Die FPÖ wird mit großem Abstand stärkste Partei im Bundesland Steiermark und könnte nach Jörg Haider in Kärnten bald zum zweiten Mal in ihrer Geschichte einen Landeshauptmann stellen. Medienberichte zu den Landtagswahlen in der Steiermark.
Nüchtern vermeldet die Süddeutsche Zeitung am Sonntag:
In Österreich verbuchen die Rechtspopulisten einen weiteren deutlichen Sieg. Bei der Landtagswahl in der Steiermark erreicht die FPÖ laut dem vorläufigen Ergebnis mit 35 Prozent mit weitem Abstand den ersten Platz. Das bedeutet ein Plus von 17,5 Prozentpunkten. Die konservative ÖVP, die mit der sozialdemokratischen SPÖ zusammen regiert, kommt auf knapp 27 Prozent (minus 9 Prozentpunkte), die SPÖ liegt bei 21 Prozent – das ist ein leichtes Minus.
Stephan Löwenstein, Wien-Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, fügt hinzu, was die meisten Deutschen (und vermutlich auch sehr viele Österreicher) nicht präsent haben.
Damit könnte der steirische FPÖ-Landesvorsitzende Kunasek der erste freiheitliche Landeshauptmann seit den Zeiten Jörg Haiders werden, der in Kärnten seit 1989 mehrmals das Amt des Regierungschefs besetzt hatte – zuletzt mit einer eigenen Partei, dem BZÖ. Im steirischen Parlament in Graz würde die FPÖ einen Koalitionspartner benötigen. Bislang regieren dort die christdemokratische ÖVP mit Drexler und die sozialdemokratische SPÖ. Beide hatten die Präferenz erkennen lassen, weiter zusammen zu regieren, aber eine Koalition mit der FPÖ nicht ausgeschlossen.
Ein Nicht-Knittelfelder ist Nummer Eins
In der Steiermark befindet sich das Städtchen Knittelfeld. Dort gründete Jörg Haider mit dem BZÖ einst eine Abspaltung von der FPÖ, die ihm plötzlich zu nahe an den Burschenschaften und zu kritiklos an historischem Faschismus und aufkeimendem Neo-Faschismus war. Nun hat mit Kunasek ein Nicht-Knittelfelder die FPÖ zur stärksten Partei gemacht. Michael Kloiber in der Kleinen Zeitung:
Die jahrelange Landeshauptmann-Fraktion wurde von Ex-Verteidigungsminister Mario Kunasek und seiner FPÖ vom Siegertreppchen gestoßen. Und das nicht knapp, sondern mehr als eindeutig. Die 941.509 steirischen Wählerinnen und Wähler haben ein Machtwort gesprochen – gegen jene Partei, die seit Ende Dezember 1945 mit nur einer zehnjährigen sozialdemokratischen Pause von 2005 bis 2015 unter Franz Voves quasi durchgehend an der Macht war. Christopher Drexler und sein Team müssen sich laut erster Hochrechnung von APA und ORF mit 26,7 Prozent zufriedengeben, ein Minus von 9,4 Prozentpunkten. Es ist das historisch schlechteste Ergebnis der Volkspartei in der Steiermark.
Schuldzuweisung an die Bundespolitik
Wie bei den Nationalratswahlen verlor die ÖVP massiv, was der geschlagene Christoph Drexler sofort wehleidig auf die Bundespolitik schob. So ist das in Österreich: Der Wahlerfolg eines Landespolitikers ist immer sein eigener; seine Verluste aber gehen auf das Konto der Bundespartei. Damit übt man weiter sinnlos und unberechtigt Druck auf die Regierungsbildung im Bund aus. Das ist nicht hilfreich und auch nicht richtig. Denn die sogenannten Analysen kippen sofort in alte Klischees wie die von Michael Völker in Der Standard:
Die Gründe sind sicher vielfältig, lassen sich aber auch zusammenfassen: Unzufriedenheit, Ärger und Frustration. Wer sich aufregt und ärgert, wer unzufrieden ist, wählt FPÖ. Die Freiheitlichen bieten ein wohliges Zuhause für all jene, die grad einmal sauer sind. Auf die Ausländer etwa, von denen sich Menschen bedroht fühlen, nachvollziehbar oder nicht. Vor allem aber richtet sich der Unmut gegen die da oben. Die Regierenden sind unten durch beim Wahlvolk. Sie haben selbst einiges dazu beigetragen, auch in der Steiermark.
Ich sage voraus, dass während und nach einem Landeshauptmann Kunasek in der Steiermark »die Ausländer« als Saisonkräfte Tourismus und Gastronomie tragen und als billige 24-Stunden-Kräfte die Eltern und Großeltern derer, die auf sie »sauer sind« pflegen werden. Sodann widmet Michael Völker sich der Analyse des ÖVP-Spitzenkandidaten:
Christopher Drexler war als Landeshauptmann und ÖVP-Spitzenkandidat zu wenig attraktiv. Er hatte dem Abwärtstrend, in dem sich seine Partei befindet, nichts entgegenzusetzen, schlimmer noch: Er verstärkte ihn. Er gab sich ein bisserl zu g’scheit. Die Lust am Formulieren sei ihm unbenommen, aber Drexler wirkte abgehoben. Er war nicht bei den Leuten, sondern gescheitelte über sie drüber. Er war Lichtjahre davon entfernt, »einer von uns« zu sein, wie es die Menschen von Politikern immer noch erwarten, auch wenn das eine undankbare und unlogische Erwartungshaltung ist. Dass Drexler recht unvermittelt auf FPÖ-Kurs eingelenkt hat, wurde ihm nicht zugutegehalten, sondern half wieder der FPÖ. Das hätte man wissen können, diese Logik kennen wir.
Das Märchen von der Volksnähe
Weder, dass er Minister war, noch dass die Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittelt, macht Kunasek zu »einem von uns«. Aus dem Volk kommen alle Menschen. Aber wenige Menschen sind abgehobene Politiker, deren Karriere in Parteigremien und im Schutz einer Partei und ihrer Anwälte vor sich geht, die er auch dringend braucht. Dazu die Salzburger Nachrichten:
Der steirische FPÖ-Parteiobmann Mario Kunasek hat die Freiheitlichen erstmals bei einer Landtagswahl in der Grünen Mark an die Spitze geführt – und das noch dazu mit Respektabstand zur ÖVP, die nun den Landeshauptmannsessel in der Grazer Burg vielleicht räumen muss. Der ehemalige Verteidigungsminister hat sich kaum Fehler in seiner Polit-Karriere erlaubt. Ermittlungen gegen ihn, die von der Staatsanwaltschaft Klagenfurt geführt werden, perlten bisher wie Teflon ab.
Welche »Fehler« kann sich der Verteidigungsminister eines Landes erlauben, in dem das Heer bedeutungslos ist? Keine. Die möglichen Fehler liegen anderswo. In einer Analyse in Der Standard hat Colette Schmidt unlängst Punkt für Punkt dargestellt, wo es in der steirischen FPÖ zum Himmel stinkt; und dass die Anklagen dafür seit Jahren auf sich warten lassen:
Nach drei Jahren sind weder Kunasek noch andere der Malversationen Verdächtigte angeklagt, und natürlich gilt die Unschuldsvermutung. Doch allein die Selbstanzeige des ehemaligen Finanzreferenten, die nebenbei von Ermittlern entdeckten Funde wie Kindesmissbrauchsdarstellungen bei dem Ex-Gemeinderat Roland Lohr und NS-Devotionalien bei ihm und zwei anderen Männern sowie der großzügige Umgang von Ex-Vizebürgermeister Mario Eustacchio mit Spesen, die er sich selbst genehmigte, und die teils dubiosen Zahlungen an parteinahe Vereine werfen gelinde gesagt kein gutes Licht auf die Partei.
Soldat und Parteisoldat
Der frühere Soldat Kunasek ist ein treuer Parteisoldat und verlässlicher Apparatschik, der in der Partei eine steile Karriere hingelegt hat. Er war schon in Jugendjahren eine graue Eminenz und hat ein gutes Leben, weil er immer der Partei treu war und ist. Nina Horaczek und Gerlinde Pölsler über Mario Kunasek im FALTER:
In der Kaserne findet er seine erste politische Funktion. 2004 tritt er bei den Bundesheer-Personalvertretungswahlen an und staubt gleich zwei Mandate für die FPÖ-Liste ab. Im Jahr zuvor dockt Kunasek, damals mit 27 Jahren schon ein Altspatz, bei der FPÖ-Jugend an und organisiert für die blauen Jugendlichen Discoabende und Dartturniere. So flutscht die politische Karriere. Nur drei Jahre später ist Kunasek Politiker im Hauptberuf. 2008 zieht er in den Nationalrat ein, 2017 wird Stabsunteroffizier Kunasek als Verteidigungsminister der türkis-blauen Regierung angelobt.
Sehr wahrscheinlich ist, dass die FPÖ auch mit einem anderen Spitzenkandidaten den ersten Platz in der Steiermark gemacht hätte. Sehr wahrscheinlich ist, dass sowohl Ermittlungen gegen Kunasek als auch seine Verurteilungen ihm nicht schaden wird. Daraus darf man aber nicht die falschen Schlüsse ziehen.
Die österreichische Presse möchte andere Parteien gerne dazu verleiten, die FPÖ zu imitieren. Das wäre fatal. Und die österreichische Presse gewöhnt sich mehrheitlich nur sehr ungern an den Gedanken, dass mehr als ein Drittel der Menschen in diesem Land, die gültig wählen, eine Pseudo-Demokratie mit autoritärer Führung haben wollen, in der wenige schwerreiche Oligarchen das Sagen haben.
Der Weg nach Osten
Viele Österreicherinnen und Österreicher sehnen sich nach dem Osten. Die FPÖ zeigt den Weg nach Osten. Sie gibt vor, wie wir in wenigen Jahren das Niveau Ungarns oder Aserbaidschans erreichen können. Andere Parteien wären ganz übel beraten, die FPÖ zu imitieren. Das hat schon ein gewisser Sebastian Kurz gemacht und seine Regierungsbilanz fiel so verheerend aus, dass seine eigene Partei sich heute dafür schämt.
Wenn Kunasek Landeshauptmann wird, werden die Steirer erleben, was die Kärntner bereits erlebt haben. Irgendwann wollten sie dann doch wieder eine Regierung, die sachlich, ruhig und vor allem kompetent agiert. Mit Jörg Haider, dem kompetenzfreien Finanzpolitiker, der mit seinem Bankenverkauf das Land ruiniert hätte, wären sie beinahe bankrott gegangen. Der Bund musste sie retten.
Titelbild: ROBERT JAEGER / APA / picturedesk.com