Wie ZackZack bereits im August berichtete, ist ein Großteil unseres Trinkwassers mit der Chemikalie TFA verunreinigt. Das Landwirtschaftsministerium versucht offenbar, diesen Missstand zu kleinzureden.
Trinken Sie täglich österreichisches Leitungswasser? Dann nehmen Sie höchstwahrscheinlich auch Trifluoressigsäure – kurz TFA – zu sich. Die chemische Verbindung ist ein Metabolit – also ein Folgeprodukt – von bestimmten Pestiziden im Boden, ZackZack berichtete im Interview mit Helmut Burtscher-Schaden von GLOBAL 2000. TFA ist natürlich nicht abbaubar.
Schon 2019 ergab eine Messung im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums (BML), dass TFA den Trinkwassergrenzwert für relevante Pestizidmetaboliten um bis zur 70-fachen Dosis überschritten hat. Seither passierte so gut wie nichts.
“Gesetzesbruch seit 2014”
Erstaunlich: Bereits vor über zehn Jahren empfahl ein Bericht des Landwirtschaftsministeriums – damals „Ministerium für ein lebenswertes Österreich“ – den Stoff TFA als relevant einzustufen: „In Anbetracht der bescheidenen Datenlage, sowie auf Grund der Tatsache, dass Vorkommen von Trifluoressigsäure auch auf andere Ursachen als auf die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zurückzuführen sein kann, wird vorgeschlagen, Trifluoressigsäure zum derzeitigen Stand des Wissens als einen humantoxikologisch relevanten Metaboliten zu bewerten“, heißt es in dem Bericht „Metaboliten im Grund- und Trinkwasser“ aus dem Jahr 2014. Damit hätten alle Pestizide, die zu TFA-Konzentration im Wasser führen, verboten werden müssen. Ein Themenpapier von GLOBAL 2000 zum Thema TFA spricht von „zehn Jahren Gesetzesbruch“, da bis heute nichts passiert ist.
Seither ist viel Wasser die Flüsse entlanggeronnen – mit zunehmend mehr TFA darin. Im Jahr 2021 gab der Düngemittelhersteller Bayer eine Studie in Auftrag, die zeigte dass TFA reproduktionsschädliche Wirkungen habe. Auf ihrer Website informiert seit einiger Zeit auch die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) über den Stoff. Demnach verdichtet sich auch auf europäischer Ebene langsam der Verdacht, unser Wasser könnte zunehmend vergiftet sein. Die europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) wird bis Oktober 2025 eine Neubewertung der lange als ungefährlich eingestuften Substanz vornehmen. Im Juni 2024 beantragte Deutschland bei der EU-Chemikalienbehörde (ECHA) außerdem die Einstufung von TFA als akut toxisch und reproduktionstoxisch.
Wassergütebericht schweigt über TFA
In Österreich übt man sich scheinbar noch in Gelassenheit – und tut vorerst nichts. Abwarten und TFA trinken. Man wartet auf eine Neubewertung von TFA auf europäischer Ebene. Augenscheinlich wird diese Haltung am Beispiel des letzten Wassergüteberichts für die Jahre 2020 bis 2022, der heuer erschienen ist. Der alle drei Jahre erscheinende Bericht erwähnte TFA mit keinem Wort. Die Folge: „Die Wasserqualität in Österreich war in den Jahren 2020-2022 überwiegend hoch. Ergriffene Maßnahmen zum Gewässerschutz sind wirksam, dennoch sind Maßnahmen zur weiteren Verbesserung der Wasserqualität notwendig“, schreibt das Landwirtschaftsministerium von Norbert Totschnig (ÖVP) auf seiner Website. Und weiter: „Das für Wasser zuständige Ministerium setzt sich mit allen Kräften dafür ein, dass wir auch in Zukunft über sauberes Trinkwasser verfügen.“ Bei TFA ist das noch nicht merkbar. Das Umweltbundesamt, das den Wassergütebericht zusammen mit dem BML erstellt, antwortete auf die Frage, warum TFA im letzten Bericht nicht erwähnt wurde: „Im Zeitraum 2020-2022 wurden in Österreich keine Untersuchungen bezüglich Trifluoressigsäure (Trifluoracetat, TFA) in Grund- und Oberflächengewässern durchgeführt.“
Auf eine ZackZack-Anfrage antwortete das BML nicht. Stattdessen stellte es GLOBAL 2000 gegenüber klar, dass es die Anschuldigungen ihres Themenpapiers, das an Journalisten verteilt wurde, „auf das Entschiedenste“ zurückwies. Unter anderem wurde in der Antwort des BML an die Umweltschutzorganisation behauptet, TFA sei 2014 nicht als relevanter Metabolit eingestuft worden und man hätte konkrete Pestizide aufgrund der Datenlage nicht verbieten können. „Es bedarf einer Prüfung und Bewertung sämtlicher Details der Anwendungen” von Pflanzenschutzmitteln, so das Ministerium.
Burtscher-Schaden von GLOBAL 2000 hält dem Ministerium unten stehende ministeriumseigene Grafik entgegen und sagt dazu: „Der von Ihrem Ministerium im Sommer 2024 herausgegebene Bericht „Metaboliten in Grund- und Trinkwasser“ widerspricht dieser Behauptung. Daraus geht klar hervor, dass die „derzeitige Regelung in Österreich“ einer Einstufung als humantoxikologisch relevant entspricht, welche aus der „Erstbewertung (BMLFUW, 2014)“ herrührt. Zur unklaren Datenlage und den erforderlichen Prüfungen sagte der Experte für Chemie und Pestizide: „Wenn all das tatsächlich in dieser Detailtiefe notwendig ist – was wir ein wenig anzweifeln – dann hätte diese „Prüfung und Bewertung sämtlicher Details der Anwendungen“ von rechts wegen jedenfalls 2014 in Reaktion auf die Einstufung von TFA als relevanter Metabolit erfolgen müssen.”
Daraus geht hervor, dass der Stoff in Österreich noch immer als relevant eingestuft wird. Die Köpfe des Landwirtschaftsministeriums scheinen noch im Sand zu stecken.
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