die länger braucht, nicht besser als eine schnell hingeworfene Koalition, die dann in der Legislaturperiode an inneren Konflikten zerbricht? Diese Frage ist besonders kritisch – vor allem, wenn es denn eine Drei-Parteien-Koalition werden soll. Erstens gab es eine solche noch nicht in Österreich. Und zweitens zeigt der Blick nach Deutschland, dass eine solche Koalition es in den Medien nie leicht haben wird. Sie sollte also klare Eckpunkte haben. Wenig hilfreich ist da, dass just die kleinste Partei sich selbst für das Finanzressort ins Spiel bringt. Dazu die Kleine Zeitung:
Um Sondieren und Verhandeln beliebter zu machen, ist es bestimmt ein guter Move, Posten- und Personaldebatten hinter die inhaltliche Auseinandersetzung zu stellen. Doch auch die Medien seien davor gewarnt, jetzt schon eine Dreierkoalition schlecht zu reden. Allzu früh und allzu hart war das Bashing der Ampel in Deutschlands Medien. Und wer rieb sich da die Hände? Vor allem die AfD. Eine Regierung, die es nicht gibt, kann meiner Meinung nach kein Vertrauen einbüßen. Vilja Schiretz in der Kleinen Zeitung:
Paradigmenwechsel
Nun ist klar, dass in manchen Ressorts auch ein Paradigmenwechsel stattfinden muss und dass Gespräche über Ressortverteilung wohl auch Inhalt der Sondierungen sein muss. Das trifft vor allem auf das Justizministerium zu. Es darf sich nicht wiederholen, dass sich mächtige Beamte in einem Ministerium breit machen, und dort Parteipolitik betreiben. Das System Pilnacek war ein abschreckendes Beispiel. Die Bestellung der Justizministerin oder des Justizministers ist also sehr wohl eine entscheidende Frage für die Rechtsstaatlichkeit Österreichs. Gibt es darin keine Lösung in der parteipolitischen Auswahl, kann ja auch eine parteiunabhängige Person das Ministerium übernehmen. Eine tatsächlich unabhängige allerdings – hier muss sich die SPÖ oder die SPÖ und NEOS wirklich durchsetzen. Alles andere wäre demokratiepolitisch unverantwortlich.
Durchaus ist nach den desaströsen Zahlen am Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft Budgetpolitik eine entscheidende Frage. Ob allerdings NEOS, die hier wohl rechts von der ÖVP und weit rechts von der SPÖ stehen, als Kleinpartei bestimmend wirken können? Da ist schon ein wenig Christian Lindner dabei. Elisabeth Hofer in Die Presse:
Die NEOS-Rhetorik ist allzu populistisch und vor allem verschweigt sie einen ganz zentralen Punkt: dass viele Betriebe, vor allem von Großkonzernen übernommene Betriebe, Banken und Versicherungen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab dem Alter von fünfzig Jahren los werden wollen, in Korridorlösungen und zum AMS schicken und gar nicht anstreben, dass die Menschen länger arbeiten. Dafür bezahlt letztendlich der Staat, also die Steuerzahlenden. Eine derart populistische Darstellung wie die der NEOS könnte auch von der FPÖ kommen; für Betroffene, die länger arbeiten wollen, aber schon mit 50 plus abgebaut werden, ist eine solche Politik ein Hohn.
Optionen
Klar ist aber noch immer nicht, ob die Verhandlungen nur von ÖVP und SPÖ geführt werden oder die NEOS oder – vielleicht sogar – die Grünen eingebunden werden. Laut Kurier ist interessanterweise die SPÖ – und nicht der momentane Koalitionspartner der Grünen – für das Offenhalten dieser Variante:
Wir wissen also nichts. Oder nicht viel. Wenn es aber darum geht, in Zeiten der relativen Mehrheit einer rechtspopulistischen Partei im Nationalrat eine konstruktive Regierung zu bilden, kommt es wohl nicht auf den Tag an. Eher ist es wichtig, dass jede Partei konsensbereit ist. Mit großem Applaus wird die neue Regierung ohnehin nicht rechnen können. Aber wir haben noch in guter Erinnerung, wie die erste Regierung Kurz hochgejubelt wurde. Bekommen hat dafür niemand etwas – nun ja, die Medien, die ihn hochgejubelt haben, schon.
Titelbild: ROBERT JAEGER / APA / picturedesk.com