„Na, was sagst du dazu?“ Hannes Androsch bildete sich eine Meinung, indem er zum Telefon griff. Meistens ging es um die Regierung und um seine Partei, die SPÖ. Am 25. November hat er mich das letzte Mal angerufen.
Es ging um die Vranitzky-Doktrin, die er für Unsinn hielt. „Als wir noch stark genug waren, hätten wir der FPÖ unsere Bedingungen diktieren können. Jetzt ist es zu spät. Damals hat meine Partei Österreich der Rechten überlassen.“
Hannes Androsch hatte das Wissen und die politische Intelligenz, die berechtigen, historische Vergleiche zu ziehen. Die neue ÖVP erinnerte ihn immer mehr an die Partei, die schon einmal die Demokratie zerstört hatte. Aber das, was ihn ratlos machte, war seine eigene Partei und deren Führung. „Bildung, Forschung, Entwicklung, unsere Ressourcen nützen. Kreisky hat noch gewusst, dass man nur das verteilen kann, was man erarbeitet hat.“
Seine SPÖ sollte eine soziale und demokratische Partei sein, die etwas von Wirtschaft verstand, gerade in einer Zeit, in der die ÖVP diesen Verstand verloren hatte.
Parteigeschichte
Ich kenne wenige, die so viel wussten und so viel wissen wollten wie Hannes Androsch. Als wir uns gerade kennengelernt hatten und auf einer Bank über dem Grünen See bei mir in der Obersteiermark saßen, kamen wir zufällig auf meinen Vater und seine Rolle als Mitglied der linken Fraktion in der SPÖ rund um Hilde Krones und Erwin Scharf zu sprechen.
Das war kurz nach 1945, als die SPÖ ihre ersten Weichen nach dem Krieg stellte. Darauf kam er immer wieder zurück, weil das eines der wenigen Stücke der Geschichte seiner Partei war, das er nicht über Zeit- und Augenzeugen selbst erforscht hatte.
“Kleine Leute”
Über Hannes Androsch als Unternehmer kann ich nicht viel sagen, außer, dass er meine späten Gehversuche im Unternehmertum mit freundlicher Anteilnahme verfolgt hat. Für ZackZack war er ein ebenso wichtiger wie angenehmer Unterstützer, weil er dafür ein einziges Motiv hatte: die Ermöglichung eines journalistischen Projekts, das sich an die Menschen, die die SPÖ an die FPÖ verloren hatte, richtete.
Diese Menschen waren für ihn nicht „die kleinen Leute“. Seine Abneigung gegen diese Bezeichnung hatte zwei Gründe. „Wer Menschen nicht respektiert, traut ihnen auch nichts zu.“ Und: „Die Leute sind nicht klein, wer das nicht versteht, wird sie als Sozialdemokrat nie gewinnen. Sozialdemokraten sind Menschen, die an ihre eigenen Möglichkeiten und an ihre eigene Größe glauben.“
Personalnot
Von seiner SPÖ erwartete Androsch bis zum Schluss nur eines: Österreich und Europa nicht der Rechten überlassen, aber nicht durch antifaschistische Sonntagsreden und Abgrenzungsrituale, sondern durch das, was Bruno Kreisky und er gemeinsam als Erste geschafft hatten: einen politischen Aufbruch in eine bessere Zeit.
Wenn wir in seinem Büro am Ring gegenüber der Oper saßen und er mich mit einem neuen Buch begrüßt hatte, wussten wir beide, dass diese Hoffnung noch oft enttäuscht werden würde.
Androsch stammte aus einer Zeit, in der sich niemand vorstellen konnte, dass eine große Partei unter „Personalnot“ litt, auch, weil sie Menschen wie ihn hatten: souveräne, gebildete soziale Demokraten.
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