In Graz hat die SPÖ eine neue Taktik entwickelt: Sie lässt die Hose hinunter und bleibt über. Andreas Babler hat noch die Chance, dass die Hose oben bleibt.
Ich beginne heute mit der Steiermark, aus einem einfachen Grund: weil alles politisch unübersichtlich ist und ich mich in meiner Heimat noch am besten auskenne.
Also, was ist passiert? Die steirische SPÖ hat die Hosen hinuntergelassen und sich bücklings der FPÖ zugewandt. Damit hoffte der rote Landeshauptmannstellvertreter, denselben Dienstwagen noch ein paar Jahre benützen zu dürfen.
Herbert Kickl soll sehr angetan gewesen sein, weil er etwas hatte, was in der SPÖ fehlt: einen Plan. Mit der Einholung der SPÖ hätte er der ÖVP in Wien statt einer Rute eine Granate ins Fenster gelegt: „Schaut´s, wir brauchen euch nicht, wenn wir regieren wollen!“
Hose unten
Seit die Vranitzky-Doktrin, dass nicht mit der FPÖ regiert wird, zerbröselt, eröffnet sich die zweite Option, von der viele träumen, nicht für die SPÖ, sondern für die FPÖ. Das war nicht die steirische Absicht, ist aber passiert.
Kaum war nämlich die Hose unten, regte sich antifaschistischer Widerstand in Graz. Herbert Kickl musste mit Bedauern zur Kenntnis nehmen, dass man als FPÖ mit einer Partei, die einem ein „Niemals” und “Jederzeit“ zuruft, wahrscheinlich nicht regieren kann.
So kam die ÖVP zum Zug. Ihr gescheiterter Chef bekommt jetzt den Dienstwagen des gescheiterten Chefs der SPÖ. Die wiederum versucht, die Hose wieder hochzubekommen. Angesichts der bevorstehenden Gemeinderatswahlen ist man in Graz am Überlegen, wie hoch die Hose gezogen werden soll.
Wahrscheinlich ist mit der SPÖ derzeit nicht viel anzufangen. Hätte sie nur zwei Flügel, dann könnte sie vielleicht fliegen. Aber in ihrem jetzigen Zustand mit der steirischen Hosenspitze, der Zitterwahl im Burgenland, einer Wiener Partei, die mit Michael Ludwig das Aussitzen und mit Peter Hanke das Vergrassern übt und mit einem Bundesparteichef, hinter dem viel zu wenige stehen, kann die Partei froh sein, wenn sie statt Vermögenssteuern nicht eine Unvermögenssteuer zahlen muss.
Nagelprobe für Babler
Dabei hat die SPÖ in den laufenden Regierungsverhandlungen durchaus eine Chance. Sie weiß, dass in den nächsten Tagen ihre Nagelprobe bevorsteht: Werden Herrschaften wie Benko, Wolf, Pierer, Tojner und Martin Ho mit Vermögenssteuern auch einmal etwas beitragen müssen oder kommen sie wieder ungeschoren davon?
Wenn ÖVP und Neos Nein zu jeder Reichensteuer sagen, die SPÖ aufsteht und geht, hat sie erstmals wieder gewonnen. Dann muss Nehammer erklären, warum ihm Oligarchenschutz wichtiger ist als seine Regierung ohne Kickl. Die SPÖ wäre dann dort, wo sie hingehört: an der Seite der Menschen, die sie früher gewählt haben.
Wenn jedoch der unwahrscheinliche Fall eintritt, dass ÖVP und Neos von ihrem Prinzip, dass die Großen alles dürfen und nichts zahlen, abrücken, dann ist auch das mehr als ein Punkt für die SPÖ.
Es ist wie in der Steiermark: Babler kann die Hose herunterlassen, damit er schnell zu Nehammer ins Kabinett kommt. In diesem Fall bleibt ihm die steirische Erfahrung nicht erspart: dass man beim Versuch, mit heruntergelassener Hose aufrecht zu gehen, unweigerlich stolpert.