Montag, Januar 20, 2025

Todesangst vor dem Boulevard

Eine qualitativ orientierte Medienpolitik, die parteiunabhängigen Journalismus fördert, scheint in Österreich nicht mehr möglich zu sein. Dafür ist der Boulevard zu groß geworden. Die Politik fürchtet sich vor ihm zu Tode. Inzwischen schreibt er sich in Firmenbücher und Stammbücher.

Erst vor kurzem brachte die Media-Watch-Plattform Kobuk die lesenswerte Recherche über eine Zusammenarbeit der Kronen Zeitung mit dem Land Burgenland. Dabei geht es natürlich um Umweltschutz. Alle, die etwas anderes behaupten oder auch nur denken, sind bösartig. In einem Artikel hat ein Journalist der Krone eine Initiative zur Sonnenenergie angedacht. Kobuk dazu, was knapp darauf folgte:

Drei Tage später wird in das Firmenbuch die Gründung einer Gesellschaft mit dem Namen „Krone Sonne GmbH“ eingetragen. Sie gehört zu gleichen Teilen der Krone Verlag GmbH & Co. Vermögensverwaltung KG und der Burgenland Energie AG, eine Gesellschaft, die über die Landesholding im mehrheitlichen Eigentum des Landes Burgenland steht.

Nicht nur die Verflechtung von Politik und einem großen Medienhaus, das von der Politik mit weltweit rekordverdächtigen Subventionen bedacht wird, ist hierbei auffällig. Wie schon früher im Fall von »Kolportagen« über Online-Casinos festgestellt wurde, ist bei den darauffolgenden Artikeln über das Thema nicht mehr erkennbar, ob es sich um Berichterstattung oder Werbung handeln soll. Kobuk dazu:

Dass ein Massenblatt gemeinsam mit einem Landes-Energieunternehmen eine eigene Gesellschaft gründet, ist schon bemerkenswert. Grenzwertig ist, was in Folge geschieht. Dem Thema Solarenergie und vor allem der „Krone Sonne“ wird in den nächsten Monaten nicht nur sehr, sehr viel Platz in der Krone eingeräumt. Es wird ausnehmend positiv berichtet. Dabei bleibt meistens unklar, ob es sich um eine entgeltliche Einschaltung, also Werbung, handelt, oder um redaktionelle Berichterstattung. Denn gekennzeichnet sind die Beiträge in der Mehrzahl der Fälle nicht.

Die Abhängigkeit der Landeshauptleute

Es ist augenscheinlich, dass besonders die Landeshauptleute an den mächtigen Medien hängen. Da nun zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS auch die Medienförderung einer möglichen künftigen Regierung verhandelt wird, macht sich in diesem Bereich Unruhe breit. Unruhe, die – so meint Harald Fidler am Donnerstag in Der Standard – Wiens Bürgermeister Ludwig zu einem Kommentar zu diesen Verhandlungen veranlasst hat:

Vor der zweiten Runde der Koalitionsverhandlungen über Medienpolitik am Montag reitet Wiens Bürgermeister Michael Ludwig in der vertrauten ORF-Regionalsendung »Wien heute« gegen eine Forderung der Neos aus, öffentliche Werbebuchungen zu reduzieren. Das allerdings weist Neos-Mediensprecherin Henrike Brandstötter über X noch am Freitagabend zurück: Die Neos wollten “keine Medienförderungen kürzen, ganz im Gegenteil”. Sie wollten “Inseratenkorruption” bekämpfen, aber “nicht alle Inserate der öffentlichen Hand abschaffen”.

Fidler ortet darin nun ein verschlüsseltes Signal des Bürgermeisters, das – so seine Meinung – in einem betroffenen Medium entschlüsselt und im Klartext ausgedrückt wurde:

Die »Kronen Zeitung« übersetzte schon Freitagabend in ihrer Abendausgabe, was Ludwig und sie tatsächlich meinen: Die Neos hätten “offenbar eine massive Reduktion von Presseförderungen und die schrittweise Abschaffung aller Inserate der öffentlichen Hand in der ersten Verhandlungsrunde gefordert”, erklärt die Krone ihren Leserinnen und Lesern. An die Krone, größte Tageszeitung des Landes, gehen auch die größten öffentlichen Werbebuchungen unter privaten österreichischen Medien.

Rekordförderungen für den Boulevard

Es ist klar, dass man gegen Populismus und Rechtsextremismus nur kämpfen kann, wenn man die öffentlichen Förderungen für Boulevardmedien zur Gänze abschafft und verbietet. Noch in den 1980er-Jahren sagte der bekannteste Rechtsextremist und Antisemit der Kronen Zeitung, Richard Nimmerrichter, in einer ORF-Diskussion: »Meine Zeitung verdient sich ihr Geld selber.« Von diesem Ethos ist heute keine Spur mehr. Die Boulevardmedien hängen an der Nadel der staatlichen Förderung.

Die Verflechtung mit der Politik und deren Abhängigkeit von den großen Medien ist längst mehr als grenzwertig: In Niederösterreich ist es das dortige ORF-Landesstudio, in Vorarlberg und Steiermark sind es die auflagestärksten Zeitungen, die nicht über Politik berichten, sondern Politik machen. Wer die Kleine Zeitung täglich aufmerksam liest, wird sich über das Ergebnis der letzten Landtagswahl in der Steiermark nicht gewundert haben.

Bei der Kronen Zeitung kommen Verflechtungen mit der Politik dazu. Sie führen zu Verzerrungen, vor allem auch in der Frequenz der Berichterstattung. Boulevardmedien machen zum anscheinend öffentlichen Thema, was eigentlich ihr Thema ist. Sie machen Geschäfte mit den angeblichen Nachrichten, die sie bringen. Wer kennt Stephan Sharma? Kobuk erklärt uns, wer er ist, und warum die Krone über ihn so häufig berichtet:

Stephan Sharma, der Vorstandsvorsitzende der Burgenland Energie AG, die zur Hälfte an der „Krone Sonne“ Gesellschaft beteiligt ist, bekommt reichlich viel und reichlich gute Presse im Blatt. Das alleine ist schon ein potenzieller Interessenskonflikt, denn als unabhängige Zeitung müsste die Krone unabhängig und kritisch sowohl über das Land Burgenland als auch die Burgenland Energie AG berichten können.

Dieser Mann ist offensichtlich interessanter als viele Bundespolitikerinnen und Politiker. Kobuk weiter:

Seit seinem Amtsantritt findet sich Stephan Sharmas Name in 136 Beiträgen in der Krone: 43 mal oder durchschnittlich alle zwei Wochen vor dem 12.6.2022, dem offiziellen Start der ÖKO-OFFENSIVE, und 93 mal oder alle zehn Tage danach – acht mal in der ÖKO-OFFENSIVE, elf mal in den übrigen Ressorts, und der Löwenanteil: 117 Beiträge in der Burgenland Ausgabe.

Fest im Sattel

Ein solches Verhältnis zu entflechten, wird nur einer Politik gelingen können, die mit großer Mehrheit handelt. Aber Politikerinnen und Politiker haben Angst vor dem Boulevard. Todesangst. Und das nicht ganz unberechtigt. Selbst angeblich beliebte Rechtspopulisten wie Sebastian Kurz oder H. C. Strache strauchelten politisch. Den Boulevardmacherinnen und -machern kann das nicht passieren. Sie sitzen fest im Sattel, egal, was sie sich leisten. Eine maßgebliche Politjournalistin, die sich etwa mit Christian Pilnacek per Chat über Berichterstattung in den Medien austauschte, bekommt damit kein Problem.

Wie schädlich es ist, alleine mit einer Neuordnung der Medienförderung vorzupreschen und damit den Boulevardmacherinnen und -machern Angst zu machen, hat Christian Kern 2017 bewiesen. Alle Boulevardmedien rückten damals aus, um aus Sebastian Kurz einen Heiligen zu machen und für ihn zu werben. Und sie wurden dafür belohnt. Unter den Kurz-Regierungen bekamen sie die höchsten staatlichen Subventionen, die es in Österreich je für Medien gab.

Dichands Stammbucheintrag

Dazu kamen die als »Inserate« verdeckten Förderungen. Mit diesen Inseraten bezahlen die Steuerzahlenden nicht nur die Öffentlichkeitsarbeit von Bundeskanzleramt und Ministerien, die allesamt Pressesprecher haben, ein zweites Mal. Damit bezahlen sie auch die Zeitung, die sie beim Kauf ein zweites Mal bezahlen müssen – außer im Fall einer Gratiszeitung. Dass just die Stadt Wien zur Verteidigung dieser Gratiszeitung ausrückt, wo diese täglich Wien-Bashing betreibt, bleibt den Denkenden ebenso unverständlich wie die Frage, warum es keine anderen Gratiszeitungen gibt, die Parteipolitik machen.

Der nächste Schritt wird es sein, dass aus den Boulevardmedien Politikerinnen und Politiker oder zumindest Anwärterinnen und Anwärter auf politische Posten hervortreten. Nein! Halt! Es ist ja schon passiert. Hans Dichand schrieb einst:

Journalisten, die über den Erfolg ihrer Zeitung hinaus Macht erstreben, etwa indem sie sich mit einer Partei verbünden oder selbst kanditieren [sic!], mißverstehen ihren Auftrag und das Wesen ihres Mediums. Sie sind entweder als Politiker oder als Journalisten zum Scheitern verurteilt. Auch die letzte Ursache der weltweiten Misere der Parteipresse liegt in der ungehörigen Verquickung zwischen Journalismus und Machtpolitik.

Dieser Absatz ist nicht dem Stammbuch von Tassilo Wallentin entnommen. Er stammt aus folgendem Buch: Dichand, Hans: Kronen Zeitung. Geschichte eines Erfolges.


Titelbild: ROBERT JAEGER / APA / picturedesk.com

Autor

  • Daniel Wisser

    Daniel Wisser ist preisgekrönter Autor von Romanen und Kurzgeschichten. Scharf und genau beschreibt er, wie ein Land das Gleichgewicht verliert.

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