Montag, Januar 20, 2025

Junge Stimmen mit Sophie Wotschke: “In Wahrheit können wir nur noch Scherben aufkehren”

Im Rahmen der ZackZack-Interviewreihe „Junge Stimmen“ treffen wir junge Abgeordnete aller Parlamentsparteien. Mit Sophie Wotschke von den NEOS sprachen wir über die Entwicklung und Wahrnehmung der Partei, die Lohnnebenkosten und die Koalitionsverhandlungen.

Sophie Wotschke ist mit 26 Jahren die jüngste Frau im gesamten Nationalrat. Sie ist Juristin und war laut eigenen Angaben schon immer ein politischer Kopf.

ZackZack: Warum bist du zu den NEOS gegangen? 

Sophie Wotschke: Weil NEOS das mit Abstand positivste Versprechen von
allen Parteien hatten. Und weil Matthias Strolz ein Menschenbild und einen
Optimismus ausgestrahlt hat, den ich sonst nirgends gesehen habe.
Dieser Glaube an den Menschen, an das Individuum, dass sie aus eigener Kraft
etwas erreichen können, dass das auch in Österreich wieder möglich wird für
junge Leute, hat mich einfach extrem angezogen. Und dann habe ich mich
bei NEOS beworben und bin so dazugestoßen.

Was stört dich denn an deiner eigenen Partei?


Wir sind sehr große Idealisten. Wir zeichnen große Visionen. Ich glaube, dass wir zwischendurch etwas mehr ins Detail gehen könnten. Dass das vielleicht auch die Reife ist, die wir in den nächsten Jahren bekommen.

Was würdest du anders machen wenn du an der Parteispitze stehen würdest?


Ich glaube immer, jeder hat einen anderen Stil, eine andere Art. In Wahrheit kann
man sich nur anschauen, wo man gerade selbst steht, und dort versuchen, das
Beste zu machen. Für mich ist das einerseits in der Jugendpartei, andererseits
auch als Abgeordnete des Nationalrats. Da wird es stark darum gehen, zu
schauen, wo wir im Pensionsbereich, im Bereich Aufstiegsversprechen und im
Bereich der Bildung dafür sorgen können, dass junge Menschen eine Chance
haben. In Österreich muss es für uns junge Menschen wieder möglich sein, sich
etwas aufzubauen.

Und das wird bis jetzt noch nicht gemacht? 

Doch, aber man muss weitermachen. Das ist das Bohren harter Bretter. 

Also würdest du nichts anders machen, sondern weitermachen? 

Weitermachen, genau. 

Die NEOS haben ja im Wahlkampf für die Nationalratswahl immer wieder gesagt, dass man mehr Netto vom Brutto haben möchte. Gemeint war damit ja auch eine Senkung der Lohnnebenkosten. Diese haben ja eigentlich nichts mit dem Bruttolohn zu tun. Wie kann man das verstehen?

Naja, die Lohnnebenkosten sind ein wesentlicher Faktor, der es für Unternehmer sehr teuer macht, Arbeitskräfte einzustellen. Unser Punkt ist, dass man Arbeitgebern auch Spielräume schaffen muss, damit sie Löhne erhöhen können. Es ist zu teuer, Angestellte in Österreich zu haben. Wenn ich es Unternehmern leichter mache, neue Leute einzustellen, dann tun sie sich wirtschaftlich leichter und können mehr an die Arbeitnehmer weitergeben.

Klingt das für dich ein bisschen nach der Trickledown-Ökonomie?

Nein, das sind die Realitäten der ökonomischen Spielräume, die ein Unternehmer hat oder nicht hat.

Also du meinst, wenn Arbeitgeber mehr Geld haben, was sie nicht in die Lohnnebenkosten stecken, würden sie den Arbeitnehmern mehr Löhne auszahlen?

Ja…

Studien zeigen, dass das nicht so passiert. Das ist eben die Trickledown-Ökonomie.

Nein, nach Studien hast du innerhalb von zwei bis drei Jahren die Effekte, dass Arbeitnehmer mehr Geld bekommen. Und ganz ehrlich, selbst wenn das nicht der Fall ist: In Österreich unternehmerisch tätig zu sein, ist so schwer. Wir gehen von einer Krise in die nächste. Ehrlich, wenn wir es Unternehmern ein bisschen leichter machen, unternehmerisch tätig zu sein und Arbeitnehmer anzustellen, dann ist auch das etwas Gutes.

Die Lohnnebenkosten sind ja da, um zum Beispiel unterschiedliche Insolvenztöpfe zu finanzieren. Wer würde die finanzieren, wenn die Lohnnebenkosten gekürzt oder abgeschafft werden?

Das ist ein Teil. Es gibt ganz andere Teile. Zum Beispiel den FLAF – das sind Familienumlagegelder, die man aber auch ins Budget nehmen kann. Es ist ja kein komplett abgekapseltes System. Die Frage ist, wie wir es insgesamt schaffen, Spielräume im Budget zu schaffen. Das ist gerade verdammt schwierig, weil man in Wahrheit – Unternehmer und Arbeitnehmer entlasten muss – damit wir in Österreich wieder mehr Spielraum und eine gute wirtschaftliche Lage haben, gut zu wirtschaften.

Aber Lohnnebenkosten kürzen würde irgendwo auch heißen, Sozialhilfen zu kürzen.

Nein.

Heißt das für euch was ganz anderes? 

Ja.

Wie unterscheidet ihr, welche Lohnnebenkosten ihr kürzen würdet?

Naja, es ist primär eine Umlage ins Budget. Die Frage ist, welche der Leistungen du ins Budget gibst. Das ist gerade eine Frage der Verhandlungen. Dazu kann ich jetzt keine Stellung beziehen, weil es einfach gerade am Tisch liegt. Und es ist auch ganz ehrlich eine Frage der ökonomischen und budgetären Spielräume, die wir haben. Und das ist schon, finde ich, schockierend, wie die
letzte Regierung das gehandhabt hat – wie viel Geld ausgegeben wurde, das
man eigentlich nicht hat und dass Österreich jetzt vor einem ÜD-Verfahren, vor
einem EU-Defizitverfahren steht. Das ist wirklich schockierend. Also, wir sind in einer Lage, in der wir jetzt in Wahrheit nur noch Scherben aufkehren können. Und gleichzeitig stehen wir auch wirtschaftlich schlecht da und müssen eigentlich gerade jetzt durch Entlastung Spielräume schaffen.

Und das wird über eine Senkung von den Lohnnebenkosten passieren?

Naja, du musst schauen, wie du die Konjunktur wieder auf Vordermann bringst. Unter anderem wird es darum gehen, die Lohnnebenkosten zu senken. Das heißt, dass du Unternehmern Perspektiven bietest und es auch leichter wird, in Österreich unternehmerisch tätig zu sein. Dass es auch leichter wird, Angestellte einzustellen.

Die NEOS sind jetzt seit ungefähr zehn Jahren im Nationalrat. Und vielleicht seid ihr in der nächsten Regierung. Was macht euch denn noch wirklich NEO?

Unser ganzer Politikstil – wir sehen es gerade in den Verhandlungen, dass wir nicht sechs Vorfeldorganisationen haben, die alle eigene Interessen vertreten, dass wir keine Landeshauptleute haben, die eigene Interessen verfolgen, sondern tatsächlich unsere Inhalte vertreten, so wie wir es im Wahlkampf auch versprochen haben und jetzt nicht intern gefesselt sind und uns in keine Richtung bewegen können.

Ein anderer politischer Stil als der, den ihr vor zehn Jahren gelebt habt oder ist das derselbe? 

Der ist leider immer noch neu.

Seit zehn Jahren neu? 

Seit zehn Jahren, wenn du dir Österreich anschaust, ist es neu. Denn es hat sich
in Österreich einfach zu wenig verändert. Dieselben Stile, Systeme und
Strukturen, die wir vor 10, 20, 30, 40 Jahren hatten, haben wir jetzt mehr denn je.
Und wir sind jetzt an einem Punkt, wo wir sie aufbrechen müssen.

Thema Steuern. Wie stehst du zu einer Vermögensteuer? 

Dagegen. 

Erbschaftssteuer? 

Dagegen. 

Okay, wir haben ein hohes Budgetdefizit. Wie kann man das denn am besten finanzieren? Wäre es nicht am einfachsten, Vermögen mehr zu besteuern? 

Nein, weil du damit die Konjunktur abwürgst.

Was spricht konkret gegen eine Erbschaftssteuer für dich?

Entschuldigung, wir haben in Österreich geschichtlich gesehen einen Deal, dass wir Arbeit extrem hoch besteuern, aber irgendwann ist auch Schluss. Mit der dritthöchsten Steuer- und Abgabenquote in der gesamten EU ist irgendwann auch Ende. Ich glaube, die Politik muss sich endlich überlegen, wie sie sparsamer haushaltet. Wie viel Geld uns der Föderalismus in Österreich kostet, ist nicht nachhaltig. Und jetzt mal umgekehrt die Frage: Wenn wir die dritthöchste Steuer- und Abgabenquote haben, sind wir dann auch irgendwo drittbester?

Die primäre Frage der Politik kann jetzt nicht sein, wie wir noch mehr Geld bekommen. Die primäre Frage muss jetzt sein, wie wir es effizienter schaffen, zu wirtschaften und effizienter zu arbeiten.

Wie schaut es denn aus mit einer Partei, die ja stark für Erbschaftssteuern ist, zu koalieren? Kannst du dir das vorstellen? 

Mit Erbschaftssteuern nein.

Was spricht denn für dich persönlich gegen eine Erbschaftssteuer?

Ich finde, das ist eine Frage des Systems, in dem du dich befindest. Hätten wir in Österreich eine Flat Tax mit 25 Prozent – Okay, dann könnte man über diese Dinge nachdenken.

Aber faktisch haben wir in Österreich sehr wenig Anreize, wirklich arbeiten zu gehen und sich etwas aufzubauen, etwas zu erarbeiten. Und ich finde schon, dass der Gedanke, meinen Kindern etwas weiterzugeben, ein wichtiger und auch ein großer Motivator für die Leute ist, eben doch noch länger zu arbeiten und unternehmerisches Risiko einzugehen.

Aber Erben ist ja nicht Leisten. 

Nein, aber der Erblasser hat viel geleistet, damit er etwas vererben kann. Ich finde, das ist ein völlig falscher Punkt, diese Diskussion immer daran aufzuhängen, dass es nur um den Erben geht. Um den geht es nicht. Es geht um die Person, die etwas vererbt. Denn etwas an meine Kinder zu vererben, ist einfach ein Anreiz.

Meinst du, dass in Österreich jeder, der genug arbeitet, es schafft, ein großes Erbe hinterlassen? 

Nein, wie auch mit so vielen Steuern, wie du in Österreich zahlst? Aber schau dir die 70er Jahre an: Da wurde ein Chefarzt genauso besteuert wie jetzt ein durchschnittliches Gehalt. Bei uns sind die Steuern einfach rasant gestiegen über die Zeit, ohne dass sich auf der anderen Seite bei der Leistung, die die politischen Systeme bringen, etwas getan hat.

Was sind denn für dich so die drei größten Herausforderungen, die uns momentan betreffen?

Wir haben eine Bildungsnotlage. Ich glaube, dass wir im Bildungssystem ganz dringend etwas tun müssen. Das geht auch Hand in Hand mit der Integrationsfrage. Wie schaffen wir es, dass die Menschen, die in Österreich ein Bleiberecht haben, Perspektiven in Österreich bekommen?

Ich denke, dass wir in der Wirtschaft viel tun müssen. Wir brauchen eine riesige Transformation. Entweder wir schaffen es jetzt, wieder wettbewerbsfähig zu werden, oder wir werden einfach damit leben müssen, dass wir sehr viel Wohlstand verlieren.

Und wie würdest du die Klimapolitik der NEOS beurteilen?

Damit einhergehend müssen wir auch in der Klimapolitik ein Beispiel setzen, dem andere Länder gerne folgen, weil sich Wohlstand und Klimapolitik sinnvoll und effektiv vereinbaren lassen und sich nicht ausschließen.

 Was würden denn die NEOS für den Klimaschutz machen? 

Wir sind sehr klar der Meinung, dass eine CO2-Bepreisung aus unserer Sicht auch leicht höher sein könnte.

Eine CO2-Bepreisung auf EU-Ebene und auch ganz klar CO2-Zölle, damit Produkte, die aus dem Ausland kommen, auch dementsprechend in der EU stärker besteuert werden, wenn sie der Umwelt schaden.

Junge Menschen fühlen sich in Österreich von der Politik nicht besonders repräsentiert, interessieren sich aber durchaus für die Politik. Was würdest du diesen Menschen sagen?

Dass man sich im Zweifel engagieren soll. Und zwar nicht nur bei Parteien, sondern auch auf überparteilichen Plattformen. Aber ich glaube, es ist sehr wichtig, dass man seine Meinungen auch kundtut, dass man hier gehört werden kann und politisch tätig ist. Das ist immer besser, als einfach nichts zu tun.


Das war die dritte Ausgabe unserer neuen Interviewserie. Weiter geht es im neuen Jahr.

Clubmitglieder können das vollständige, ungekürzte Interview hier ansehen.

Autor

  • Johannes Neumeister

    Johannes Neumeister studierte Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien. Bei ZackZack ist er hauptsächlich für Videos zuständig. Er ist 23 alt und freut sich schon auf die Pension.

LESEN SIE AUCH

Liebe Forumsteilnehmer,

Bitte bleiben Sie anderen Teilnehmern gegenüber höflich und posten Sie nur Relevantes zum Thema.

Ihre Kommentare können sonst entfernt werden.

44 Kommentare

44 Kommentare
Meisten Bewertungen
Neueste Älteste
Inline Feedbacks
Zeige alle Kommentare

Jetzt: Glasfasern für Putins Militär - nur ZackZack berichtet

Nur so unterstützt du weitere Recherchen!

pilnacekbannerhalfpage