Russische Medien berichten über die Ermordung des Ex-FSB-Agenten Dmitry Senin in Montenegro. Dieser spielt in der Spionageaffäre rund um Egisto Ott eine wesentliche Rolle. Die Polizei in Montenegro widerspricht, Senins Wiener Anwalt sorgt hingegen für Verwirrung.
Er ist eine der Schlüsselfiguren in der Affäre rund um Egisto Ott: Dmitry Senin, früherer Agent des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB, der sich 2017 nach Europa absetzte und in Montenegro politisches Asyl erhielt. Ott soll zu Senin im Sommer 2017 laut Ermittlern illegale Datenbankabfragen getätigt haben. Sie sehen darin Spionagetätigkeit für Russland, Ott behauptet wiederum, in dienstlichem Auftrag gearbeitet zu haben. Der Fall Senin war jedenfalls mit ein Grund, weshalb der frühere BVT-Mann heuer Ende März an seinem Kärntner Wohnsitz festgenommen wurde.
Die oft nebulöse Agentencausa ist nun um eine bizarre Episode reicher: Mehrere russische Medien verbreiteten in den vergangenen Tagen die Nachricht, dass Senin in Montenegro erschossen worden sei. Passiert sei das angebliche Attentat am 6. November, also ausgerechnet an jenem Tag, an dem Ott zuletzt in Wien vor Gericht stand. Die Meldungen kursierten nicht nur in Telegram-Kanälen, sondern wurden etwa auch von der zweitgrößten russischen Tageszeitung Moskowski Komsomolez aufgegriffen. Statements offizieller Stellen fehlen darin, auch in montenegrinischen Medien fehlt dazu jede Spur.
Senins Anwalt dementiert – und rudert zurück
ZackZack konfrontierte mit den Meldungen Senins Wiener Anwalt Evert Vastenburg. Dieser gab am Mittwoch zunächst ein klares Dementi ab: “Die Meldungen sind falsch”. Er, der Anwalt, habe am Mittwoch auch noch mit seinem Mandanten Kontakt gehabt und gegenüber ZackZack entsprechend gescherzt: “Es sei denn ich habe die Fähigkeit, mit Toten zu kommunizieren.” Mehr konnte er zunächst nicht sagen.
Am Donnerstag ruderte Vastenburg dann plötzlich zurück: “Ich kann die Meldungen mit Stand heute weder bestätigen noch dementieren.” Angesprochen auf die Äußerungen des Vortags sei ihm nun auch nicht möglich zu sagen, ob es tatsächlich sein Mandant gewesen sei, mit dem er am Mittwoch kommunizierte. Kurzum: Die maximale Verwirrung.
Dafür erreichte ZackZack am Donnerstag die Pressestelle der montenegrinischen Polizei. Dort widerspricht man den Meldungen über ein Attentat im Land: “Wir kennen die Berichte in den russischen Medien. Ich habe meine Kollegen in den Abteilungen kontaktiert, die mit entsprechenden Fällen zu tun haben. Sie geben an, dass zu so einem Vorfall keine Informationen vorliegen”, so Sprecherin Čarna Rastoder. “Wenn so etwas passiert wäre, wüsste natürlich das ganze Land davon. Wir schließen daraus, dass die Berichte falsch sind.”
Bewusste Desinformation Russlands?
Was also kann hinter den Todesmeldungen stecken? Wollte der russische Ex-Agent in James Bond-Manier (“Man lebt nur zweimal”) seinen Tod vortäuschen? Das ziemlich holprige Briefing des Anwaltes würde dagegen sprechen. Die Gerüchte, die offenbar zunächst auf der Plattform X auftauchten und dann etwa vom russischen Propagandisten Daniil Beznosov via Telegram verbreitet wurden, könnten dagegen ein drohendes Signal von Regime-nahen Kräften an das russische Publikum sein.
Dieser Theorie kann auch der österreichische Geheimdienstexperte Thomas Riegler etwas abgewinnen: “Wahrscheinlich handelt es sich um Desinformation, die dazu gedacht ist, eine Warnung an alle jene zu schicken, die daran denken, mit dem Westen zusammenzuarbeiten. Die CIA hat erst 2024 zum dritten Mal per Video an potentielle Doppelagenten appelliert, sich zu melden. Insofern ist eine Abschreckungskampagne gut möglich.”
Auf abtrünnige Agenten Jagd zu machen, hat in Russland traurige Tradition. Zuletzt wurde der übergelaufene Hubschrauberpilot Maxim Kusminow in Spanien ermordet.
Peilsender unter Auto gefunden
Dass Dmitry Senin sich als Fluchtland ausgerechnet Montenegro aussuchte, sorgte bei Beobachtern schon seit Längerem für Verwunderung, gilt das Land nicht unbedingt als sicherster Hafen vor russischer Verfolgung. Wie ein ZackZack vorliegender Amtsvermerk zeigt, meldete sich Senin Anfang Jänner bei den heimischen Ermittlungsbehörden mit einem brisanten Fund: Bei der Durchführung eines Ölwechsels in einer Werkstatt in Budva hätten Mechaniker am Fahrzeug des Russen einen GPS-Tracker gefunden.
“Bei dem Peilsender handelt es sich nach ersten Informationen um einen professionellen GPS-Tracker der ukrainischen Firma Ibag, ein autonomes Satellitengerät zur Online-Überwachung von Land-, See- oder Luftobjekten. Der Peilsender soll von hoher Qualität und in der Lage sein, unter schwierigsten Bedingungen zu arbeiten“, schrieben Ermittler. Das Gerät wurde den heimischen Behörden übergeben.
“Der Fund eines Peilsenders an dem von seiner Ehefrau und auch von ihm verwendeten Fahrzeug am 28.12.2023 stellt für Dmitry Senin klar, dass die Ausspähungs- und Lokalisierungsmaßnahmen gegen ihn immer noch weitergeführt werden“, heißt es in dem Bericht weiter. Nach ZackZack-Informationen dürfte Senin daraufhin das Land verlassen haben, was die gestreuten Gerüchte über ein Attentat in Montenegro ebenfalls konterkariert.
Ott-Prozess geht im Dezember weiter
Einer, der von Todesmeldungen über die Ermordung Senins eher wenig profitieren würde, ist Egisto Ott. Dieser muss sich seit November am Landesgericht Wien in einem ersten Gerichtsprozess verantworten. Gemeinsam mit dem FPÖ-Politiker Hans-Jörg Jenewein soll er das Amtsgeheimnis verletzt haben, ein Nebenschauplatz aus den umfangreichen Ermittlungen. Der Prozess wird am 18. Dezember fortgesetzt, für die Genannten gilt die Unschuldsvermutung.
Titelbild: ZackZack, Montage