Montag, Januar 20, 2025

“Vision 2030”: Saudis wollen mit Kärntner Lithium reich werden

Kärntner Lithium soll nach Saudi-Arabien verschifft- und dort gewinnbringend verarbeitet werden. Wertschöpfung des strategisch wichtigen Rohstoffs wandert damit ab. Lobbyist des Projekts ist der FPÖ-Abgeordnete Christian Ragger.

Ein australisch-saudisches Joint Venture plant, mit dem großen Kärntner Lithium-Vorkommen ein Milliardengeschäft zu machen – und ist damit ein gutes Stück weiter.

Die Kärntner Landesregierung gab vergangene Woche bekannt, dass European Lithium – ein australisches Unternehmen im Besitz der Abbaurechte – keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für das Projekt auf der Koralm benötige. Die Landesbehörden folgten damit einem vom Unternehmen 2023 eingebrachten Antrag. ZackZack berichtete bereits im Oktober über die nahende Entscheidung und veröffentlichte die Bedenken der Umweltanwaltschaften Kärntens und der Steiermark.

Aber nicht nur die möglichen Umwelteinwirkungen durch den Abbau sind umstritten, auch der übergeordnete Plan ist es. Die Australier wollen den geopolitisch wichtigen Rohstoff, der von heimischen Forschern in den 1980ern entdeckt wurde, nämlich vollständig per LKW, Schiene und Schiff nach Saudi-Arabien abtransportieren. Erst im Nahen Osten soll daraus batteriefähiges Lithiumhydroxid entstehen, mit dem hohe Gewinne winken.

Kärntner Lithium soll “Vision” des saudischen Königs erfüllen

Eigentlich hätte es ganz anders kommen sollen. Nachdem European Lithium die Schürfrechte im Jahr 2011 um rund 10 Millionen von einer privaten Kärntner Bergbaufirma erwarb, bewarb man das Projekt mit hunderten Arbeitsplätzen, einer Produktionsstätte und Wertschöpfung für die Region.

Letztes Jahr dann die plötzliche Kehrtwende: Die Firma verkündete, mit dem saudischen Konzern Obeikan Investment Group (OIG) ein 50:50 Joint Venture einzugehen, um das Produktionswerk statt im Lavanttal in der saudischen Wüste hochzuziehen. Die Saudis schwärmten: “OIG und European Lithium haben eine schlagkräftige Einheit geschaffen, um die Vision des Königreichs bei der Entwicklung des Bergbaus und der Elektrofahrzeugindustrie zu unterstützen.” Der Deal sei laut CEO Abdallah Obeikan Teil der “Vision 2030” Saudi-Arabiens, um die dortige E-Industrie voranzutreiben. Auch der australische Firmenchef Tony Sage frohlockte und sprach von den “viel niedrigeren Unternehmenssteuern” auf der Arabischen Halbinsel.

European Lithiums Vertreter in Österreich, Dietrich Wanke, machte die hohen Energiepreise in Europa für die Abwanderung verantwortlich. Zudem argumentiert er, das batteriefähige Lithium würde später an BMW verkauft werden und damit ja nach Europa zurückkehren. Fest steht jedoch: Bei keinem anderen europäischen Lithium-Projekt wählt man eine derartige Lieferkette. Vorkommen wie in Finnland, Tschechien oder Deutschland sollen auch lokal verarbeitet werden. Im deutschen Bitterfeld eröffnete heuer ein erstes Produktionswerk. Experten sind sich einig, dass die wesentliche Wertschöpfung in der Verarbeitung steckt.

Mienentunnel mit einem Mann in Warnweste und Schutzausrüstung
Der Bergstollen, der in den 1980ern von der Republik errichtet wurde.

FPÖ-Politiker lobbyiert für Projekt

Als Anwalt, Berater und Fürsprecher des Projekts tritt seit Jahren der Kärntner FPÖ-Nationalratsabgeordnete Christian Ragger auf. Dabei waren es ausgerechnet die Freiheitlichen, die über die Jahre lautstark auf eine Produktion im Land drängten: “Wertschöpfung und Investitionen müssen in Kärnten bleiben!”, hieß es von der FPÖ in einer Aussendung im Jahr 2017.

Ragger warb für European Lithium in Regionalmedien und versuchte sich in einer Vermittlerrolle mit betroffenen Gemeinden, in denen alles andere als Jubelstimmung über das Projekt herrscht. Seit die Pläne mit Saudi Arabien bekannt wurden, gibt sich der Politiker aber merklich zurückhaltender. ZackZack wollte von dem Abgeordneten wissen, wie der saudische Deal und seine Beratertätigkeit mit der Parteilinie zusammenpassen sind und ob er bestätigen könne, für sein Lobbying auf der Payroll der Australier zu stehen. Eine Antwort gab es nicht.

Zweifel an versprochenen Jobs

Dafür äußerte sich Ragger zuletzt in der Kronen Zeitung, als die Entscheidung über den Wegfall einer UVP bekannt wurde und stellte “zwischen 200 und 240” Arbeitsplätze in Aussicht. Die Angaben muss man mit Vorsicht genießen, seit Jahren jongliert das Unternehmen mit verschiedenen Zahlen. Als das Produktionswerk noch geplant war, kommunizierte European Lithium 400 Jobs, wobei Manager Wanke selbst gegenüber der Kleinen Zeitung relativierte: “Die Zahl 400 muss man runterbrechen. Am Ende sind es etwa 130 Stellen, wovon 80 Stellen im Vier-Schicht-Betrieb arbeiten.”

Nikolaus Sifferlinger, Professor für Bergbaukunde an der Montanuni Leoben, schätzte den Jobbedarf für den Abbau mit lediglich 50 bis 100 Personen ein. Und beim größeren deutschen Zinnwald-Projekt stellt man für den Bergbaubetrieb 90 Jobs in Aussicht, inklusive Mechanikern, LKW-Fahrern und Geologen. Wie sich Raggers Angaben im Detail zusammensetzen, ließ der Politiker unbeantwortet.

Abbaustart 2025?

Nach der Feststellung des Landes Kärnten, dass keine UVP für den Abbau nötig sei, möchte das Unternehmen nun ausstehende Genehmigungen bei der Montanbehörde in Leoben einholen. Ob sich ein Abbaustart wie angekündigt im Jahr 2025 ausgeht, bleibt fraglich. Im vergangenen Sommer fehlten laut Medienberichten noch eine halbe Milliarde Euro an Kapital. Daneben prüfen die Umweltanwaltschaften Kärntens und der Steiermark Einsprüche der UVP-Entscheidung. Eine Anfrage von ZackZack an European Lithium blieb unbeantwortet.


Titelbild: Christopher Glanzl, Pixabay, ZackZack-Montage

Autor

  • Thomas Hoisl

    Ist seit April 2024 bei ZackZack. Arbeitete zuvor u.a. für "profil". Widmet sich oft Sicherheitsthemen oder Korruptionsfällen.

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