Montag, Januar 20, 2025

SPÖ-Jungpolitiker Stich: “Van der Bellens Entscheidung fand ich schwierig”

Im Rahmen der ZackZack-Interviewreihe „Junge Stimmen“ treffen wir junge Abgeordnete aller Parlamentsparteien. Mit Paul Stich von der SPÖ sprachen wir über innerparteiliche Turbulenzen und Koalitionsverhandlungen auf der Kippe.

Paul Stich ist seit Oktober 2024 Mitglied des Nationalrats. Er ist 26 Jahre alt und ist seit Februar 2020 Vorsitzender der Sozialistischen Jugend. Ursprünglich stammt er aus Wien, Floridsdorf. ZackZack traf ihn zum Interview in den Räumlichkeiten des SPÖ-Parlamentsklubs.

ZackZack: Erzähl mal, wie bist du zur SPÖ bekommen?

Paul Stich: Das hat in der Schule begonnen. Freunde von mir waren damals bei der SJ (Sozialistische Jugend, Anm.). Und dann kam dieses Jahr 2015, das für ganz viele Leute ein sehr prägendes war und politisch ganz viel passiert ist. Beispielsweise die damalige Wien-Wahl, da hat‘s geheißen Heinz Christian Strache könnte Bürgermeister werden. Nach einer Podiumsdiskussion unserer Schule mit Politikern hab ich mir gedacht, hey, es gibt extrem viele Dinge, die mich eigentlich anzipfen. Das war dann auch der Moment, wo ich zu meinen Freunden gesagt hab, “hey, nehmts mich dorthin mal mit, lasst‘s mich das mal anschauen.

Du bist seit Oktober Abgeordneter im Nationalrat und bist der Jüngste in der SPÖ. Hast du schon mal das Gefühl gehabt, dass du der Aufgabe nicht gewachsen bist?

Es ist natürlich eine große Aufgabe. Ich bin da ein einfacher Floridsdorfer, der auf einmal Gesetze für 9 Millionen Menschen mitbeschließt. Das ist natürlich ein großer Rucksack, bei dem man sich schon auch manchmal denkt: „Aha, spannend, was qualifiziert mich eigentlich dafür oder warum eigentlich genau ich?“ Überfordert würde ich es nicht nennen. Es ist natürlich aber sehr viel Neues und auf einmal sehr viel seriöser, weil es tatsächlich sehr konkrete Auswirkungen hat von dem, was wir da tun.

Die Partei gerät seit letztem Jahr immer wieder in Turbulenzen. Gibt es eigentlich bei euch mittlerweile in der Partei Excel-Kurse?

*lacht* Ich hoffe, wir haben alle gut in Informatik in dem Zusammenhang aufgepasst und es ist hoffentlich eine Fußnote, die einmal passiert und nicht noch einmal passiert. Das ist auch nicht mehr wirklich Thema. Ich glaube, dafür sind die Hausaufgaben, die man jetzt auch mitbekommen hat, mit dem Nationalratswahl-Ergebnis ein bisschen zu groß.

Wo wir schon bei der jüngsten Nationalratswahl sind, ihr habt 0% verloren, aber auch 0% dazu gewonnen. Ist das für dich ein zufriedenstellendes Ergebnis gewesen?

Nein. Ich glaube, das kann man schon so ansprechen, dass man sich da sicher mehr erwartet und mehr erhofft hätte. Da war auch viel Enttäuschung, gerade auch unter ganz vielen jungen Leuten, die echt Wochen, monatelang in diesem Wahlkampf sehr viel Zeit und Ressourcen investiert haben, um einfach diese Bewegung auch zu tragen. Das Ergebnis ist natürlich so anzuerkennen. Am Ende des Tages gilt die harte Währung, und das sind Wahlstimmen. Das ist eine große Hausaufgabe, die man da mitbekommt.

Hat die SPÖ den Kontakt zur Wählerschaft verloren? Oder wo liegen sonst die Gründe für das Ergebnis?

Ich glaube, dass wir das Problem haben, die Leute, mit denen wir kommunizieren wollen, nicht so zu erreichen, wie wir das gerne hätten.

Die FPÖ tut sich da offensichtlich weniger schwer und erreicht ihr Publikum – gerade auch junge Wählerschaft – über Social Media. Warum kann die SPÖ das weniger gut als die FPÖ?

Das ist die Gretchenfrage. Wir machen als Bewegung in diesem Bereich durchaus Fortschritte. Aber wir sehen, dass die FPÖ uns noch was voraus ist. Gar nicht nur auf den Social Media Plattformen, sondern viel mehr noch in der Art und Weise, wie sie es geschafft hat, eigene Kommunikationskanäle aufzubauen. Da ist in den letzten 20 Jahren viel an Hirn, Plan und Geld da gewesen, um diese Dinge entsprechend aufzuziehen.

Dafür ist die SPÖ wohl der Meister der innerparteilichen Konflikte.

Ich würde sagen, die Konflikte sind gar nicht das Alleinstellungsmerkmal, sondern die Frage ist, wie werden die Konflikte auch ausgetragen und wie schafft man es auch, die Konflikte intern zu halten. Und da haben wir sicher Nachholbedarf. Also es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, das passt eigentlich eh super so. 

Wer ist denn für dich die ideale Person an der Parteispitze? 

Puh, an unserer Parteispitze? Also ich glaube, dass Andreas Babler als Bundesparteivorsitzender das tatsächlich sehr gut macht.

Babler steckt ja derzeit tief in den Koalitionsverhandlungen fest. Die SPÖ in einer Koalition mit ÖVP und NEOS – wie soll das aus SPÖ-Sicht funktionieren ohne sich zu verkaufen?

Das werden wir dann sehen, wenn es soweit ist und werden das doch entsprechend kommentieren. Was klar ist: Nur die FPÖ verhindern kann kein Regierungsprogramm sein. Wenn man sich die Koalitionsverhandlungen anschaut, sieht man ja, wo die Welten aufeinander prallen, aber wie gesagt, wir werden jetzt die Verhandlungen einmal abwarten.

Du verhandelst ja in einer Untergruppe den Bereich Jugendpolitik mit. Gibt es da was, wo du bei den Verhandlungen aufstehen würdest, wenn die SPÖ das nicht durchsetzen könnte?

Gibt es für mich sicher, aber ich glaube, es ist nicht sinnvoll, die Koalitionsverhandlungen irgendwie laufend zu kommentieren.

Fandest du die Entscheidung von Alexander van der Bellen richtig, dass Herbert Kickl keinen Regierungsbildungsauftrag bekommen hat?

Das finde ich tatsächlich sehr schwierig. Aus meiner Sicht hätte es schon sehr viel Sinn gemacht, Herbert Kickl diesen Regierungsbildungsauftrag auch zu geben. Allein, um zu sehen, ob die Parteien, die es behaupten [mit Kickl nicht koalieren zu wollen], das tatsächlich tun oder nicht tun.

Aber um Herbert Kickl auch ganz klar zu sagen, er wird hier in keinster Form demokratisch übergangen, sondern er kann versuchen, eine Regierung zu bilden.

Also, aus meiner Sicht hätte ich es schon sehr sinnvoll empfunden, wenn Herbert Kickl, wie es bisher oft der Fall war, auch als Sieger der Nationalratswahl diesen Auftrag bekommen hätte. Kann man jetzt aber auch nicht ändern, muss man ehrlich sagen. Dem Bundespräsidenten etwas auszurichten, wäre ein bisschen vermessen, aus meiner Sicht wäre es einfach der logische Schritt gewesen.

Die FPÖ schließt man auf Bundesebene aus. Aber ist der Spagat bei der ÖVP inhaltlich nicht sogar noch größer?

Auch da prallen Welten aufeinander. Es ist kein Geheimnis, dass wir immer sehr skeptisch waren, wenn es darum geht, in irgendeiner Form zu koalieren, nur um zu koalieren. Aus meiner Sicht ist ganz klar, die Glaubwürdigkeit muss immer vor dem Machterhalt stehen. Und aus meiner Sicht ist das schon auch ein Grund in diesem Abnutzen mit der ÖVP in den vergangenen großen Koalitionen, in den letzten 30, 40 Jahren, dass auch ganz viel Vertrauen verloren geht, weil man einfach zentrale Bereiche nicht mehr zu lösen im Stande war.

Und mit den derzeitigen Koalitionsverhandlungen läuft es anders?

Wie gesagt, zu den Koalitionsverhandlungen werden wir uns dann äußern, wenn sie potenziell beendet sind, mit einer sehr klaren Meinung. Aber eingebettet in das große Ganze sieht man natürlich, dass Regieren mit Parteien, die einem in ganz großen Fragen diametral gegenüberstehen, eine sehr schwierige Aufgabe ist.

Gerade die ÖVP hat ein gewisses Korruptionsproblem und wer Korruption bekämpft, muss ja heute eigentlich auch gegen die ÖVP kämpfen. Wie geht sich das in einer gemeinsamen Regierung dann aus?

Das ist eine Frage, die wir dann potenziell positiv oder negativ beantworten werden.

Mangelt es der SPÖ deiner Meinung nach an Glaubwürdigkeit?

Ja, und ich glaube, jeder, der die Wahlergebnisse sieht, wird dieses Zeugnis auch unterschreiben.

Weil der Anspruch natürlich ein anderer ist, auch der historische. Und weil wir ein politisches Programm haben, das wesentlich mehr Leute vertritt als die 21 Prozent, die uns wählen. Jeder, der auf der Straße unterwegs ist, wird Leute finden, die irgendwann einmal früher SPÖ gewählt haben und aus irgendeinem Grund das jetzt nicht mehr tun. Das ist zu einem gewissen Grad auch mit einem Mangel an Glaubwürdigkeit verbunden.

Wo siehst du Österreich in fünf Jahren?

Hoffentlich in einer Situation, wo wir eine politische Mehrheit haben, wo man tatsächlich, gerade auch für junge Leute, was weiterbringt. Also wo man Mehrheiten hat um Mieten zu deckeln. Oder dass man im Bildungssystem in eine Situation kommt, wo es nicht darum geht, Schwächen auszumerzen, sondern Stärken zu fördern. Wo es darum geht, dass Klimaschutz endlich ernst genommen wird und man auch ein Klimaschutzgesetz hat, dass man am Weg zur Klimaneutralität ist. Und wie gesagt, all das immer von unten nach oben gedacht.

Das wären tatsächlich Punkte, wo ich in fünf Jahren gerne wäre. Wie realistisch die sind, ist eine andere Frage. Und dann sind wir wieder bei den Hausaufgaben. Ich glaube, es gilt alles zu tun, damit sie realistisch werden.


Das war die zweite Ausgabe unserer neuen Interviewserie. Nächstes Mal sprechen wir mit der jüngsten Abgeordneten der NEOS.

Clubmitglieder können das vollständige, ungekürzte Interview hier ansehen.

Autor

  • Johannes Neumeister

    Johannes Neumeister studierte Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien. Bei ZackZack ist er hauptsächlich für Videos zuständig. Er ist 23 alt und freut sich schon auf die Pension.

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