Eine Moschee in Wien-Josefstadt ist Anziehungspunkt für junge Extremisten und Hassprediger. In einer mit ihr vernetzten Telegram-Gruppe wird Terror und Dschihad verherrlicht. Die Islamische Glaubensgemeinschaft prüft eine Auflösung.
Freitags, kurz vor 13 Uhr, tummelt es sich vor dem Eckhaus am Wiener Gürtel. Männer mit markanten Bärten und Jugendliche mit knöchellangen Hosen treten die drei Stufen hinunter in ein unscheinbares Kellerlokal, um am wichtigsten Gebetstermin der Woche – dem Freitagsgebet – teilzunehmen. Über der Tür blitzt eine Überwachungskamera, am Eingangsschild steht das arabische Wort “En-Nasiha” – zu Deutsch so viel wie “Ratschlag an einen anderen.”
Ein junger Mann, der heuer immer wieder die Moschee besuchte, ist seit kurzem in Haft – zum wiederholten Mal. Ali K. wollte im September 2023 mit einem Messer einen Anschlag am Wiener Hauptbahnhof verüben, entschied sich in letzter Sekunde um und wurde zu zwei Jahren Haft verurteilt. Der 18-Jährige kam heuer im Frühjahr auf Bewährung frei, wurde kürzlich aber wieder festgenommen, sein Fall ging durch die Medien. Teil von Ali K.s “Rückfall” – er soll Terrorpropaganda verbreitet haben – waren nach ZackZack-Informationen auch seine Besuche in der amtsbekannten Moschee.
Als “Anlaufstelle für Personen aus dem radikal-islamistischen Milieu“ wurde der Standort schon vor Jahren in Ermittlungsakten des Verfassungsschutzes bezeichnet. ZackZack-Recherchen zeigen, dass zuletzt immer mehr extremistische Personen dort verkehrten. Zudem existiert eine Dschihad-verherrlichende Telegram-Gruppe, die mit der Moschee eng vernetzt ist. Die Islamische Glaubensgemeinschaft will nun die Reißleine ziehen und den Standort als Moscheegemeinde auflösen. Aber der Reihe nach.
“Who is Who” der Dschihadisten
Unter Extremisten genießt das Kellerlokal in der Josefstadt so etwas wie Kultstatus. Schon 2011 geriet es in die Schlagzeilen, weil der Terrorist Mohammed Mahmoud hier nach einer mehrjährigen Gefängnisstrafe auftrat. Damals hieß die Einrichtung noch “Dar Al Salam”. Mahmoud setzte sich später nach Syrien ab und wurde führende Figur der Terrormiliz IS. Im “Kalifat” fiel er mit Gräuelvideos auf, bis ihn 2018 US-Luftangriffe zur Strecke brachten.
Einer, der zur Zeit Mahmouds ebenfalls in der Moschee predigte, war Mirsad Omerovic alias Ebu Tejma. Omerovic radikalisierte in Wien Dutzende Personen und sitzt seit 2016 eine 20-jährige Haftstrafe ab. Von Omerovic führt der Weg auch zu jenem Personenkreis, der heute hinter der Moschee steht.
Der szenebekannte Omerovic-Weggefährte Adem Demirovic leitete zuvor jahrelang die Altun Alem Moschee in der Venediger Au. Beide Männer stammen aus dem serbischen Dorf Tutin, das im muslimisch geprägten Grenzgebiet Sandschak liegt. Nachdem die Altun Alem Moschee ab 2016 geschlossen- und Omerovic verhaftet wurde, wechselte Demirovic als Imam an den Standort im 8. Bezirk.
Zuvor sollen sich beide in ihrer radikalen Ausrichtung zerstritten haben: während Omerovic den IS als bewaffnete Truppe in Syrien favorisierte, tendierte Demirovic zum Al Kaida-Ableger Jabhat Al Nusra, wie Ermittlungsakten zeigen. Demirovic ist bis heute Obmann des Vereins Savjet, der hinter der “En-Nasiha”-Moschee steht.
Immer wieder finden junge Extremisten ihren Weg in die Josefstädter Einrichtung. Der Wien-Attentäter Kujtim F. wurde hier erstmals 2018 als Besucher wahrgenommen und suchte sie – wie auch sein Freundeskreis – bis ins Jahr 2020 auf. Neben dem eingangs erwähnten Ali K. verkehrten hier nach ZackZack-Recherchen auch der 20-jährige Kopf einer St. Pöltner IS-Szene, der im Oktober zu fünf Jahren verurteilt wurde. Aufgefallen ist auch ein weiterer 20-Jähriger aus Wien (Name der Redaktion bekannt). Dieser kam heuer im Frühjahr wegen schwerer Nötigung in U-Haft und wollte sich im Gefängnis ein Buch eines IS-Theoretikers besorgen. Der junge Mann soll ebenfalls Besucher der En-Nasiha-Moschee gewesen- und dort unter Beisein von Imam Demirovic islamisch verheiratet worden sein.
Unter Experten und Forschern ist der Standort alles andere als unbekannt. Der Verein Derad, der radikalisierte Personen in und außerhalb von Gefängnissen betreut, hat aktuell mehrere Klienten, die sich in der Moschee radikalisiert haben sollen: “Es ist eine von drei bis vier Moscheen in Wien, in der Extremisten verkehren”, heißt es von dort. Laut Derad sei der Personenkreis dahinter “zumindest” als Al-Kaida-affin einzuschätzen. Auch Ednan Aslan, Professor für islamische Religionspädagogik, kennt die Einrichtung: “Es handelt sich um einen Begegnungsort für Islamisten. Dort sind alle drei salafistischen Strömungen anzutreffen – missionarisch, aktivistisch und militant.”
Die Sandschak-Connection
Die Personen rund um die “En-Nasiha”-Moschee sind eng mit den salafistischen Communities in Bosnien und dem Sandschak verbunden. Schon 2010 berichtete das bosnische Magazin Saff nach einem Anschlag in der Stadt Bugojno über ein Netzwerk, das damals aus Adem Demirovic, Mirsad Omerovic, Idriz Bilibani oder Nurset Imamovic bestand. Letzterer reiste später nach Syrien, schloss sich dem Al-Kaida-Ableger Al Nusra Front an und wird vom FBI gesucht.
Verbindungen zum Balkan bestehen bis heute: Am 7. März 2023 lud die Wiener Moschee den radikalen Prediger Emir Cajic ein. Dieser sorgte 2016 für Furore, weil er sich der bosnischen, islamischen Glaubensgemeinschaft widersetzte und in einer kleinen Gemeinde auf seine fundamentalistische Auslegung setzte. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP beteuerte Cajic zwar, den IS abzulehnen, sagte jedoch – angesprochen auf den flüchtigen Al-Nusra-Anhänger Imamovic – er hätte „wahrscheinlich dasselbe getan“.
Bedenklich sind vor allem Emir Cajic’ antidemokratische Ansichten. So lehnte er in Videos einen “demokratischen Islam” ab, weil sich Islam und Demokratie “wie Tag und Nacht” widersprechen würden. In einem weiteren, auf YouTube abrufbaren Clip wird Cajic im vergangenen Jahr gefragt, ob er Menschen, die zur Wahl gehen, aus dem Islam ausschließen würde (einen sogenannten “Takfir” betreiben). Seine unheilvolle Antwort: Menschen, die wählen, um das demokratische System zu unterstützen, seien Ungläubige. Nur bei Stimmen für Personen, die den Islam durchsetzen wollen, könnte man Abstriche machen. Ob die heimischen Behörden den Wien-Besuch des radikalen Predigers am Radar hatten ist bislang unklar.
Terror-Verherrlichung in Telegram-Gruppe
Öffentlich abrufbare Informationen über das, was hinter den Türen der Kellermoschee geschieht, gibt es kaum. In den Recherchen stießen wir allerdings auf einen radikalen Telegram-Kanal, der mit der “En-Nasiha”-Moschee auf alarmierende Weise eng vernetzt ist.
In der rund 1.600 Mitglieder fassenden, bosnischsprachigen Gruppe wird immer wieder über Vorgänge und Veranstaltungen aus dem Innenleben der Moschee informiert: 2020 teilte man etwa Einladungen zu Zoom-Konferenzen mit dem Imam Demirovic. Auch Videos zu Konversionen und Clips aus dem Moschee-Inneren finden sich. Heuer im Februar teilte die Gruppe auch eine Einladung zu einer Pilgerfahrt nach Mekka mit Demirovic als Reiseführer, Kostenfaktor 8.500 Euro pro Person. Daneben rief man zu Teilnahmen an Begräbnisfeiern in Wien auf. Kurzum: Hier sind ganz offensichtlich Insider des Standortes am Werk.
Gleichzeitig werden in der Gruppe laufend extremistische Inhalte und militante Sujets geteilt. ZackZack liegt eine Dokumentation aus Zitaten von dschihadistischen Predigern wie Sulaiman Al-Ulwan oder Abu Muhammed E-Makdisi vor. Ein martialisches Bild von Osama Bin Laden wurde heuer ebenso geteilt wie – erst vor wenigen Wochen – ein Spruch des Al-Kaida-Terroristen Musab Al-Zarqawi, der als Begründer des IS im Irak gilt und durch die Enthauptung eines US-Amerikaners bekannt wurde.
Versehen sind die Sujets mit Sätzen wie “Die Lösung, die auf die Muslime wartet und auf die sie hinarbeiten müssen, lässt sich mit nur einem Wort beschreiben: Dschihad!!!” Oder: “Es spielt keine Rolle wann wir sterben. Entscheidend ist, wie wir sterben. Es liegt an uns, ehrenvoll zu sterben.” Der Spruch zu Bin Laden ist garniert mit dem heroischen Satz: “Er trat keinen Schritt zurück, bis er seine Entscheidung mit seinem Tod unterzeichnete.”
Daneben finden sich zahlreiche ungustiöse und verhetzende Postings gegen Juden, Christen und Homosexuelle, wie etwa dieses: “Die gesamte neue amerikanische Regierung (auf die sich die ganze Welt verlässt) wird von Pädophilen, Homosexuellen, Lesben, Transgendern und Gott weiß wer sonst noch geführt. (…) Die ganze Welt leidet unter ihr. Und in einer solchen Welt ist man nie sicher, mit wem man zusammen ist; Du verbringst die Nacht mit einer Frau und am Morgen gesteht sie dir, dass du die Nacht mit einem Mann verbracht hast. Manche Krankheiten können nicht geheilt werden und für solche Patienten ist der Tod die beste Medizin.” Als Autor dieses Beitrages von Jänner 2021 werden die “Administratoren” des Kanals angegeben.
ZackZack hat die Moschee um schriftliche Stellungnahme aufgefordert und gefragt, welche Rolle die Telegram-Gruppe in der Gemeinde und dem Verein einnimmt und wer für die Inhalte genau verantwortlich ist. Fest steht, dass die Gruppe nur Informationen zur “En-Nasiha”-Moschee verbreitet, keinem anderen Wiener Moschee-Standort. Und: Bei den extremistischen Beiträgen handelt es sich nicht um Weiterleitungen aus anderen Kanälen oder Postings von unbekannten Usern, sondern um selbst erstellte Beiträge. Eine Antwort der Moscheegemeinde gab es nicht.
IGGÖ will Moschee auflösen
Nach wie vor ist “En-Nasiha” aber Teil der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ), hat Gebetszeiten und Islamkurse. Eine ausführliche Anfrage von ZackZack zu den Recherchen offenbart nun eine Überraschung: “Da gegen die angesprochene Moschee derzeit eine interne Prüfung auf Auflösung läuft, bitten wir um Verständnis, dass wir hierzu momentan keine Stellungnahme abgeben können“, so die Antwort.
Auf Nachfrage, wann diese interne Prüfung begonnen habe, gibt die Sprecherin der IGGÖ bekannt, dass dies “vor dem Sommer” passiert sei, das Verfahren laufe. Die Gründe dafür würden sich mit Teilen der ZackZack-Recherche decken, heißt es. Manches, wie etwa die erwähnte Telegram-Gruppe, sei auch der IGGÖ neu.
Sollte die Prüfung entsprechend ausfallen, dürfte sich die Einrichtung künftig jedenfalls nicht mehr Moschee nennen. Ähnliches passierte heuer schon mit einer anderen Einrichtung in Wien-Meidling. Der hinter der Moschee stehende Verein könnte am Standort jedoch weiter aktiv bleiben. Diesen könnte nur das Innenministerium zerschlagen.
Titelbild: ZackZack-Montage