Zeitenwende in Österreichs Gesundheitswesen: Zusätzlich zu bereits 14 verkauften Gesundheitseinrichtungen sollen weitere 7 Einrichtungen der VAMED an den französischen Private-Equity-Fonds PAI Partners verscherbelt werden. Damit droht der weitere Ausverkauf wichtiger Gesundheitsinfrastruktur an einen Heuschrecken-Fonds – mit gravierenden Konsequenzen für Patienten und Beschäftigte.
von Mario Taschwer
Die VAMED ist Österreichs wichtigstes Gesundheitsunternehmen. Sie betreibt Reha-Kliniken, Pflegeheime und Thermen in 8 Bundesländern. Ursprünglich zu 100 Prozent öffentlich, wurde der größte Teil des Unternehmens in den 90er Jahren an den deutschen Gesundheitskonzern Fresenius verkauft. Heute ist die VAMED vollständig privatisiert.
Schon bisher galt: Profite vor Gesundheit
Schon bisher waren also wichtige Bereiche der Gesundheitsinfrastruktur profitorientiert organisiert.Die Situation in der Tiroler Seniorenresidenz Veldidenapark illustriert, was das bedeutet: So kostet die Erinnerung an die Essenszeit und die Medikamenteneinnahme 5,55 Euro; das Einnehmen von Mahlzeiten im Zimmer und das Bringen der Medikamente je 11 Euro. Und während die Verwaltungskosten stiegen, wurde qualifiziertes Personal abgebaut und das bleibende Hilfspersonal extrem überfordert.
Obwohl sie eigentlich zur Gemeinnützigkeit verpflichtet ist, kann die VAMED durch die Auslagerung beziehungsweise den Zukauf von Leistungen von der eigenen Konzernmutter Gewinne erzielen – “Financial Engineering” nennt sich das dann. Es zeigt, wie Investoren durch Kürzungen beim Personal und zusätzliche Gebühren ihre Profite steigern.
Strategie: Kaufen – ausplündern – weiterverkaufen
Doch mit dem Verkauf der VAMED an PAI Partners wird es noch schlimmer kommen. Denn es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen einem traditionellen, profitorientierten Investor wie Fresenius und der Strategie eines Fonds wie PAI Partners.
Im Manager-Sprech des PAI-Vize Präsident Alexander Schober klingt das so: “Daher ist die Regel in unserer Industrie, dass man sich vier bis sieben Jahre Zeit nimmt, um strategische Initiativen in den Portfoliounternehmen anzustoßen, durchzuführen und eben die Ergebnisse schon in Aktion zu sehen. (…) Wir verkaufen unsere Unternehmen nach einer gewissen Zeit, das ist unser Geschäftsmodell.” Im Klartext heißt das: Ein “Heuschrecken-Fonds” wie PAI überträgt oftmals seine Schulden auf das gekaufte Unternehmen, plündert dieses aus und verkauft es nach vier bis sieben Jahren mit maximaler Rendite weiter – ohne Rücksicht auf die Folgen für Angestellte, Patientinnen oder die Allgemeinheit.
Gefahr für Patienten: Schlechtere Versorgung und höhere Sterblichkeit auf Kosten der Krankenkassen
Eine Studie der Deutschen Bundeszahnärztekammer aus dem Juni 2024 zeigt, dass in Zahnarztpraxen, die durch Finanzinvestoren (unter ihnen auch PAI) übernommen wurden, teurere und oft unnötige Leistungen abgerechnet werden. Eine US-Studie zeigt, dass in Gesundheitseinrichtungen, die von Private-Equity-Fonds übernommen werden, 11 Prozent mehr Patienten und Patientinnen sterben.
Die Schattenwelt der Private-Equity-Fonds: Steuervermeidung und Intransparenz
PAI Partners ist zudem ein Paradebeispiel für die mangelnde Transparenz von Private-Equity-Gesellschaften mit undurchsichtiger Eigentümerstruktur. Ein großer Anteilseigner von PAI ist der New Yorker Fonds Blue Owl. Die Profite landen dann in Steuersümpfen – etwa auf der Kanalinsel Jersey. Kurzum: Die Gewinne fließen in private Taschen, die Versorgungssicherheit leidet.
Die öffentliche Hand bezahlt zwar großteils für die Leistungen, hat aber keine Mitsprache. Das soll das Zukunftsmodell für die österreichische Gesundheitsversorgung sein?
Eine letzte Chance für das Anton-Proksch-Institut
14 Einrichtungen wurden bereits an PAI verkauft. Bei sieben weiteren besteht aber noch Hoffnung. Denn die öffentliche Hand besitzt hier ein Vorkaufsrecht – so etwa bei der einzigen Rehabilitationseinrichtung für krebskranke Kinder und Jugendliche in Österreich – dem Leuwaldhof in St. Veit im Pongau.
Ebenfalls verkauft werden soll das Anton-Proksch-Institut – eine der führenden Kliniken für suchtkranke Menschen bin Europa. Es widmet sich Alkohol-, Medikamenten- und Drogenabhängigkeit aber auch Spiel-, Internet-, Kauf- oder Arbeitssucht. Auch hier besitzen die Öffentlichen ein Vorkaufsrecht. Die Frist dafür läuft allerdings am 30. November ab. Und schon diese Woche, am 15. November berät das zuständige Kuratorium mit Vertretern der Stadt Wien, des Burgenlandes, ÖGK, Sozialministerium, ÖGB, Caritas oder Arbeiterkammer. Wird es den Verkauf an den Heuschrecken-Fonds noch abwenden?
So schützen wir Österreichs Gesundheitswesen
Die Versorgungssicherheit darf nicht von der Willkür privater Investoren abhängen, die nur an Profiten interessiert sind. Wichtige Gesundheitsinstitutionen müssen daher vor der Profitorientierung bewahrt werden. Was ist also zu tun?
Das Vorkaufsrecht der öffentlichen Träger muss rasch genutzt werden – am besten mit einer gesamtösterreichischen Lösung. Die verbleibenden sieben Einrichtungen müssen in Kooperation mit den Städten, Bundesländern und Sozialversicherungsträgern übernommen werden. Die Regierung muss dafür die öffentlichen Mittel zur Finanzierung zur Verfügung stellen.
Schutzschirm gegen Finanzmärkte im Gesundheitssektor
Die nächste Regierung muss gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen, um Shareholderinteressen aus dem Gesundheitsbereich zu verbannen. Wie bei der Regelung von Primärversorgungszentren müssen Finanzinvestoren in allen Gesundheitsbereichen ausgeschlossen werden.
Privatisierung rückgängig machen
Gesundheitseinrichtungen sollten wieder in öffentliche Kontrolle gebracht und gemeinnützig ausgerichtet werden. Die VAMED könnte hier als Prototyp fungieren. Nach dem Vorbild der Wohnungsgemeinnützigkeit müssen auch Gesundheitseinrichtungen mit gemeinnützigen Prinzipien wie Vermögensbindung, Kostendeckung und Gewinnbeschränkung umfassend geschützt werden.
Der Schutz der Gesundheitsversorgung als Verantwortung der Politik
Krankenhäuser befinden sich traditionell in öffentlicher Hand, um die Versorgung der Menschen zu sichern – doch warum gilt dies nicht für Reha, Pflege und Altersheime? Es ist an der Zeit, dass die Politik die Gesundheitsversorgung vor den Akteuren schützt, die nur auf kurzfristige Gewinne aus sind und keine Rücksicht auf die langfristige Qualität der Versorgung nehmen. Jetzt ist der Moment, um entschieden gegen den Ausverkauf unserer Gesundheitsversorgung vorzugehen und einen Schutzschirm über die Gesundheitseinrichtungen zu spannen.
Artikel im Standard zum gemeinnützigen Wohnbau
Titelbild: Sarah Goldschmitt