Nach der steirischen Wahl drohen zwei Kettenreaktionen. SPÖ und ÖVP fürchten sich zurecht.
Morgen treffen sich ÖVP, SPÖ und Neos in Wien, um eine Regierung zu verhandeln, die es vielleicht gar nicht geben wird. Ein Grund dafür wird der heutige Tag sein, mit der Landtagswahl in der Steiermark.
Dort wird nach allen Prognosen die FPÖ mit Abstand stärkste Partei. Die letzten Umfragen geben ihr 33 Prozent. Die meisten wissen genau, was sie wählen und was FPÖ-Spitzenkandidat Mario Kunasek am Kerbholz hat. Aber auch bei mir zu Hause in Kapfenberg ist die Enttäuschung über das Versagen des „Systems“ so groß, dass einem Drittel der Wählerinnen schon fast alles egal ist. Sie wollen es nur „denen“ zeigen.
Das wird ihnen gelingen, weil ab morgen einiges in Bewegung kommt. SPÖ und ÖVP fürchten sich zurecht vor zwei steirischen Kettenreaktionen.
Kettenreaktion 1: FPÖ mit ÖVP
Heute Abend können Freiheitliche in Graz gemütlich zusehen, wie die ÖVP direkt neben ihnen abstürzt. Zum ersten Mal wird die FPÖ in einem großen Bundesland Nummer 1. Dann geht es los, zuerst in den Ländern, in denen Türkis schon mit Blau im Geschäft ist. „Wie lange wollt ihr noch zuschauen? – Die Roten sind der Mühlstein, der euch nach unten zieht. – Mit der FPÖ geht es ganz leicht, die sind längst auf Linie.“
Industriellenvereinigung, Raiffeisen, ÖAAB – vielleicht bekommen sie schon am Montag das Übergewicht. Sonst müssen sie nur warten, bis sich Mitte Dezember herausstellt, dass SPÖ und Neos in Wien auf ein paar eigenen Vorstellungen beharren.
Falls es in Graz morgen früh noch eine Mehrheit für ÖVP und SPÖ gibt, wird sie so klein sein, dass das gemeinsame Regieren von Anfang an ein gemeinsames Zittern wird. Da wird es nicht lange bis zum guten Rat aus St. Pölten dauern. Dann kommt ein Angebot der FPÖ.
Das ist die kleine, überschaubare Kettenreaktion. Die große sieht ganz anders aus.
Kettenreaktion 2: FPÖ mit SPÖ
„Am Dienstag werde ich diese Gespräche beginnen.“ Das steht für den siegessicheren FPÖ-Chef in Graz seit Tagen fest. „Wer dann kommt, werden wir sehen. Irgendeiner wird kommen.“
Während der Klagenfurter Staatsanwalt rund vierzig Einvernahmen in der steirischen FPÖ-Korruptionsaffäre vorbereitet, überlegen die blauen Beschuldigten, mit wem sie sich die Macht teilen wollen. Erstmals gibt es einen konkreten Plan für die SPÖ, weil es erstmals möglich scheint, dass die SPÖ „kommt“.
Sein Kern ist ganz einfach: Die steirische SPÖ bekommt ein Angebot, das sie nicht ablehnen kann. Die FPÖ bietet ihr alle Wunschressorts:
- Soziales und Arbeit
- Gesundheit und Pflege
- Bildung
- Verkehr und Landeshochbau
- und Finanzen.
SPÖ-Chef Anton Lang weiß das und hat sich bewusst die freiheitliche Option offengehalten. Wenn es mit der ÖVP nichts wird, kann sich die Stimmung in Graz blitzartig drehen. Das könnte dann so klingen: „Wollt´s ihr jetzt alle Länder den anderen überlassen?“ Und: „Bittschön, wir sind ja nicht die Ersten. Schaut´s nach Klagenfurt und Eisenstadt, da hat sich niemand aufgeregt!“ Einige würden darin eine Strategie entdecken: „Schaut´s, da tut´s ihr euch bei den Verhandlungen mit der ÖVP in Wien jetzt gleich leichter, wenn die wissen, dass auch wir mit der FPÖ können“.
Steirische Suppe
Was dann in der SPÖ passiert, ist schwer vorauszusagen. Nur eines wäre klar: Die steirische Suppe müssten Andreas Babler und Michael Ludwig gemeinsam mit Karl Nehammer auslöffeln.
In der ÖVP beobachtet man mit Sorge, wie in der SPÖ unter vorgehaltener Hand eine blaue Option diskutiert wird. Hannes Androsch ist einer der wenigen, die das offen ansprechen. Ab morgen kann daraus ein öffentlicher Streit werden. Davor fürchtet man sich in SPÖ und ÖVP zurecht.
Die SPÖ kann es zerreißen. Der ÖVP droht der Verlust ihrer Gunstlage als einzige Partei, die mit allen kann. Damit steigt der Druck auf beide.
Mit dem Druck steigt auch die Wahrscheinlichkeit der „einfachsten“ Lösung: dass zusammenkommt, was politisch längst zusammengehört. ÖVP und FPÖ haben im Bund Programme, die über weite Strecken voneinander abgeschrieben sind. Beide streiten nicht, was sie wollen, sondern wer die gemeinsamen Ideen vom Nein zu Vermögenssteuern bis zum Nein zu Ausländern als Erster gehabt hat.
Man sollte nicht vergessen, dass derzeit noch alles an der Person „Kickl“ hängt. Wenn der FPÖ-Chef wie Jörg Haider vor 25 Jahren einen Schritt zurück macht, ist die SPÖ sofort aus dem Geschäft. Nach dem Sieg in der Steiermark kann die FPÖ noch einige Wochen warten, ob die ÖVP nicht doch weich wird. Erst dann wird es ernst. Aber vorher hält ein Mann die wichtigsten Fäden in seiner Hand: Anton Lang, der Kopf der steirischen SPÖ.
Er steht möglicherweise für einen neuen Kurs: Wenn man die Wähler, die zur FPÖ übergelaufen sind, aufgegeben hat, dann holt man statt ihnen gleich die FPÖ. Ich glaube, dass das keine gute Idee ist.