Montag, Januar 20, 2025

Neos-Exit: Kreisverkehr statt Leuchtturm

Die Neos sind draußen, aus einem einfachen Grund: Auch wenn Beate Meinl-Reisinger dem kleinsten gemeinsamen Nenner von ÖVP und SPÖ zugestimmt hätte, ihre Basis hätte „Nein“ gesagt. Nehammer und Babler stehen jetzt plötzlich alleine da.

Vor Silvester wurden auch bei den Neos die Flaschen eingekühlt. Jetzt bleiben sie zu. Aus der pinken Aufbruchsstimmung ist in nur zwei Tagen ein klares No Go geworden. Die Verhandlungsrunde, die für heute Mittag angesetzt war, ist geplatzt. Für die Spitze der Neos geht nichts mehr, weil die Basis jetzt erstmals bei den Neos das tut, was man früher nur bei den Grünen erlebt hat.

Von Anfang an stand es bei den Verhandlungen zwei gegen einen. Die Neos, die vor Jahren gegründet worden waren, weil der liberale Flügel der ÖVP von Wolfgang Schüssel eigenhändig amputiert worden war, fanden sich schnell mit der ÖVP gegen die SPÖ.

Leistungsträger

Von Anfang an ging es nur um eine Frage: Wer soll alles, was die ÖVP seit 2017 an ihre Unternehmer-Spezis ausgeschüttet hatte und was jetzt im Budget fehlt, bezahlen? Die Antwort von Neos und ÖVP waren ident: sicher nicht „Leistungsträger“ wie große Erben und große Banken. „Wir haben da auf Stahlbeton gebissen“, berichtet einer der Chefverhandler der SPÖ.

Neos und ÖVP verlangten von der SPÖ, dass sie entscheidend nachgab. Sie selbst waren dazu offensichtlich nicht bereit. Damit schufen sie statt Leuchttürmen einen Kreisverkehr, mehr nicht. Es war kein Zufall, dass sich Beate Meinl-Reisinger heute wortreich bei Karl Nehammer und August Wöginger bedankte – und auf Andreas Babler einfach vergaß.

Für die Neos hätte es auch einen anderen Weg gegeben: mit einer Bankenabgabe und einer Reichen-Erbschaftssteuer zumindest EU-Niveau zuzulassen – und dafür von der SPÖ einen gemeinsamen Angriff auf die Verschwendungssucht der Bundesländer-Fürstentümer zu starten. In den meisten Fällen hätte es blau-türkise Landesregierungen getroffen. Das Schlechteste aus diesen beiden Welten hätte damit weniger ausgeben und anstellen können.

Grüne oder FPÖ

Die Neos gehen mit dem Koalitions-Exit deutlich weiter als ihre deutsche Schwesterpartei. Mit dem Neos-Rückzug gewinnen die FPÖ-Freunde in der ÖVP die Oberhand. Christian Stocker hat als Generalsekretär sofort das Zeichen zum Angriff auf die SPÖ gegeben. Wenn damit die Seile zur SPÖ gekappt werden, bleibt der ÖVP nur noch Kickls Partei.

Aber vielleicht kommt jetzt eine kurze Stunde der Grünen. Sie könnten ÖVP und SPÖ ein Angebot machen, mit starkem Klimaschutz, einem Paket für Bildung, Forschung und innovative Unternehmen und mit Einsparungen dort, wo nach wie vor Milliarden verschwendet werden.

Damit könnten sie dem ÖVP-Parteichef, der jetzt mit dem Rücken zur blauen Wand steht, noch eine Chance verschaffen.


Titelbild: GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com, MAX SLOVENCIK / APA / picturedesk.com, Christopher Glanzl / ZackZack

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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